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Berlins SPD-Chef Jan Stöß.

© Mike Wolff

Berlins SPD-Chef Jan Stöß im Interview: „Steinbrück kann Kanzler der Mieter werden“

Auf dem Landesparteitag der SPD wird am Sonnabend die Landesliste für die Bundestagswahl verabschiedet. Berlins SPD-Chef Jan Stöß über das Mietenthema im Wahlkampf, Flugzeuge über Tegel und Nachfolger für Wowereit.

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Herr Stöß, sind Sie ein Spätaufsteher?

Nein, wenn man SPD-Landesvorsitzender ist, dann muss man früh erreichbar sein. Ich lese morgens erst mal viel Zeitung.

Und dann lesen Sie immer, wie schlecht es um die SPD steht. Drückt das nicht auf die Stimmung vor dem Landesparteitag am heutigen Sonnabend?

Überhaupt nicht, ich bin optimistisch. Ich finde es gut, dass wir schon vor dem Parteitag klare Personalvorschläge für die Landesliste zur Bundestagswahl verabschiedet haben. Und ich freue mich, dass unser Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zu Gast sein wird.

Ist das Ihr Ernst? Sie waren doch immer ein Steinbrück-Kritiker.

Ich freue mich auf Peer Steinbrück. Sicherlich gab es auch einmal inhaltliche Differenzen. Aber jetzt haben wir gemeinsam ein Programm der sozialen Gerechtigkeit aufgestellt, mit dem der Landesverband Berlin sehr zufrieden sein kann. Dafür stehen der Kandidat und die Partei.

Wie bitte, Peer Steinbrück steht für soziale Gerechtigkeit?

Natürlich. Gerade die Vorschläge, die er zur Regulierung des Bankensektors gemacht hat, sorgen für mehr Gerechtigkeit. Unser Kanzlerkandidat zeigt Gestaltungswillen und klare Kante. Das ist der Kontrast zu Angela Merkel, die all diese Probleme von einem Gipfeltreffen zum anderen verschleppt.

Wann geht es mit der SPD und Peer Steinbrück aufwärts? Nach dem aktuellen Deutschland-Trend liegt Ihre Partei bei 27 Prozent, die CDU bei 41.

Ich bin sehr sicher, dass es aufwärtsgeht. Wir sehen bei allen Umfragen, dass die Forderungen der SPD breit getragen werden. Dazu gehören die Forderungen nach einem Mindestlohn und gerechten Renten. Für uns in Berlin ist die Änderung des Mietrechts ganz wichtig.

Und wie erklären Sie sich, dass laut Umfrage 59 Prozent der Bundesbürger nicht der Meinung sind, dass die SPD die politischen Interessen der Arbeitnehmer vertritt?

Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen, das teilweise verloren gegangen ist. Es muss klar sein, dass wir die Partei der sozialen Gerechtigkeit sind. In unserem Programm haben wir dazu klare Botschaften. Dafür sind wir fast auf den Tag genau vor 150 Jahren gegründet worden. Das ist unsere politische DNA.

Und in Berlin hoffen Sie auf Stimmen wegen der steigenden Mieten?

Wir haben mit Peer Steinbrück endlich jemanden, der das Thema oben auf die Tagesordnung setzt. Steinbrück kann der Kanzler der Mieter werden. Dann sind für uns Renten, von denen man leben kann, sehr wichtig. Wir müssen zur Angleichung der Ost- an die Westrenten kommen, gerade in Berlin sind diese Unterschiede mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht mehr zu erklären.

"Wir müssen in Wohnungen investieren."

Im Kampf um bezahlbaren Wohnraum haben Sie für Berlin ein großes Programm verkündet. Die Wohnungsbaugesellschaften sollen 775 Millionen Euro mobilisieren, davon 600 Millionen Euro als Kredite. Degewo-Vorstand und Ihr SPD-Parteifreund Frank Bielka dagegen sagte, dass seine Priorität der Schuldenabbau sei. Wie wollen Sie die Gesellschaften überzeugen? Mit Zwang?

Ich bin davon überzeugt, dass wir die landeseigenen Gesellschaften auf Expansionskurs bringen müssen. Und ich sage es ganz klar: Wir werden das auch tun. Wir haben die Gesellschaften dafür, dass sie bezahlbaren Wohnraum bauen. Dafür sind sie gegründet worden. Der Konsolidierungskurs der Gesellschaften war richtig. Aber jetzt muss investiert werden. Außerdem stellen wir einen Wohnungsbaufonds in Höhe von 320 Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitteln zur Verfügung.

Laut Mietspiegel liegen die Mieten mit durchschnittlich 5,54 Euro auf Bielefelder Niveau. Ist das Problem überhaupt so groß, wie Sie es beschwören?

Der Anstieg bei den Mieten hat sich zum Glück verlangsamt. Das ist eine gute Nachricht. Bei Neuvermietungen aber steigen die Mieten erheblich. Wir brauchen hier eine klare Mietenbremse. Zehn Prozent oberhalb des Mietspiegelniveaus ist das absolute Maximum. Das müssen wir auf Bundesebene, im Bürgerlichen Gesetzbuch, festschreiben. Auch deshalb brauchen wir Rot-Grün nach der Bundestagswahl.

Wen wollen Sie im Bundestagswahlkampf eigentlich plakatieren? Klaus Wowereit oder Peer Steinbrück – oder beide zusammen?

Wir werden natürlich unseren Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück plakatieren und vor allem unsere zwölf Wahlkreiskandidaten.

Aha, Sie verzichten also auf den Flughafen-Verlierer Wowereit.

Es ist eine Bundestagswahl, da plakatieren wir natürlich unseren Kanzlerkandidaten. Aber mit Sicherheit wird Klaus Wowereit uns unterstützen und eine wichtige Rolle im Wahlkampf spielen.

Wenn also Klaus Wowereit nicht in einem anhaltenden Popularitätstief wäre, würden wir ihn öfter auf Plakaten sehen.

Noch mal, ich kann Sie beruhigen. Sie werden Klaus Wowereit im Wahlkampf sehr häufig sehen. Und er wird Stimmen für die SPD gewinnen.

Manchmal wirkt der Regierende Bürgermeister amtsmüde.

Das kann ich überhaupt nicht bestätigen. Er hat sich zum Beispiel sehr darüber gefreut, dass Berlin Austragungsort des Champions-League-Finales 2015 wird.

Aber Wowereit steht in den Augen der Öffentlichkeit für das BER-Desaster.

Wir haben uns zum Projekt BER bekannt und dazu stehen wir. Das schulden wir übrigens auch den Menschen im Norden von Berlin. Wenn der neue Flughafen eröffnet wird, wird Tegel geschlossen. Da gibt es für uns kein Vertun.

"Die Nachfolgedebatte wird ausschließlich von den Medien geführt."

Schon jetzt flackert in der SPD die Nachfolgedebatte auf – es fallen die Namen von Fraktionschef Raed Saleh, Sozialsenatorin Dilek Kolat und von Ihnen. Wer macht das Rennen?

Diese Debatte wird ausschließlich von den Medien geführt. Wir haben eine sehr geschlossene Aufstellung in der Berliner SPD. Die Zusammenarbeit zwischen Fraktion, Partei und Senat läuft sehr gut. Schauen Sie, unser Personalvorschlag für die Bundestagswahl wurde gerade mit 21 zu 2 Stimmen im Landesvorstand mitgetragen. Das ist eine breite Mehrheit, würde ich mal sagen.

Herr Stöß, der Tagesspiegel startet heute die Serie „Berlin 2030“. Wie stellen Sie sich die Stadt in 17 Jahren vor?

Berlin wird auch 2030 eine aufregende und einzigartige Metropole sein und auf vier Millionen Einwohner zugehen. Und wir werden trotzdem ausreichend Wohnraum zu leistbaren Mieten anbieten können.

Und wer wird dann Regierender Bürgermeister sein?

(zögert kurz) 2030 ist ja noch ewig hin. In jedem Fall wird der oder die Regierende der SPD angehören.

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