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Historischer Ort. Das Palais am Festungsgraben stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.

©  Thilo Rückeis

Berlinovo-Konzept: Palais am Festungsgraben soll zum "Kultursalon" werden

Die landeseigene Wohnungsgesellschaft Berlinovo plant ein offenes Haus für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Veranstaltungen. Eröffnung: 2022.

Aus dem Palais am Festungsgraben soll ein multifunktionaler „Berliner Kultursalon“ werden: Nach einem Konzept der landeseigenen Immobiliengesellschaft Berlinovo, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird das historische Gebäude neben dem Deutschen Historischen Museum Unter den Linden „ein offenes Haus für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Veranstaltungen“. Es gliedert sich in die Bereiche „Veranstalten, Arbeiten, Genießen, Wohnen.“ Auf „Eventflächen“ könnten Messen, Modeschauen, Fotosessions, Lesungen, Ausstellungen, Präsentationen und Feste stattfinden, ein Teil der Räume aber soll auch zur privaten Nutzung wie zum Beispiel Hochzeiten stundenweise vermietet werden.

Auf anderen Flächen werden dem Konzept zufolge Co-Working-Arbeitsplätze für die Digital- und Kreativszene eingerichtet. Im Erdgeschoss ist ein Restaurant vorgesehen, im 3. Stock eine Bar mit offener Terrasse im Dachgeschoss. Auch zwei Wohnungen von je etwa 165 Quadratmeter für die kurzzeitige Vermietung an Künstler, Professoren und Gastdozenten sind vorgesehen.

Maxim-Gorki-Theater und Humboldt-Uni waren auch Bewerber

Die ebenfalls landeseigene Berliner Immobiliengesellschaft (BIM) hatte im vergangenen Jahr einen Nutzungswettbewerb gestartet, an dem sich auch das benachbarte Maxim-Gorki-Theater mit einem Flüchtlingskonzept und die Humboldt-Uni mit der Idee eines „Forums für Religionsfragen“ beteiligten. Gegen beide Konzepte gab es in der Landespolitik aber Bedenken: Sie seien nicht offen und flexibel genug.

Zudem sucht die Senatskanzlei seit längerem nach einem repräsentativen Gebäude, das ähnlich wie das alte Gästehaus im Grunewald genutzt werden kann, aber nicht zwischendurch leer steht. Dies ist im Netzwerk-Konzept von Berlinovo berücksichtigt. Zudem gibt die Steuerung der Vermietung und Nutzung des Hauses durch die landeseigene Berlinovo dem Senat jederzeit die Möglichkeit, auf das Haus für Bedürfnisse des Landes Berlin zuzugreifen.

Eine Vorgabe der ausschreibenden BIM war zudem, dass ein Zuschussbetrieb ausgeschlossen ist. Das Berlinovo-Konzept kommt dem am nächsten: Es sieht kalkulierte jährliche Mieteinnahmen von 642 284 Euro (Nettokalt) bei einer Fläche 4657 Quadratmeter vor.

Geplante Eröffnung im Jahr 2022

Eröffnen soll das Palais nach umfangreicher Sanierung mit geschätzten Kosten von 15 Millionen Euro im Jahr 2022. Allerdings warnen Experten vor unliebsamen Überraschungen, wie sie auch bei der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden gegenüber vom Palais wegen des sumpfigen Berliner Untergrunds aufgetreten waren. Auch deswegen war im Senat der Wunsch aufgekommen, bei der Nutzungsentwicklung mit Immobilienfachleuten zusammen zu arbeiten. Aufsichtsratsvorsitzender der Berlinovo ist Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen, Aufsichtsratsvorsitzende der BIM seine Staatssekretärin Margaretha Sudhof.

Offen sind noch Fragen des Denkmalschutzes. Zur Verwirklichung des Berlinovo-Konzepts, das auch zu einer Vergrößerung der nutzbaren Fläche führt, gehört eine Erschließung aller Räume über ein zentrales Treppenhaus, das es hier bisher nicht gibt. Auch die Idee einer offenen Dachterrasse birgt Konfliktpotenzial, weshalb die Bar nicht von der Straße aus einsehbar sein soll. Der Denkmalschutz sitzt ebenso wie die Senatsverwaltungen für Kultur, Finanzen, Wirtschaft und Stadtentwicklung, die Senatskanzlei und der Bezirk im Lenkungsausschuss.

Die vorgesehene Nutzung von Räumen auch durch die Wissenschaft dürfte als Entgegenkommen in Richtung der HU zu verstehen sein. In der vergangenen Woche soll es zudem ein Treffen von Berlinovo-Geschäftsführer Roland Stauber und HU-Präsidentin Sabine Kunst gegeben haben. Das Konzept der Humboldt-Uni sah vor, das Palais in „Henriette-Herz-Haus“ umzubenennen und von theologischen und religionsbezogenen Fakultäten einschließlich des noch zu gründenden Instituts für Islamische Theologie nutzen zu lassen. Auch das konkurrierende Maxim-Gorki-Theater findet Erwähnung im Berlinovo-Konzept: „Ergänzende Anmietung durch Maxim-Gorki-Theater, Theater im Palais und die Büromieter sind erwünscht.“

Räume und Arbeitsplätze können angemietet werden

Im Berlinovo-Konzept ist entgegen der exklusiven Nutzungsvorschläge von HU und Maxim-Gorki Theater von einem „Kultursalon“ für die „Berliner Bürgergesellschaft“ die Rede. Dementsprechend werden am Ende der 15-Seiten-Präsentation als strategische Partner des Projekts neben dem Büro „Richter-Musikowski-Architekten“ auch die Berliner Netzwerk-Organisationen „Außergewöhnlich Berlin“ und „Bechstein Networks“ genannt. Diese sollen mit weiteren Berliner Institutionen eingebunden werden in ein Kuratorium, das als Beratergremium den „Veranstaltungsmix“ mitbestimmt. Laut Konzept soll jedes Berliner Projekt Flächen mieten können – „vom Kita-Sommerfest über Studenten-Initiativen bis zur Kunstausstellung mit internationaler Strahlkraft“ soll alles möglich sein.

Die im Konzept vorgesehenen Preise für das Anmieten von Räumen und Arbeitsplätzen sind für die Lage verhältnismäßig moderat: Für Festsäle und Veranstaltungsflächen veranschlagt Berlinovo im Schnitt Einnahmen von 8,50 Euro pro Quadratmeter, für die Gastronomieflächen 17,60 Euro, für Büros 8,70 Euro und fürs Wohnen 12 Euro. Gegebenenfalls sollen auch subventionierte Preise angeboten werden. Bei den Festsälen liegt eine marktübliche Kalkulation für „historische Event-Locations“ von 2500 bis 8500 Euro pro Veranstaltungstag zugrunde. Da im Bürobereich auch einzelne Arbeitsplätze vermietet werden, sind diese mit einer Miete von je 350 bis 550 Euro monatlich angegeben. Insgesamt setzt Berlinovo bei ihrem Konzept auf die Erfahrung als Anbieter von Zeitmietverträgen. Als Ziel wird angegeben: „Ein sich selbst refinanzierendes System. Mit Kultur das Geld anziehen, das die Kultur finanziert.“

Vom preußischen Finanzministerium zur Tadshikischen Teestube

Das Palais am Festungsgraben in Mitte gehört zu den Kronjuwelen des Landes Berlin. Es ist vergleichbar mit dem größeren Kronprinzenpalais, das Unter den Linden auf der anderen Straßenseite liegt. Erbaut wurde das Palais am Festungsgraben 1751. Es war Sitz des preußischen Finanzministeriums und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als „Haus der Kultur der Sowjetunion“ neu eröffnet. Seit der Wiedervereinigung ist das repräsentative Haus vor allem ein Bürostandort. Das „Theater im Palais“ übernahm 1991 einige Räume im Erdgeschoss. Lange gab es hier auch ein Restaurant und die „Tadshikische Teestube“. Die zog 2013 in die Oranienburger Straße um.

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