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Vattenfall: "Sie werden es nicht glauben“

Nach der Strompreiserhöhung stellt sich Vattenfall-Vorstand Cramer der Kritik. Viele Kunden haben kein Verständnis für die steigenden Kosten.

Berlin - Gummibärchen sind gut. Wer sie kaut, baut Aggressionen ab. „Mögen Sie ein paar Gummibärchen?“, fragt Hans-Jürgen Cramer, Vorstandssprecher des Versorgers Vattenfall Europe Berlin, den Kunden. „Nein, danke“, sagt der Rentner. „Ich lass mich nicht bestechen.“ Mit Bestechung versucht es Cramer aber auch gar nicht, der sich am Donnerstag in dem Vattenfall-Beratungszentrum in der Schloßstraße der Kritik seiner Kunden stellte. Die Einwürfe des Rentners hört er sich ruhig an und sagt zu: „Wir werden darüber noch einmal im Vorstand sprechen.“ Cramer warnt aber vor zu hohen Erwartungen: „Ich kann Ihnen nur versprechen, was ich auch halten kann.“ Im Klartext: An der Strompreiserhöhung wird sich im Prinzip nichts ändern. „Wir sind abhängig vom Weltmarkt.“

Seitdem Vattenfall im Mai für Berlin angekündigt hat, den Strom im Schnitt um 6,5 Prozent teurer zu machen, schlagen die Wellen hoch. Wettbewerber reiben sich die Hände und werben mit günstigem Strom. „Die will ich nicht schlecht machen“, sagt Cramer einem seiner aufgebrachten Kunden. „Aber schauen Sie mal auf den Preis nach einem Jahr, wenn die Wechselprämie nicht mehr enthalten ist.“ Die Differenz betrage dann wenige Euro – und zum Teil sei Vattenfall dann sogar billiger.

Der Rentner aus der Eisenacher Straße hört sich die Argumente Cramers 20 Minuten an. Er hat sich gut vorbereitet – vor allem die starke Erhöhung des Grundpreises empört ihn: „Sie haben eine große Verantwortung.“ Doch der Vattenfall-Vorstand hat immer ein Gegenargument – eingeführt mit den Worten „Sie werden es nicht glauben“. Am Schluss ist der Rentner wirklich nicht überzeugt: „Ich versteh es einfach nicht.“ Die ohnehin kleine Rentenerhöhung gehe komplett für die höheren Strompreise drauf. Er will zur Konkurrenz wechseln – nach 50 Jahren bei der Bewag, die in Vattenfall aufgegangen ist.

Cramer betont, dass dieses Erlebnis eine Ausnahme darstelle. Und tatsächlich. Die nächste Dame, die er über die Hintergründe der steigenden Strompreise aufklären will, hat fein säuberlich ausgeschnitten eine Vattenfall-Anzeige in der Hand. Nachdem sich die Aufregung, mit einem echten Vorstand zu sprechen, gelegt hat, zeigt die Kundin auf den Tarif, in den sie wechseln will. Eine Mitarbeiterin des Kundenzentrums übernimmt. Vattenfall hat den Kampf um diese Kundin gewonnen. Ähnlich läuft es bei einem älteren Ehepaar. Gezielt wird nach dem „Kompakt“-Tarif gefragt. Cramer erläutert die Vorteile des „Klassik“ – und erzählt, dass er gar nicht so weit von den beiden entfernt wohnt.

Viele Menschen seien für die Argumente Vattenfalls aufgeschlossen, erklärt Vorstand Cramer. Um Schadensbegrenzung zu betreiben, hat er in den vergangenen Tagen 150 Kunden persönlich angerufen. Laut geworden sei niemand. Im Gegenteil. Die meisten hätten sich gefreut, dass ihre Probleme ernst genommen würden, und blieben Vattenfall erhalten. Bernd Hops

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