zum Hauptinhalt
Entschlossen. Justizsenatorin Gisela von der Aue hält am Gefängnis fest.

© ddp

Berlins Finanzen: Gefängnisneubau wird Sparobjekt

Nach dem Aus für das Schloss fordern die Grünen, auch auf den geplanten Gefängnisneubau zu verzichten. Die Justiz will die 120 Millionen Euro teure Anlage – doch der Widerstand wächst.

Nach dem Aus für das Schloss fordern die Grünen, auch auf den geplanten Gefängnisneubau zu verzichten. 120 Millionen soll die neue Vollzugsanstalt für Männer im brandenburgischen Großbeeren kosten – eine „völlig überflüssige Verschwendung“, sagte der grüne Rechtspolitiker Dirk Behrendt gestern. Mehrere Gründe sprächen für den Verzicht auf „Heidering“ mit 650 Haftplätzen: In Brandenburg stehen derzeit 700 Zellen leer, das Justizministerium in Potsdam hatte deshalb Berlin angeboten, den freien Platz zu nutzen. Zudem gibt es in Berlin seit Monaten keine Überbelegung mehr – nach jahrelanger dramatischer Überbelegung von bis zu 20 Prozent in Moabit oder Tegel.

Seit mehr als zehn Jahren wird über das neue Gefängnis diskutiert und gestritten, am 2. Februar 2009 war vom Senat der „Baubeginn“ gemeldet worden – passiert ist nahezu nichts. Denn schon die Abfuhr des Bodens wurde vom Gericht gestoppt: Die unterlegene Firma hatte gegen die Ausschreibung geklagt. Erst im Februar 2010 begann der Aushub tatsächlich, nachdem beide Firmen einen „Kompromiss“ geschlossen hatten. Die Abfuhr des Bodens erfolgte nun durch beide Firmen – und ist tatsächlich abgeschlossen.

Doch Kräne drehen sich deswegen immer noch nicht in Großbeeren – derzeit läuft die Ausschreibung für den Rohbau. Diese war wegen der Haushaltsordnung des Landes vorher nicht möglich, hieß es in der Bauverwaltung. Man hoffe auf einen Baubeginn „August / September“. Noch könne der Bau also problemlos gestoppt werden, kommentierte Behrendt. Die 100 000 Tonnen vergifteten Bodens hätten ohnehin von dem früheren Rieselfeld abgetragen werden müssen, deshalb sei das Geld dafür nicht einmal verloren.

Die Justizverwaltung beharrt auf dem Neubau: „Heidering kommt“, versicherte ein Sprecher von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD). Die Eröffnung sei für Ende 2012 vorgesehen. Wie berichtet, hatte von der Aue das Angebot aus Brandenburg, Zellen oder ganze Gefängnisse zu mieten, als „unredlich“ zurückgewiesen. Brandenburg wolle nur von der eigenen Fehlplanung bei den Gefangenenzahlen ablenken, hieß es. Tatsächlich gehen die Zahlen auch in Berlin zurück: 2007 saßen 1750 Männer in Tegel, in der vergangenen Woche nur noch 1516.

Dem Vernehmen nach war von der Aue empört, dass Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linkspartei) seine Offerte per Pressemeldung publik machte. „Das war kein Angebot, sondern ein Gedankenspiel“, heißt es trotzig in der Berliner Justiz. Die ins Gespräch gebrachten Gefängnisse Neuruppin und Brandenburg seien für Berliner Gefangene zu weit weg. Stimmt nicht, sagt Behrendt: Ausländische Gefangene ohne Bindung oder Häftlinge, die ohnehin abgeschoben werden sollen, brauchen auch keine „heimatnahe Unterbringung“. Wie berichtet, tauschen Berlin und Brandenburg andere Gefangene sehr wohl aus: Berlin schickt Jugendliche nach Wriezen im Oderbruch oder nach Frostenwalde, in den abgelegensten Landstrich der Uckermark. Brandenburg will im Gegenzug alle eigenen Sicherungsverwahrten nach Tegel verlegen.

Die erst vor wenigen Jahren eröffnete Haftanstalt Wulkow mit 300 Plätzen sei ideal, sagte der grüne Rechtsexperte Dirk Behrendt nach einer Besichtigung. Zudem sei Heidering nur umständlich für Besucher zu erreichen. Behrendt warf von der Aue „Halsstarrigkeit“ vor. Es sei schon erstaunlich, dass sich zwei rot-rote Landesregierung nicht einigen können und so Millionen unnötig ausgeben.

Der Haushaltsexperte der SPD, Stefan Zackenfels, formulierte es gestern so: „Im Moment gehe ich davon aus, dass der Bedarf an Haftplätzen nur durch einen Neubau gedeckt werden kann.“ Dem Vernehmen nach ist in der SPD-Fraktion in der letzten Zeit nicht über die Heidering-Millionen diskutiert worden. Dies werde sich nun aber ändern, hieß es von mehreren SPD-Abgeordneten.

Selbst Tegeler Insassen – denen der Neubau eigentlich zugute kommen soll – lehnen Heidering ab. Viel billiger wäre es, wenn man mehr Gefangene nach zwei Dritteln der Haftzeit entlassen würde, heißt es in der jüngsten Ausgabe der Tegeler Gefangenenzeitung „Lichtblick“. Wie berichtet, ist Berlin bei der Reststrafenaussetzung bundesweit Schlusslicht, fast alle sitzen bis zum allerletzten Tag. „Wozu an der neuen Anstalt festhalten? Gefordert ist politische Flexibilität“, heißt es im „Lichtblick“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false