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Der Regierende Bürgermeister Michael Müller.

© dpa

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller: Sind Langweiler die modernsten Politiker?

Nett, bescheiden, diplomatisch: Berlins Regierendem Bürgermeister haftet so gar nichts von seinem Vorgänger Klaus Wowereit an. Lässt er sich aus der Reserve locken? Ein Treffen zum Frühstück.

9 Uhr im Hinterzimmer des Café Einstein in Berlin. Ein Treffen zum einjährigen Amtsjubiläum des Berliner Bürgermeisters. Im Windschatten seines berühmten Vorgängers Klaus Wowereit hat es Michael Müller, 50, gelernter Bürokaufmann, der mit seinem Vater eine Druckerei betrieb, zu einem hübschen Erfolg gebracht: 30 Prozent würden derzeit seine SPD wählen.

Man nennt ihn still, ehrlich, diplomatisch, er gilt als die personifizierte Bescheidenheit, gleichzeitig als Langeweile in Person. Böse Stimmen sagen: Kein Charme, keine Visionen, keine Ideen – das ist schon ein ziemlich "rougher" Ruf für einen Politiker. Rühreier mit Speck. Sein, hoppla, enorm freundliches Gesicht, Weitsicht-Brillengläser. Irgendwie hat man Lust, mit ihm Witze zu machen – keine Ahnung, wie das gehen soll.

Ist Berlin langweiliger?

Hammer-Einstiegsfrage: Ist man als potenzieller Langweiler der denkbar modernste Politikertyp? "Die geht ja schlimm los, hört aber gut auf, die Frage." Er fasst sich an einen Brillenbügel, schaut ein wenig traurig auf sein Ei. Er glaube tatsächlich, dass im Moment ein anderer Politikertyp gefragt sei als noch vor zehn Jahren: "Der, der morgens zur Arbeit geht, seinen Job macht, die Sachen klärt, die die Leute wichtig finden. Dafür ist nicht der große Auftritt gefragt."

Entschuldigung, die Frage ist ein bisschen naheliegend, muss aber kommen: Unter seinem Vorgänger Wowi war Berlin "arm, aber sexy". Wie ist Berlin heute, bisschen wohlhabender, bisschen langweiliger? "Ich kann Ihnen nicht den Spruch, aber einen Anspruch nennen: eine selbstbewusste Hauptstadt, die auch eine Stadt der Arbeit ist und Perspektiven schafft, in Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft. Wir sind auf dem richtigen Weg."

Kurze Ratlosigkeit, was man mit diesem so enorm routiniert und professionell wirkenden Mann weiter besprechen soll, wir können ihn ja schlecht nach Kartenspielertricks fragen. Was sind eigentlich gerade die großen Berlin-Themen, sind es das Humboldt-Forum, die Homo-Ehe, der Wohnungsbau, die Stadtautobahn 100, die Flüchtlinge, die Sicherheitslage? Nein, natürlich die Flüchtlinge. In der Flüchtlingsfrage, so die öffentliche Wahrnehmung, versagt der Berliner Senat komplett.

BER-Eröffnung? "Winterflugplan 2017"

Wie lautet sein Widerspruch? "Vieles gelingt, wir haben 65.000 Menschen geholfen. Manches ist noch nicht gelungen. Das ist eine Bestandsaufnahme, die es in Hamburg und München genauso gibt wie hier." In der Flüchtlings- und Wohnungspolitik gehe es im Kern um den Punkt "Nutzungskonflikt auf freien Flächen". Die Berliner liebten ihre Freiräume, gleichzeitig werde jede freie Fläche gebraucht für Wohnungs-, Schul- und Straßenbau.

Es geht jetzt um die merkwürdig indifferente Haltung der Bundes-SPD in der Flüchtlingsfrage und ihren Vorsitzenden Gabriel, aus dem auch Müller offenbar nicht richtig schlau wird. An einer Stelle, die nicht zitiert werden kann, kriegt der Regierende Bürgermeister einen Lachanfall. Ja, lachen ist schön. Kann er so etwas wie einen Arbeiterstolz formulieren? "Ach, Arbeiterstolz. Ich sage: Man kann auch ohne Abitur und als Handwerker ein gutes und erfolgreiches Leben führen. Das ist meine Überzeugung."

Können wir melden, dass er irgendeine funky Sache kann, reiten, Tango tanzen, Italienisch sprechen? "Dass ich wie Gutenberg am Bleikasten setzen kann, wird Sie nicht beeindrucken." Moment, natürlich beeindruckt uns das. Eine ultimativ lustige Frage, die Lachnummer zum Abschied: Wann macht der vollidiotischste, der dümmste Flughafen der Welt endlich auf? Hahaha, ist das lustig. Sein tapferes Politikergesicht: "So wie es heute steht: Winterflugplan 2017." Diese Festlegung ist natürlich eine Agenturmeldung wert.

Dieser Text ist Teil der Serie "Auf ein Frühstücksei mit ..." und erschien zuerst bei Zeit Online.

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