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Kriminalität: Wilder Osten

Fast 70 Prozent aller Unternehmen in Berlin und Brandenburg waren 2006 Opfer von Straftaten. Die Anzeigebereitschaft wächst. Schon jetzt fragen Investoren nach, ob es sicher ist, sich hier anzumelden.

Berlin - Mehr als zwei Drittel aller Berliner und Brandenburger Unternehmen wurden im vergangenen Jahr Opfer von Straftaten. Das geht aus dem am Montag vorgestellten „Kriminalitätsbarometer Berlin Brandenburg“ des Arbeitskreises Unternehmenssicherheit der regionalen Industrie- und Handelskammern (IHK) hervor. Am häufigsten gaben die Unternehmen an, Opfer von Vandalismus (35 Prozent) und Einbruchdiebstahl (32 Prozent) geworden zu sein. Betrug folgt mit rund 26 Prozent. Opfer von Korruption oder Spionage wurden nur 4,3 beziehungsweise zwei Prozent der Befragten.

Die durch die Straftaten verursachten Schäden sind gegenüber der Vergleichsstudie aus dem Jahr 2005 gesunken. So reduzierte sich der Durchschnittsschaden bei Vandalismus von 2004 bis 2006 von 36 767 auf 7481 Euro. Der durchschnittliche Schaden bei Einbruchdiebstahl sank im gleichen Zeitraum von 14 615 auf 8609 Euro. Täter sind im überwiegenden Maße firmenfremde Personen, Mitarbeiter sind nur für 8,6 Prozent, Geschäftspartner lediglich für 6,8 Prozent der Straftaten verantwortlich.

„Das Kriminalitätslevel in der Region blieb gegenüber der Studie aus dem Jahr 2005 nahezu konstant“, erklärte der für die Untersuchung verantwortliche Mitarbeiter der IHK Frankfurt (Oder), Knuth Thiel, in Berlin. Lediglich der Zuwachs von 3,3 Prozent bei Einbruchdiebstahl sei nennenswert. Das widerspricht der offiziellen Kriminalitätsstatistik. Die verzeichnete in der Region laut Studie einen Zuwachs zwischen den Untersuchungszeiträumen 2004 und 2006 von rund 45 Prozent.

Erklären ließe sich der Widerspruch mit einer gewachsenen Anzeigebereitschaft der Unternehmer, sagte Thiel. „Die Unternehmer reagierten sensibler auf Wirtschaftskriminalität.“ Das Thema werde nicht nur als Kosten-, sondern zunehmend auch als Standortfaktor erkannt. „Investoren kommen auf uns zu und fragen, ob es sicher ist, sich hier oder dort anzusiedeln.“ Insgesamt sei die Zahl der Anzeigen um 16 Prozent gestiegen. Auffällig sei jedoch, dass Delikte wie Einbrüche, Brandstiftung oder Raubüberfälle immer noch zu weit über 80 Prozent angezeigt würden, bei Straftaten wie Korruption, Wettbewerbsverstößen oder Spionage hingegen nur in etwa 10 bis 15 Prozent der Fälle die Behörden eingeschaltet worden seien. „Ursache könnten Versicherungsfragen oder Zweifel an der Kompetenz der Polizei sein“, mutmaßt Knuth Thiel. Experten zufolge liegt die Dunkelziffer der Korruptionsfälle bei rund einem Zehnfachen der eingehenden Anzeigen.

Gleichzeitig verloren Probleme wie Arbeitslosigkeit, Bürokratie und Zahlungsmoral laut Studie gegenüber 2005 in den Augen der Unternehmer leicht an Bedeutung. Am stärksten legte das Thema Umweltverschmutzung zu.

Festgestellt wurden in der Studie darüber hinaus zahlreiche regionale Unterschiede, die zum Teil jedoch nicht erklärt werden können. Wieso beispielsweise die Gefahr eines Unternehmens, Opfer einer Straftat zu werden, in der Uckermark rund 80 Prozent beträgt, das Risiko im benachbarten Landkreis Oberhavel jedoch bei nur 56 Prozent liegt, mussten die Verantwortlichen offenlassen. Die Wahrscheinlichkeit, von Kriminalität betroffen zu werden, liegt für Unternehmer im Landkreis Oder-Spree (86,5 Prozent Betroffene) am höchsten, das geringste Risiko tragen die in Ostprignitz-Ruppin. Berlin rangiert mit 66,9 Prozent betroffenen Unternehmern etwa im Mittelfeld. Ein Nord-Süd-Gefälle, wie es die Kriminalitätsstatistik feststellte, konnten die Forscher dabei genauso wenig bestätigen wie deutliche Stadt-Land-Unterschiede.

Bei der Art der Delikten gab es jedoch teils signifikante regionale Unterschiede. So sind Berliner Unternehmen stärker von klassischer Wirtschaftskriminalität wie Produkt- und Markenpiraterie betroffen, während Firmen aus den Brandenburger IHK-Bereichern eher über Vandalismus und Einbruchdiebstahl klagen. Beim Thema Datenspionage liegen Berlin und Potsdam fast gleich auf.

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