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Berlin: Berlinpass passt Bezirken nicht

Stadträte sehen Bürgerämter überlastet, Sozialsenatorin ist vom Andrang erfreut

Er solle rund 700 000 armen Berlinern mehr Teilhabe ermöglichen – aber hat sich nach Meinung mehrerer Bezirksstadträte als ABM für die Verwaltung erwiesen: der Berlinpass. Seit Jahresbeginn werden die Pappkärtchen von den Bürgerämtern ausgegeben. Zweck des vor allem von der Linken gewünschten Passes ist die Bündelung von Vergünstigungen – Eintrittskarten, Bibliotheksausweise, BVG-Sozialticket –, ohne dass die Berechtigten stigmatisiert werden.

„Gut gemeint, aber miserabel gemacht“, lautet das Fazit der Neuköllner Stadträtin für Bürgerdienste, Stefanie Vogelsang (CDU), nach dem ersten Monat. „Wir haben täglich rund 200 Menschen zusätzlich in den Bürgerämtern, die total frustriert sind.“ Bei sechs Minuten Bearbeitungszeit pro Kunde ergeben sich täglich 20 Stunden Mehrarbeit. Die Folge seien längere Wartezeiten sowie Frust bei Antragstellern und Bearbeitern: Die einen seien sauer über den zusätzlichen Behördengang, während die anderen die Arbeit kaum noch schafften. Da das Dokument meist nur für sechs Monate gelte, sei Entspannung nicht in Sicht. Als Ausweg fordert Vogelsang die Rückkehr zur alten Regelung: Der Pass wird – wie sein Vorläufer, das Sozialticket der BVG – vom Jobcenter ausgestellt, das die Hartz- IV-Empfänger ohnehin betreut. Sie sind die größte Adressatengruppe. Außerdem haben Empfänger von Grundsicherung und anerkannte Asylbewerber Anspruch auf den Pass.

Auch Vogelsangs Amtskollege aus Tempelhof-Schöneberg, Oliver Schworck (SPD), spricht von einer „ungeheuren Belastung“ und sieht Versäumnisse des Senats. Die Vorlaufzeit sei zu kurz gewesen, das zusätzliche Budget zu knapp bemessen. Schworck will sich nächste Woche mit seinen Amtskollegen beraten. Die Stadträte aus Pankow und Mitte bestätigen zwar den Mehraufwand, halten ihn allerdings bisher für beherrschbar.

Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) wies die Kritik zurück: „Die Bezirke wollten den Pass doch in den Bürgerämtern bearbeiten.“ Namentlich die CDU habe gefordert, „dass wir das Geld nicht den Jobcentern in den Rachen werfen“. Und: „Die von Frau Vogelsang geschilderten Probleme aus Neukölln sind deutlich älter als der Berlinpass.“ Die Bezirke seien vorab involviert gewesen. Nun müssten sie das zusätzliche Budget auch an der richtigen Stelle investieren.

In Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf werden die Sozialpässe nach Auskunft der Senatorin seit Jahren vom Bürgeramt ausgegeben – mit guten Erfahrungen. Und die große Nachfrage sei „genau das, was wir wollten“. Stefan Jacobs

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