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Berlin: Berlins Bauten sollen lächeln

Die Fassaden der Stadt sind eintönig, findet Experte von Garnier: Er fordert mehr Mut zur Farbe

Ist Berlin zu grau? „Nein“, sagt der international bekannte Farbgestalter Friedrich Ernst von Garnier, „aber es fehlt die lächelnde Farbigkeit.“ Der weltweit bekannte Farbgestalter, dem jetzt in der Philharmonie eine Ausstellung gewidmet ist, geht mit Berlins neuer Architektur scharf ins Gericht. „Schwarz und silbern“ sei sie, viel zu düster. Die Architekten müssten mehr mit Farben arbeiten. Die aber dürften „nicht bunt, nicht knallig“ sein.

Er vermisst die Fähigkeit der Baumeister, Landschaft und Gebäude farblich in Beziehung zu setzen, mit dem natürlichen Licht zu arbeiten. Dem Tagesspiegel erläuterte er gestern bei einer Rundfahrt schlechte, aber auch gelungene Beispiele. Die Neubauten am Potsdamer Platz sind ihm mit den rot-gelb-braunen Farben zu eintönig, im Sony-Center sieht er nur ein Spiegelbild gläsern-kalter, mächtig wirkender Architektur.

Das Erscheinungsbild der Friedrichstraße hält er für „düster und anmaßend“. Sie sei, weil farblich unterentwickelt, eine der schlimmsten Einkaufsstraßen weltweit. Der schwarze Neubau neben dem rötlich-stuckverzierten Borchardt-Altbau an der Französischen Straße ist für den Farbexperten überhaupt die abstoßendste Fassade. „Da ist keine Weichheit, keine Zärtlichkeit“, wie sie der Stadt gut stehen könnte. Von Garnier spricht in diesem Zusammenhang gern von „städtebaulicher Verhaltensstörung“. Am Gendarmenmarkt stört ihn der graudüstere Neubau Mohren-, Ecke Markgrafenstraße, während ihm das korkfarbene Gegenüber gefällt. Die rote Kulisse der Bauakademie ist für ihn ein Lichtblick, auch das neue Parkhaus der Rathaus-Passagen mit seinen farbigen Scheiben. „Eine leise Farbigkeit, man spürt, da hat jemand nachgedacht.“ Zum Ensemble farbiger Häuser an der Schützenstraße sagt er nur: „Unser Grauen ist bunt.“ Das knallig rot gestrichene SEZ sei „eine Frechheit gegenüber Berlin“.

Die Vorstellungen des Farbgestalters decken sich eher mit zurückhaltenden,vorwiegend blassen, pastellenen Farben, wie er sie beispielsweise an einen Hochhausblock an der Landsberger Allee geworfen hat. Jeder Aufgang hat seine eigenen Farben. Insgesamt zehn Projekte hat der Künstler, bei Wiesbaden zu Hause, in Berlin farblich „veredelt“, vor allem Plattenbauten, aber auch den U-Bahnhof Kurfürstenstraße. In Berlin, aber auch anderswo, versuchten Architekten, mit Formen Farbe zu ersetzen. Die Stadt wirke zerrissen. „Ich will nicht ein Haus schöner machen, sondern ihm die Chance geben, sich der Lichtstimmung anzupassen.“ Das Rosa des Zeughauses ist ihm „zu leicht“, die Parlamentsbauten an der Dorotheenstraße erscheinen ihm zu düster, „selbst bei Sonne sieht es hier nach Regen aus.“

Der graue Neubau der Schweizer Botschaft gegenüber dem Kanzleramt stellt für ihn sogar einen „kriminellen Akt“ dar. Zum Regierungssitz fällt ihm ein, dass seine Tochter, die Regisseurin Katja von Garnier, schon scherzhaft vom Kanzler gefragt wurde, ob der Vater nicht Lust hätte, das Haus anzustreichen. Er hätte. „Nicht grün, nicht blau, sondern rötlich.“

Christian van Lessen

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