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Verkaufsstelle Tanke. Auch die Regale der Spritstationen wie hier am Tempelhofer Damm sind oft üppig bestückt.

© Mike Wolff

Berlins Senat nimmt auch Tankstellen ins Visier: Erst wenn der letzte Späti sonntags schließt

Erst ging es nur gegen die Spätis, jetzt will Berlins Arbeitssenatorin Breitenbach auch das Sonntags-Verkaufsverbot an Tankstellen durchsetzen.

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Erst die Spätis, jetzt auch die Tankstellen: Kontrolleure der bezirklichen Ordnungsämter werden demnächst wohl nicht nur in Berlins Spätverkaufsläden auftauchen, um das Verkaufsverbot für Lebensmittel an Sonntagen zu überwachen – sondern gleichfalls in den meist supermarktmäßig ausgestatteten Tankstationen.

Wie berichtet, hatte das Verwaltungsgericht Anfang Juli in einem Beschluss die geltende Rechtslage bestätigt, nach der „Spätis“ an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich nicht öffnen dürfen. Dies müsse künftig – „schon alleine aus Gründen der Fairness“ – auch hinsichtlich des Lebensmittelverkaufes in Tankstellen durchgesetzt werden, sagte Berlins Sozial- und Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Sonntag dem Tagesspiegel.

Zuvor hatte sie bereits gegenüber der „Berliner Morgenpost“ in einem Interview gesagt, der Späti sei kein Berliner Lebensgefühl. Zugleich forderte sie, die Bezirke müssten den Lebensmittelverkauf in Tankstellen gleichfalls schärfer überwachen. Dies bekräftigte sie nun im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Ich bin als Senatorin ganz klar verpflichtet, die Einhaltung von Gesetzen zu garantieren“, sagte Breitenbach.

Sie bezieht sich auf Berlins Ladenschlussgesetz, das aktuell vom Verwaltungsgericht im Rechtsstreit mit einem Spätverkauf bestätigt wurde. 2006 wurde das Gesetz von der damaligen rot-roten Koalition verabschiedet. Es ist zwar werktags großzügig, indem es den Rund-um-die-Uhr-Verkauf erlaubt , doch sonntags müssen alle Geschäfte, folglich auch die Läden für den täglichen Lebensmittelbedarf, geschlossen bleiben.

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Davon ausgenommen sind an Sonntagen von 13 bis 20 Uhr nur Verkaufsstellen, die einzig den sogenannten „touristischen Bedarf“ anbieten. Dazu gehören Souvenirs, Stadtkarten, Tabak, Blumen oder Lebensmittel „in kleinen Mengen für den sofortigen Verzehr“.

In den meisten Tankstellen sind die Regale aber ebenso wie in Spätis weitaus üppiger gefüllt, weshalb die Senatorin nun das Gesetz hier wie dort gleichermaßen durchsetzen möchte. „Wie sollte ich denn einem Spätibesitzer erklären, weshalb ich an der Tanke ein Auge zudrücke, bei ihm aber nicht“, sagte Breitenbach.

Die Tankstelle wird zum kleinen Supermarkt

Ortstermin in einer Aral-Tankstelle an der Dudenstraße in Tempelhof. Ein Teil des Verkaufsraums ähnelt einem kleinen Supermarkt. In den Regalen stehen 750-Milliliter-Flaschen Speiseöl und 500-Gramm-Kartons mit Tafelsalz. So viel Auswahl gibt es in kaum einem Späti. Das Angebot stammt von der Handelskette Rewe, die ähnliche Verkaufsflächen in vielen Tankstellen betreibt.

Klar ist bei den großen Mengen im Angebot, dass es sich nicht um Lebensmittel zum sofortigen Verzehr, also Reisebedarf handelt. Niemand benötigt auf Reisen ein halbes Kilo Salz. Eine am Sonntag geöffnete Tankstelle dürfte diese Produkte nach dem Berliner Ladenöffnungsgesetz also nicht verkaufen.

Spätis bleiben Sonntags weiterhin geschlossen.
Spätis bleiben Sonntags weiterhin geschlossen.

© imago/Olaf Selchow

Anwohnerin Claudia Rettenbach nutzt das Angebot von „Rewe to go“ aber gern. „Besonders weil die Preise hier nicht viel höher sind als im Supermarkt.“ Das Salz kostet 49 Cent, 2,99 Euro das Sonnenblumenöl. Heute hat Claudia Rettenbach aber nur etwas Süßes gekauft.

Für Kontrollen fehlt Personal in den Ordnungsämtern

Kundin Andrea Meyer sieht den Sonntagverkauf kritischer. „Ich brauche das nicht unbedingt. Es hat ja auch geklappt, als man früher nur bis sechs Uhr abends einkaufen konnte. Der Sonntag sollte eigentlich Erholungstag sein“, sagt sie und steigt wieder ins Auto. Für viele der Kunden ist der Einkauf an der Tankstelle eine Notfalloption, nicht die Regel.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi begrüßte am Sonntag den neuen Vorstoß der Senatorin. „Dass sie auch in den Tankstellen scharf hingucken will, finden wir gut“, sagte Verdi-Sprecher Andreas Splanemann. Er habe aber „Zweifel, ob der Ankündigung nun auch Taten folgen“. Personell seien die Ordnungsämter dazu wohl kaum in der Lage.

Die Gewerkschaft klagt seit langem gegen das recht liberale Berliner Ladenschlussgesetz, weil sie die Gesundheit und Arbeitnehmerrechte der im Handel Beschäftigten durch die Sonntagsarbeit gefährdet sieht und die Sonntagsruhe als hohes Gut bewahren will.

Erst Anfang April war Verdi mit einer Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht erfolgreich. Dabei ging es gegen die zweite Ausnahmeregelung im Ladenschlussgesetz.

Gerichte entscheiden über verkaufsoffene Sonntage

Demnach kann der Senat jährlich acht verkaufsoffene Sonntage bestimmen, an denen alle Läden von 13 bis 20 Uhr öffnen dürfen – vorausgesetzt, das lässt sich mit einem „herausragend gewichtigen öffentlichen Interesse“ begründen. Bisher war dies aus Sicht des Senats bei Großereignissen wie der Grünen Woche oder Berlin Art Week der Fall, entsprechend wurden die verkaufsoffenen Sonntage genehmigt.

Lebensgefühl oder Ladenschluss? Spätis müssen auch in Kreuzberg sonntags geschlossen bleiben.
Lebensgefühl oder Ladenschluss? Spätis müssen auch in Kreuzberg sonntags geschlossen bleiben.

© Pierre Adenis/laif

Doch im April argumentierten die Verwaltungsrichter, selbst bei der Grünen Woche habe im Verhältnis zur Gesamtgröße Berlins kein ausreichendes öffentliches Interesse vorgelegen. Nun sieht der Senat die schon geplanten verkaufsoffenen Sonntage etwa zur Funkausstellung 2019 oder zum 30-jährigen Mauerfalljubiläum gefährdet – und will wie in früheren Jahren vor dem Oberverwaltungsgericht Widerspruch einlegen. In der Vergangenheit konnte der Senat damit zumindest einige Verbote des Verwaltungsgerichts wieder aufheben lassen.

Für Nils-Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg sind die beide jüngsten Beschlüsse des Verwaltungsgerichts zu den Spätis und verkaufsoffenen Sonntagen „äußerst ärgerlich“. Nur etwa zehn Prozent aller im Handel Beschäftigen seien bei Verdi organisiert, „dennoch treibt uns die Gewerkschaft in Sachen Ladenschluss durch die Lande“.

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