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Berlin: Berlins teure Beamte – mit nicht mal 40 in Pension

Frührentner kosten Land dreistellige Millionensumme, klagt der Rechnungshof Innensenator Körting für Umschulung und spätere Verbeamtung

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

So ein Zufall: Zehn Tage nach ihrer Verbeamtung begibt sich eine 27-jährige Berlinerin in psychiatrische Behandlung, wird längere Zeit krankgeschrieben und dann wegen Dienstunfähigkeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Ihr 32-jähriger Lebensgefährte geht fast zur gleichen Zeit aus ähnlichen Gründen in Pension. Das sind keine kuriosen Einzelfälle: Zwischen 2000 und 2004 gingen in Berlin 445 Beamte unter 40 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand.

Allein diese Frühestpensionäre kosten den Staat bis an ihr Lebensende eine dreistellige Millionensumme. Und jährlich kommen neue hinzu. Es sind vor allem Polizisten und Feuerwehrleute, Justizvollzugsbeamte und Lehrer. Der Landesrechnungshof schlug gestern Alarm. In den vergangenen fünf Jahren war jeder achte Beamte, der ausschied, jünger als 40 Jahre. Den Ruheständlern steht eine Pension von mindestens 35 Prozent der letzten Dienstbezüge, in jedem Fall aber 1226 Euro monatlich zu. Einzige Voraussetzung: Sie müssen fünf Dienstjahre geleistet haben und „wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig sein“.

Ob dem so ist, stellt der Amtsarzt fest. Auffällig häufig werden psychische Erkrankungen attestiert. Zum Beispiel wegen eines „neurologisch-psychologischen Formenkreises“ oder wegen „orthopädisch-psychischer Beschwerden“, die einen 31-jährigen, frühpensionierten Beamten aber nicht daran hinderten, ein Fortbildungsstudium als Betriebswirt zu absolvieren. Seine Kollegin, die mit 28 Jahren wegen psychischer Probleme in den Ruhestand ging, ließ sich als freischaffende Künstlerin nieder.

Diese Nebentätigkeiten, das kritisiert der Rechnungshof in seinem neuen Jahresbericht, werden nicht wirksam kontrolliert und bleiben offenbar häufig unentdeckt. „Die letzte umfassende Umfrageaktion zur Feststellung von Hinzuverdiensten fand vor sechs Jahren statt.“ Der Rechnungshof forderte gestern: Die notwendige Dienstzeit (Wartezeit) vor einer Pensionierung müsse von fünf auf zehn Jahre erhöht und die Mindestversorgung gesenkt werden. Außerdem sollte zur Feststellung der Dienstunfähigkeit ein zweiter ärztlicher Gutachter hinzugezogen werden. Hinzuverdienste müssten besser kontrolliert werden.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) erkennt das Problem an, auch wenn die Zahl der Frühestpensionäre „nicht immens hoch ist“. Im Polizeidienst sei man inzwischen dazu übergegangen, dienstunfähige Beamte umzuschulen, damit sie in der öffentlichen Verwaltung weiter arbeiten können. „Ich halte auch eine frühe Verbeamtung, die ab 27 Jahren möglich ist, für nicht mehr zeitgemäß“, sagte Körting. Und zur Erhöhung der Wartezeit auf zehn Jahre habe Berlin schon vor Jahren eine Initiative gestartet, „aber der Bund hat das abgelehnt“. Ein zweites ärztliches Gutachten bringe meistens keinen Erfolg. „Wir müssen das wirtschaftliche Interesse an der Frühpensionierung kappen“, fügte Körting hinzu. Das sei am ehesten möglich, wenn die Beamten rechtlich nicht mehr besser gestellt würden als die Angestellten im öffentlichen Dienst. Dafür sei er zu haben.

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