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Zeitarbeit: Arbeiten mit dem Klebeeffekt

Zeitarbeitsfirmen vermitteln in Berlin immer mehr Fachleute. Für viele ist es der Weg in den festen Job.

Sie sind gut ausgebildet – und sie suchen gezielt nach einem befristeten Job: „Wir vermitteln in Berlin immer mehr hoch qualifizierte Arbeitnehmer“, sagt Antje Hajda, Managerin bei der Zeitarbeitsfirma Randstad in der Niederlassung Friedrichstraße. „Auch wenn es dramatisch klingt: Arbeit Suchende nutzen Zeitarbeit zunehmend als strategisches Mittel zur Berufsplanung.“ Ingenieure etwa, die von Projekt zu Projekt ziehen und so unterschiedliche Erfahrungen sammeln. Carola Hoffmann, Inhaberin der Zeitarbeitsfirma AZ GmbH in Charlottenburg, hat sich sogar auf Fachkräfte mit einer guten Ausbildung spezialisiert: Buchhalter, Marketing-, und Vertriebsexperten, Personalsachbearbeiter. „Der Trend zur Zeitarbeit hat irre zugenommen“, sagt Hoffmann.

Rund 1000 Zeitarbeits- und Personalvermittlungsfirmen gibt es in der Stadt. 23 323 Zeitarbeitskräfte hat die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit in Berlin im Juni 2007 gezählt. Damit hat sich ihre Zahl seit 2003 mehr als verdoppelt: Damals waren es lediglich 10 865. Im Jahr 2006 waren es schon 19086. Zahlen für 2008 gibt es noch nicht, doch jetzt heißt es in der Branche, dass der Boom schwächer werde, aber nicht alle sehen es so.

„Letztes Jahr gab es eine enorme Nachfrage, dieses Jahr bislang etwas weniger Wachstum“, sagt Tanja Siegmund, Sprecherin der Firma Adecco, neben Randstad und Manpower einer der größten Anbieter. Rund 1000 Jobs habe die Zeitarbeitsfirma im Großraum Berlin im vergangenen Jahr vermittelt. Zurzeit gebe es einige hundert offene Stellen. Auch Adecco vermittelt qualifizierte Arbeitnehmer: „Für sie wird Zeitarbeit mehr und mehr zu einer wirklichen Alternative“, sagt Siegmund. Vor allem Ingenieure und examiniertes Pflegepersonal, aber auch Fach- und Führungskräfte für Callcenter seien zur Zeit besonders gefragt in Berlin.

Insbesondere in Callcentern steige in Berlin aber auch die Nachfrage nach unqualifizierteren Zeitarbeitskräften, sagt Claus Labonté von der IHK-Berlin. Auch wenn der Anteil an hochqualifizierten „Zeitarbeitern“ wie Ingenieuren am stärksten wachse, gebe es „rein zahlenmäßig noch relativ wenige“. Gerade nach dem Studium schätzten immer mehr junge Ingenieure die Abwechslung. Ärzte, Anwälte oder Lehrer würden noch nicht auf Zeit vermittelt. „Aber in diesen Berufen wird es in der Zukunft interessant.“ In Berlin, dem „Weltmeister der Veranstaltungen“, seien Zeitarbeitskräfte besonders beim Catering gefragt. Vor allem aber nach wie vor beim Büro-Service. „Zeitarbeit ist meistens die Lösung eines Personalproblems“, sagt Labonté. Seiner Meinung nach gehen durch Zeitarbeit keine festen Arbeitsplätze verloren. „Das wird zwar immer wieder behauptet, aber mir fehlt der Beweis, auch wenn es ein paar schwarze Schafe geben mag.“ Die Bezahlung für Zeitarbeiter liege in Berlin meist über dem geforderten Mindestlohn.

Wie viele Zeitarbeiter von Firmen fest übernommen würden, sei von Branche zu Branche unterschiedlich, sagt Labonté. Insgesamt bleibe ein Drittel der Zeitarbeitskräfte. Das bestätigen sowohl Antje Hajda von Randstad als auch Carola Hoffmann von der AZ GmbH. „Es gibt einen Trend zur Übernahme in feste Verträge. Jeder dritte Mitarbeiter bleibt beim Kunden. Das nennen wir den Klebeeffekt“, sagt Carola Hoffmann. „Bei uns ist ein ständiges Kommen und Gehen.“ Es seien aber immer 100 Mitarbeiter für die Firma im Einsatz. Sie sieht das positiv. „Wir wollen nicht, dass unsere Mitarbeiter auch in zwei Jahren noch Zeitarbeit machen.“

Zeitarbeit werde weiter zunehmen, heißt es beim Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister. Sie sei ein „Frühindikator“ für den ganzen Arbeitsmarkt. Im Jahr 2006 liefen deshalb 75 Prozent aller Belegschaftserweiterungen über Zeitarbeit. 2007 waren es nur noch 25 Prozent. Wenn die Firmen nach einiger Zeit sicher sind, dass die Auftragsbücher auch weiterhin gefüllt sind, stellen sie wieder regulär ein. Der große Boom sei damit vorbei. „Wir hatten einen drastischen Anstieg im letzten Jahr“, sagt Antje Hajda von Randstad. Jetzt verfestige sich der Anstieg. „Wir gehen von weiteren Zuwachsraten aus. Da ist noch viel Musik drin.“ Auch weil gerade Berliner Firmen zunehmend den „Rekrutierungsprozess auslagerten – zu den Zeitarbeitsfirmen.“

Auch Carola Hoffmann von der AZ GmbH sagt: „Die Wirtschaft nutzt uns als Rekrutierungsinstrument“; das liege vor allem am zunehmenden Fachkräftemangel: „Es gibt heute sogar schon zu wenige gute Buchhalter mit Englischkenntnissen.“ Die Veränderung am Arbeitsmarkt schlägt sich in der Marketingstrategie der Firma nieder: „Wir geben im Moment richtig Geld aus, um passende Kandidaten zu werben.“ Die AZ GmbH, 1981 in Berlin als eine der ersten Zeitarbeitsfirmen gegründet, expandierte vor fünf Jahren nach Hamburg. „Dort ist es noch schwieriger, geeignete Kandidaten zu finden. In Berlin geht das noch, hier ist die Arbeitslosigkeit größer.“

Wirtschaftlich seien Hamburg und andere strukturstärkere Städte Berlin voraus. „In den nächsten drei Jahren wird es aber auch bei uns eng werden, geeignetes Personal zu finden.“ Kunden hingegen hätten sie genügend. „Das wird auch noch ein paar Jahre so bleiben.“ Die Arbeitnehmer könnten sogar Bedingungen stellen. Bei den meisten Zeitarbeitsfirmen hat man reagiert und lässt geeignete Kandidaten schulen, damit sie genau auf ein Profil passen. So lernen Ingenieure etwa spezielle Computerprogramme, die sie für ein bestimmtes Projekt brauchen.

„Im Moment ist es eine komfortable Situation für uns“, sagt auch Silvia Rohrbeck, Gründerin der Firma Serviceline Personaldienstleistungen. Sie hat 130 bis 140 Zeitarbeitskräfte in Berlin „im Einsatz“. Serviceline vermittelt hauptsächlich Controller, Sekretärinnen, Marketingassistentinnen. Von ihnen würden sogar 60 Prozent von den Firmen übernommen. „Zu unserem Leidwesen.“

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