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Auf dem ehemaligen Mauerstreifen an der Harzer Straße will die Baugenossenschaft DPF Mietwohnungen errichten.

© Thomas Loy

„Ich bin fassungslos und sauer“: Berliner Bezirk lehnt Bauantrag für günstige Wohnungen ab – zum zweiten Mal

In Treptow-Köpenick sollen 100 Genossenschaftswohnungen entstehen. Der Baustadtrat ist gegen das Projekt. Es gebe teils keine „gesunden Wohnverhältnisse“.

Der Streit um den Bau von Genossenschaftswohnungen in Alt-Treptow ist erneut eskaliert. Das Bezirksamt von Treptow-Köpenick hat zum zweiten Mal den Bauantrag der Genossenschaft DPF für rund 100 bezahlbare Mietwohnungen auf einem Filetgrundstück an der Harzer Straße abgewiesen. Auch ein weiteres Bauvorhaben der DPF mit 40 Wohnungen in der Hänselstraße im Ortsteil Baumschulenweg wurde nicht genehmigt.

DPF-Vorstand Andreas Böhm spricht von Willkür und hält Baustadtrat Rainer Hölmer (SPD) für nicht mehr tragbar. „Hölmer ist der falsche Mann am falschen Platz.“ 

Kritik kam auch von Bausenator Sebastian Scheel (Linke). „Die Genossenschaft DPF will in zwei Vorhaben preiswerten Wohnungsbau errichten, also genau die Art Wohnungsbau, die wir in Berlin so dringend brauchen.

Sowohl zu dem Projekt in der Harzer Straße als auch zu dem in der Hänselstraße gab es zwischen meinem Haus und dem Bezirk, aber auch zwischen mir und dem zuständigen Bezirksstadtrat persönlich, in den vergangenen Monaten mehrere Gespräche und Abstimmungsrunden.

Der Vorhabenträger hat daraufhin die Planungen angepasst. Vom Bezirk hätte ich mir bei diesem genossenschaftlichen Projekt eine stärkere Ermöglichungshaltung gewünscht.“ 

Die DPF geht davon aus, dass Scheels Verwaltung beide Vorhaben im Widerspruchsverfahren doch noch genehmigt. Allerdings dürfte sich das Projekt Harzer Straße erneut um ein Jahr verzögern, weil auf dem Grundstück Bäume gefällt werden müssen. Auch dafür fehlt bislang die Genehmigung. Ab 1. März ist das Fällen nicht mehr erlaubt.

Baustadtrat Rainer Hölmer (SPD) weist die Vorwürfe zurück. "Die DPF fordert nichts anderes als politische Baugenehmigungen zugunsten bezahlbaren Wohnraums. Der Wunsch an sich ist nachvollziehbar. Dabei wird aber übersehen, dass über Bauanträge im unbeplanten Innenbereich nicht nach politischer Opportunität sondern nach Baurecht entschieden wird." Der Bauantrag sei nicht ausreichend angepasst worden. Es gebe bei einigen Wohnungen keine „gesunden Wohnverhältnisse“. Außerdem füge sich das Bauprojekt nicht in die nähere Umgebung ein. Mit diesem Argument war schon der ursprüngliche Bauantrag abgelehnt worden. 

Das Bauvorhaben im Modell.
Das Bauvorhaben im Modell.

© DPF

Im August 2020 hatte die Wohnungsbauleitstelle der Senatsverwaltung versucht, den Konflikt zu schlichten. Das Verfahren drohte zwischenzeitlich zu scheitern, weil beide Seiten auf ihren Positionen beharrten, bis sich schließlich die DPF bereit erklärte, ihren Bauantrag zu überarbeiten. 

In dem neuen Entwurf verzichtet sie auf die oberste Etage eines Bauteils mit zwei Wohnungen und ließ ein „Belichtungsgutachten“ anfertigen. Doch das bewertete das Amt als unzureichend.

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Der DPF-Vorstand hat sich in einem Beschwerdebrief an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) gewandt. Der Bau bezahlbarer Wohnungen ist seit Jahren oberstes Credo von Linke und SPD, zum Zuge kommen allerdings vor allem die Wohnungsbaugesellschaften. „Tatsächlich verhindert die SPD aus willkürlichen Gründen den Bau von bezahlbaren Wohnungen“, erklärt die DPF in einer Mail an Scheel. „Wenn die DPF das Baugrundstück mit einem Gewinn von 24 Millionen Euro verkaufen würde, würden weitere ,unbezahlbare’ Wohnungen an diesem Standort entstehen.“

Die DPF hatte die 5000 Quadratmeter große Mauerbrache 2007 für 800.000 Euro gekauft. In der Umgebung sind inzwischen teure Eigentumswohnungen entstanden. Bei benachbarten Bauprojekten wie Bouchégärten oder Treptower Zwilling seien Grundstücke weitaus massiver bebaut worden als an der Harzer Straße geplant, klagt DPF-Vorstand Böhm. 

Für die knapp hundert Wohnungen gebe es bereits 400 Interessenten. In der Gegend lägen die Mieten für Neubauwohnungen inzwischen bei 20 Euro pro Quadratmeter, die DPF würde ihre Wohnungen für rund die Hälfte anbieten.

Die Bouchégärten liegen ebenfalls in der Harzer Straße. Hier können sich nur Gutverdiener eine Wohnung leisten.
Die Bouchégärten liegen ebenfalls in der Harzer Straße. Hier können sich nur Gutverdiener eine Wohnung leisten.

© DPF

Der grüne Abgeordnete für Alt-Treptow, Harald Moritz, vermutet hinter dem Streit „eine ganz persönliche Kiste“. In einem von der DPF ausgelobten Ideenwettbewerb soll sich die Chefin des Stadtplanungsamtes, Ulrike Zeidler, für einen Projektentwurf ausgesprochen haben, der dann nicht zum Zuge kam. 

Zeidler bestätigt, dass sie einen anderen Entwurf als den ausgeführten favorisiert hatte, weist aber "etwaige Spekulationen über persönliche Motive" zurück. "Die Ablehnung des Bauantrages der DPF für das Grundstück Harzer Straße ist allein fachlich begründet." 

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„Ich bin fassungslos und sauer“, sagt Moritz. Dass jetzt bezahlbare Wohnungen nicht genehmigt werden, weil sie sich angeblich nicht in die Umgebung einfügten, „kann ich überhaupt nicht nachvollziehen“. Der baupolitische Sprecher der FDP im Abgeordnetenhaus, Stefan Förster, kritisiert die Versagung der Baugenehmigung als "Posse", wie er in einem offenen Brief an Hölmer schreibt. "Wie Sie mit einer anerkannten und traditionsreichen Wohnungsbaugenossenschaft umgehen, ist wirklich unfassbar."

Die Baugenossenschaften sind allgemein nicht gut auf die Berliner Verwaltung zu sprechen, weil sie kaum Bauflächen erhalten und den Mietendeckel als Eingriff in ihre Autonomie ablehnen.

Die DPF ist 1957 als „Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft Deutsche Post Berlin“ gegründet worden und hat derzeit rund 6000 Mitglieder und 3800 Wohnungen in ganz Berlin.

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