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Schlagfertig. Christian Block hat in Lichtenberg Berlins ersten Crash Room gegründet. Für 99 Euro kann man hier alles kaputt schlagen.

© Sven Darmer/Davids

Berlins erster "Crash Room" in Lichtenberg: Jetzt ist aber mal Wut!

Stressabbau, Scheidung oder die pure Lust an der Zerstörung: In Lichtenberg kann man neuerdings einen ganzen Raum kaputt hauen. Die Kunden werden als höflich und umsichtig beschrieben.

Es rummst und scheppert im Nachbarzimmer. Bei der Ankunft an Christian Blocks Arbeitsplatz ist gleich klar: Gerade ist Kundschaft da. Hinter der Wand scheint jemand ordentlich Dampf abzulassen. Es ist Erik, 29, aus Halle, der da wütet. Seine Kumpels stehen in der Zimmertür und schauen zu, wie er mit einer Spaltaxt die letzten Reste des Fernsehers zerkleinert. „Es ist anstrengend, aber befreiend“, sagt Erik in einer kurzen Verschnaufpause.

Seine Freunde haben Erik zum angekündigten Wutausbruch in den ersten Berliner Wutraum gelotst. Im sogenannten „Crash Room“ in Lichtenberg von Betreiber Christian Block, 31, darf die Kundschaft gegen einen Preis von 99 Euro hemmungslos ein komplettes Zimmer verwüsten. Die Instrumente dafür hängen fein säuberlich aufgereiht am Eingang an der Wand: Baseballschläger, Vorschlaghammer, Brecheisen, Äxte und Golfschläger. Das Ziel der Zerstörung: Stressabbau.

Staub liegt in der Luft, deshalb trägt Erik zum Bauarbeiterhelm und Maleranzug auch eine Atemschutzmaske. In wenigen Tagen wird Erik heiraten – die Jungs sind zum Junggesellenabschied nach Berlin gekommen. Jetzt haut er die Axt noch mal mit voller Wucht in den Sessel, aus dem bereits die Innereien hervorquellen. Was Block für die Kundschaft mit viel Umsicht auf den elf Quadratmetern zum wohnlichen Raum arrangiert – die Couchgarnitur, Stühle, Tisch und Schrank, Regale und Spiegel –, liegt eine halbe Stunde später kurz und klein über den Boden verstreut. Für 20 Euro mehr gibt es die Deluxe-Version auf 14 Quadratmetern, mitsamt festlich arrangiertem Teeservice oder was sonst gerade da ist.

„Es ist schon echt anstrengend“

Die Möbel und Einrichtungsgegenstände bekommt Christian Block aus Wohnungsauflösungen und von Entrümpelungsfirmen. Der 31-Jährige aus Treptow betreibt eigentlich eine Webseite für Upcycling-Produkte, ist aber schon seit einigen Wochen auch im Wutraum-Geschäft tätig. Den Trend gab es zuerst in Japan und den USA – im vergangenen Jahr eröffnete der erste deutsche Wutraum in Halle.

Inzwischen ist der Lärm verebbt. Erik bahnt sich nach getaner Aktion seinen Weg zurück über Möbelruinen, Elektroschrott und Scherben. Es knirscht und poltert. Erik setzt sich zu den Freunden auf die Couch im Eingangsbereich. Seine Stirn glitzert unter den Schweißperlen. „Es ist schon echt anstrengend“, sagt er und grinst. „Aber jetzt bin ich richtig entspannt.“ Wütend oder gestresst war er vorher zwar nicht, doch befreit fühlt er sich dennoch. „Ich wollte nur alles zerschlagen. Das ist relativ simpel.“

Wutausbruch geschenkt bekommen

Wie Erik bekommen die meisten Kunden den Wutausbruch geschenkt, von ihren Freunden oder Partnern, die sie meist auch begleiten. „Es ist ein soziales Event“, sagt Christian Block. Neulich waren drei Brüder da, von denen einer kurz vor dem Studienaufenthalt in London stand. „Die haben noch mal richtig Rambazamba gemacht hier.“ Andere trauen sich anfangs nicht richtig. Denen empfiehlt Block, erst einmal ein paar Teller an die Wand zu schmeißen. Mit den ersten Scherben fallen dann auch die Hemmungen. „In einer Welt, in der es für jede Kleinigkeit Normen und Gesetze gibt, tut es richtig gut, mal alles rauszulassen“, sagt Block. Zur Animation hat er eine Musikbibliothek mit einem Überhang an Metal-Sounds angelegt. Bald möchte er auch einen schallgedämpften Schreiraum einrichten.

Die tatsächliche Wut auf etwas oder jemanden, den Chef oder die Ex, komme bislang eher selten vor. Doch neulich hatte er die Buchung einer jungen Frau, die mit ihrer besten Freundin deren Scheidung im Wutraum feierte. Die beiden rückten mit einer Flasche Champagner an sowie Pflanzen, Hemden und Bildern des Ex, die sie dann rituell zerstörten.

Viele räumen am Ende noch auf

Generell empfindet Christian Block seine Kundschaft weniger als Wüteriche denn als höflich und umsichtig. „Viele wollen mir am Ende noch helfen beim Aufräumen“, sagt er und lacht. Nach dem Ausbruch entsorgt Block die Reste im Container, der auf dem Hof bereitsteht.

Schlimme Verletzungen hat sich im Zerstörungsrausch noch keiner zugezogen. „Nur kleine Schnittwunden“, sagt Block. Für die Seele scheint der Wutausbruch geradezu heilsam zu sein. Ob die Krankenkasse den Besuch bezahle, habe ihn neulich am Telefon die Mutter eines Jungen mit ADHS gefragt. Das möchte Christian Block jetzt prüfen. Dann gäbe es den kontrollierten Exzess demnächst auf Rezept.

Crash Room, Wiesenweg 1–4, Lichtenberg. Einmal Zerstören ab 99 Euro, Termine: 0178 654 40 66 oder E-Mail: info@crash-room.de, www.crash-room.de

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