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© Mike Wolff

Wirtschaftsförderung: Helfer gegen den Ämterfrust

Ab Herbst richtet der Berliner Senat eine Anlaufstelle ein, die Firmengründern mit einem Rundum-sorglos-Paket im Bürokratiewirrwarr den Weg weisen soll. Die Bezirke sind noch skeptisch.

Oft hat sich Hans-Georg Giering jemanden gewünscht, der ihn an die Hand nimmt. Jemand, der ihm sagt, welches das richtige Formular für die Baubehörde ist und welche Auflagen der Bezirk macht, wenn 17 400 Quadratmeter kontaminierter Boden abgetragen werden müssen. Jemand, der weiß, welche Fördertöpfe ihm bei der Bank zustehen, wenn er in Treptow-Köpenick investieren wird. Giering ist Vorstandsvorsitzender bei Silicon Sensor. Bereits seit 2005 hatte er die neu eröffnete Produktionsstätte geplant. Doch die Baubehörde, das Denkmalschutzamt und Umweltauflagen machten die Standorterweiterung zur Daueraufgabe.

Giering war mit seinem Projekt vier Jahre zu früh dran. Denn ab Herbst richtet der Berliner Senat eine Anlaufstelle ein, die im Bürokratiewirrwarr den Weg weisen soll. Zunächst werden die 400 wichtigsten Firmen der Stadt bei der Suche nach Fördermitteln, Fachkräften oder Genehmigungen unterstützt. Anbieter des Rundum-Pakets ist die Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner in Zusammenarbeit mit den Kammern, der Investitionsbank Berlin und den Bezirksämtern. Das wichtigste Ziel: Unternehmen, die bereits erfolgreich in Berlin wirtschaften, sollen bleiben. Bürokratische Strukturen und langwierige Gänge durch die Behörden haben in der Vergangenheit viele abgeschreckt. Negativbeispiele wie den Weggang des Elektronikgeräteherstellers Samsung soll es nicht mehr geben. Weil der Standort nicht mehr attraktiv schien und es Schwierigkeiten bei Erweiterungsplänen gegeben hatte, war der Betrieb 2005 abgewandert. 750 Arbeitsplätze gingen in Berlin verloren.

„In der Bauphase haben wir nichts anderes gemacht, als mit den Zuständigen im Bezirk zu sprechen“, klagt Detlef Meißner, Betriebsleiter Operative Prozesse bei Silicon Sensor und zuständig für die Standorterweiterung. Für einen symbolischen Wert von einem Euro hatte die Firma verseuchtes Land bei Oberschöneweide gekauft und wieder nutzbar gemacht. Weil die Elektronikspezialisten am Motzener See bauten, schaltete sich umgehend die Wasserschutzbehörde ein. Danach meldete das Amt für Denkmalschutz Bedenken an, weil alte Industrieanlagen abgerissen werden müssen. Mehr als ein Jahr dauerte es, bis die Baubehörde die Anlagen erlaubte.

Manchmal behindern sich die Behörden gegenseitig

In Treptow-Köpenick wird seit 1992 Wirtschaftsförderung betrieben. Vom kleinen Friseurgeschäft über Autowerkstätten bis hin zum Pharmaunternehmen Berlin-Chemie – einem der größten Arbeitgeber im Bezirk – kommen alle, wenn sie Hilfe vom Amt wollen. Weil das Stadtplanungsrecht bei den Bezirken liegt, sind die Unternehmen auf die Verwaltungen angewiesen. Für Meißner wurde die Zeit in den Ämtern zur Zerreißprobe. „Manchmal weiß die eine Behörde nicht, was die andere tut“, sagt der 48-Jährige. „Sie behindern sich gegenseitig.“ Als etwa der Denkmalschutzbeauftragte den Bau nicht freigab, musste sich die Firmenleitung an die nächst höhere Instanz wenden. Viele Gespräche später kam schließlich die Bewilligung.

Dass Behörden sich manchmal in die Quere kommen, weiß auch die Bürgermeisterin von Treptow-Köpenick, Gabriele Schöttler (SPD). „Eine bessere Vernetzung der Wirtschaftsförderer auf allen Ebenen ist im Interesse der Unternehmen dringend erforderlich“, sagt sie. Die Bestandspflege sei in den Vorjahren aus Personalmangel vernachlässigt worden.

Mitarbeiter äußern sich verhalten, wenn es um den neuen Unternehmerservice geht. Nicht nur in Treptow-Köpenick fühlen sich Bezirksbeamte von der Initiative des Senats übergangen und in ihrer Arbeit nicht ernst genommen. In Charlottenburg-Wilmersdorf, Spandau oder Lichtenberg weiß man noch nicht so recht, was man mit dem Unternehmerservice anfangen soll. Es gibt keine Ablaufpläne, und jeder Fall, der auf den Tisch der Wirtschaftsförderung kommt, ist anders. Wie Verwaltung und Wirtschaft sich annähern können, ist noch ungewiss.

Den Unmut in den Bezirken kann Daniel Fiebig, Branchenkoordinator Industrie bei der IHK, nicht nachvollziehen: „Wir müssen den Verhinderungsalltag beenden, die Betriebe sollen sich nicht tagelang mit dem Papierkram beschäftigen.“ Vom Unternehmerservice erhofft sich Fiebig vor allem mehr Transparenz im Bürokratiedschungel. „Meist sind es kleine Anfragen, die den Chefs aus Einzelhandel, Gastronomie oder Elektrobetrieben zu schaffen machen“, sagt er. Solche typischen Fragen lauten zum Beispiel: Wo beschwere ich mich, wenn direkt vor meinem Modegeschäft der Bezirk die Straße aufreißt? Wer hilft mir, wenn ich einen Parkplatz bauen will? Und wie nutze ich meine Flächen, um Werbung zu machen?

Dass die Ämter wenig Verständnis für Wirtschaftlichkeit haben, bezweifelt Michael Pawlik, Leiter der Wirtschaftsförderung in Steglitz-Zehlendorf. Da der Berliner Südwesten nur wenige Flächen für Neuansiedlungen hat, liegt Pawlik die Bestandspflege für ansässige Unternehmen besonders am Herzen. Regelmäßig bringt er die Firmenvertreter an einen Tisch und kennt ihre Belange. „Der persönliche Kontakt ist wichtig.“ Ob das von Berlin Partner übernommen werden könne, müsse die Praxis zeigen.

Im November 2007 hat Silicon Sensor das neue Werk an der Wilhelminenhofstraße eröffnet. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 320 Mitarbeiter und macht rund 40 Millionen Euro Umsatz. Weitere Planungen hat Vorstandschef Giering zwar noch nicht in der Schublade, aber er will auf jeden Fall am Standort bleiben und diesen langfristig erweitern. Spätestens dann dürfte sich zeigen, ob der versprochene Bürokratieabbau gelungen ist.

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