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Berliner Wirtschaft: Die Vormacherinnen

Weibliche Führungskräfte sind noch selten – aber es gibt Ausnahmen. Der Girls’ Day zeigt jungen Mädchen Perspektiven

Wenn Isolde Frey über eine Baustelle stapft, ist oft weit und breit keine andere Frau zu sehen. Doch das fällt ihr selten auf. Sie ist viel zu beschäftigt. Denn an Rohbauten interessieren sie die Wände, Türen und Flächen. Dort werden bald Schilder hängen, die die Firma Moniteurs entwirft und anbringen lässt – wie etwa das leuchtend gelbe „E“ am Veranstaltungsort „E-Werk“ in Mitte. Auch für die Beschilderung des künftigen Großflughafens BBI hat die Design-Agentur ein Konzept entworfen. Isolde Frey leitet die Firma mit sieben festen Mitarbeitern zusammen mit zwei weiteren Frauen. Bei ihrer Arbeit haben sie hauptsächlich mit Männern zu tun, vor allem bei Großkunden und unter Logistikern und Bauleitern. „Da sind wir oft eine Frau und acht Männer.“ Aber: „Sobald die Herren merken, dass ich weiß, wovon ich spreche, läuft alles bestens.“

Muss man also noch darüber diskutieren, wie es um die Frauen im Berliner Berufsleben und der Wirtschaft steht? Braucht man Veranstaltungen wie den morgigen Girls’ Day, an dem Schülerinnen Berufe kennenlernen, in denen sonst eher Männer arbeiten? „Frauen sind bei uns in Führungspositionen selten“, sagt Siemens-Sprecherin Ilona Thede. „Dabei versuchen wir, das zu ändern.“ Etwa mit reinen Mädchenausbildungsklassen und Veranstaltungen zum Girls’ Day.

Nicht nur in Berufen, bei denen Technik eine Rolle spielt, sind Frauen im Nachteil: Obwohl sie in Berlin den höheren Anteil an der Bevölkerung haben, waren 2006 lediglich 695 200 von ihnen erwerbstätig – aber 761 700 Männer. Selbstständig waren 85 100 Frauen und etwa doppelt so viele Männer. Das ergab ein Mikrozensus des Amtes für Statistik. Dabei kam auch heraus, dass mehr als doppelt so viele Männer ein Nettoeinkommen haben, das höher als 2000 Euro liegt. Bei den Arbeitnehmern, die weniger als 500 Euro verdienen, sind hingegen die Frauen stark in der Überzahl. Laut einer Studie des Senats aus dem Jahr 2006 verdienen Berlinerinnen mit 1157 Euro netto im Monat immerhin fast 200 Euro mehr als Frauen im Bundesdurchschnitt. Berlin ist auch in anderer Hinsicht vorbildlich: Nirgends in Deutschland gebe es mehr Mädchen, die eine handwerkliche Ausbildung machen, sagt Susan Sakery von der Handwerkskammer Berlin. Im Vorjahr waren 30 Prozent der Azubis in Handwerksberufen weiblich. Und 25 Prozent der Meisterprüfungen wurden von Frauen abgelegt.

Ähnlich ist auch die Frauenquote unter den Führungskräften der Deutschen Bank in Berlin. 25 bis 30 Prozent der 57 Filialen würden von Frauen geleitet, sagt ein Sprecher. Eine von ihnen ist Ira Holl: Die 44-Jährige leitet die Filiale an der Friedrichstraße mit 30 Mitarbeitern. Dort geht es nicht nur um Konten und Kredite. Unter dem Motto „Bank der Zukunft“ gibt es auch Kaffee, eine Lounge mit Internetzugang und Kinderbetreuung. „Wir haben viele berufstätige Frauen als Kundinnen – die sollen bei uns abschalten können.“ Außerdem „bemühen wir uns, besonders gute Rahmenbedingungen für die Angestellten zu schaffen, um ein Familienleben zu ermöglichen – für Frauen und Männer.“ Variable Arbeitszeiten gehören dazu und Wiedereinstiegsseminare nach der Elternzeit. Holl hilft sogar bei der Suche nach einem Kitaplatz, und wenn eine Mutter gerade im Kundengespräch ist, holt manchmal die Chefin oder eine andere Kollegin das Kind aus dem nahen Kindergarten.

Die Bedingungen, um Familie und Beruf zu vereinen, müssten sehr verbessert werden, damit mehr Frauen in Spitzenpositionen ankommen, sagt Vera Gäde-Butzlaff. Die 53-Jährige hat es geschafft: Sie ist seit rund einem Jahr Vorstandsvorsitzende der Berliner Stadtreinigung, führt 5500 Mitarbeiter und damit das größte kommunale Abfallunternehmen Deutschlands. „Eine Frau in einer solchen Spitzenposition erfährt wesentlich mehr Aufmerksamkeit als ein Mann“, sagt sie und sieht dies positiv. So könne man darauf hinweisen, dass es noch zu selten vorkommt.

In jüngster Zeit hat die BSR eine Reihe führender Positionen mit Frauen besetzt, drei leiten etwa Betriebshöfe. Es sei ein ganz normaler Umgang, sagt Gäde-Butzlaff. „Mit einer guten Mischung aus Männern und Frauen wird ein Unternehmen belebt.“ Aber bisher sind die Betriebshofleiterinnen oft allein unter Männern.

Diese Situation kennen viele Frauen, sogar Heide Meyer, die ein Dessousgeschäft und den Landesverband Berlin-Brandenburg im Verband Deutscher Unternehmerinnen leitet. Die meisten ihrer Geschäftspartner, darunter Verkaufsleiter großer Unternehmen, sind Männer. „Viele Frauen nehmen sich in Männerrunden zu sehr zurück“, sagt Meyer. Für sie gilt das nicht. Ebensowenig wie für Ulrike Saade: Die Gründerin der Firma Velokonzept organisiert Messen und Kongresse für Fahrradhändler und Kunden. „Eine männliche Branche“, sagt sie. Zurzeit überlegt sie gemeinsam mit Fahrradhändlern aus Deutschland, der Schweiz und Holland, wie man den Fahrradmarkt vergrößern kann. „Bike Brand Pool“ heißt das, und außer ihr sind nur Männer dabei. Aber die Idee stammt von ihr.

Informationen zum Girls’ Day im Internet: www.girls-day.de. Auch der Tagesspiegel beteiligt sich morgen an der Aktion, die Plätze sind jedoch alle schon vergeben.

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