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Baustelle am künftigen Humboldt-Forum. Nun wird über den Gestaltungswettbewerb für das Umfeld des Schlosses gestritten.

© dapd

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Prachtvoll soll es sein und praktisch zugleich: das künftige Schlossumfeld. Jetzt wird um den Gestaltungswettbewerb gestritten, der noch im Sommer starten soll. Kann das Ensemble Mittelpunkt eines lebendigen Quartiers werden?

Eine der wichtigsten städtebaulichen Entscheidungen zum zukünftigen Gesicht der Mitte Berlins fällt in diesen Tagen: Die Jury des Wettbewerbes zur Gestaltung des Schlossumfeldes tritt zusammen und berät die Vorgaben, an die sich die teilnehmenden Landschaftsarchitekten halten müssen. Der groß angelegte, internationale Wettbewerb soll noch im Sommer starten. Er wird darüber entscheiden, ob die einmal fertiggestellte Rekonstruktion des Schlüterbaus wie ein Fremdkörper wirken wird – oder ob das 600 Millionen Euro teure Projekt im Ensemble mit Dom, Neuem Museum, Einheitsdenkmal und Staatsratsgebäude den künftigen Mittelpunkt eines lebendigen Stadtquartiers bildet.

Dass schon dem Auslobungstext für den Wettbewerb eine derartige Bedeutung zukommt, liegt daran, dass Senatsbaudirektorin Regula Lüscher sich festgelegt hat. Sie favorisiert eine moderne Platzgestaltung. Die Rekonstruktion des Schlossplatzes in seiner aus den Vorkriegsjahren bekannten Gestalt sowie die Rückkehr von dort ursprünglich aufgestellten Denkmälern – darunter Neptunbrunnen und Rossebändiger – hatte sie abgelehnt. Zuletzt begründete sie dies im Abgeordnetenhaus mit den dabei entstehenden Kosten. Schlägt sich das in der Ausschreibung des Wettbewerbs nieder?

Über dessen Ausgang entscheidet auch die Besetzung der Wettbewerbsjury. Dem Vernehmen nach soll auf Drängen des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) Kultursstaatssekretär André Schmitz (SPD) in das Gremium berufen werden. Der hatte sich schon einmal öffentlich in die Debatte über die Entwicklung der Stadtmitte eingemischt und sich für die Rekonstruktion des historischen Marienviertels starkgemacht – und damit gegen die damalige Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gestellt.

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Ist nun Senatsbaudirektorin Lüscher an der Reihe? „Dass der Staatssekretär für die Berücksichtigung von historischen Bezügen wirbt, ist bekannt“, sagt Schmitz’ Sprecher Günter Kolodziej. Es sei gut, dass der Ausschreibungstext historischen und modernen Entwürfen die gleichen Chancen einräumt.

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Mitglied der Jury ist auch Manfred Rettig, Vorstand der für die Rekonstruktion des Schlüterbaus verantwortlichen Stiftung Berliner Schloss Humboldtforum. Noch liege ihm kein Entwurf für den Ausschreibungstext zur Umfeldgestaltung vor. Dieser werde aber ohnehin in einem Kolloquium mit allen Jury-Mitgliedern abgestimmt. Rettig hatte sich bereits vehement gegen den geplanten Glaskubus von Thyssen-Krupp gegenüber vom Schlossneubau und vor dem Staatsratsgebäude ausgesprochen. Der umstrittene Neubau wurde vor einem Monat gekippt.

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Einfluss auf den internationalen Wettbewerb könnte auch das Ergebnis eines konkurrierenden „Ideenwettbewerbs“ haben, den der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft ausgelobt hat. Dessen Ergebnisse stellt die Jury kommende Woche vor. Und auch hier geht es um die „Freiraumgestaltung“ rund um das Schloss. Beteiligt sind fünf Hochschulen und Technische Universitäten – und deren Vorschläge sind nicht ins Korsett von Bauvorschriften eingeschnürt. Bauvorschriften und andere Sachzwänge bergen durchaus Risiken für das Schlossprojekt: sechs Halteplätze für Reise- und Rundfahrtbusse, drei Halteplätze für Taxis, Metallbügel für 200 von insgesamt 440 Fahrradstellplätzen, eine Wegeführung rund um das Gebäude für die Hubwagen der Fensterputzer – wird die filigran ausgearbeitete Fassade überhaupt noch erkennbar sein vor lauter Blech und Aluminium?

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„Die Sachzwänge dürfen am Schloss nicht zur Zerstörung des Stadtraumes führen“, fordert Stadthistoriker Benedikt Goebel. Eine Befreiung des Veranstaltungsgebäudes von allzu rigiden Verwaltungsvorschriften wäre durch eine „politische Entscheidung“ möglich – „wenn aber dieses Wunder nicht geschieht, wird das Umfeld des Schlosses so schlicht und banal wie andere Plätze auch“.

Goebel zählt zu jenen Stadthistorikern, die nicht Tradition gegen Moderne, Traufhöhe gegen Türme oder Ost- gegen Westarchitektur setzt, sondern sich für einen „dritten Weg“ ausspricht. „Der wilhelminische Zustand lässt sich am Schloss nicht wiederherstellen“, sagt er. Wohl aber städtebaulich sich ergänzende, sich verstärkende Elemente zu einem Ensemble. Warum das so wichtig ist? „Das erkennt man am Vergleich der Schlossbrücke mit ihren Figuren und früheren Aufnahmen ohne die Kunstwerke“, sagt Goebel. Genauso wichtig für das Schloss sei die Rückkehr eines Teils der 23 Denkmäler in dessen Umfeld. Der Schlossbrunnen (heute Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus) ist das bekannteste, die Rossebändiger oder die Adlersäule zählten aber ebenfalls dazu.

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