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1952 wurde der Alligator Swampy von einer Berliner US-Einheit, der er als Maskottchen diente, dem Zoo-Aquarium geschenkt.

© Archiv Zoologischer Garten Berlin

Berlins Tierleben: See You Later, Alligator!

Komodowaran Moritz, Krokodil Swampy, die Krake Otto, die Appetit auf sich selbst hatte – auch das Zoo-Aquarium hatte seine Stars.

Wenn Josephine Baker genug hatte von ihrem Bananenröckchen und sie der Berliner Trubel nur noch nervte, begab sie sich mit Vorliebe in die Budapester Straße, wo sie „so gern im stillen Aquarium des Zoos herumspazierte. Dort ist alles nur noch Farbe, edelste Form, Leben im Urzustand, und ich werde nie müde, mir diesen ganz besonderen Tanz der Fische anzusehen. Übrigens tanzen alle Tiere, wenn sie spielen. Ich lerne viel, wenn ich ihnen zusehen.“ Andere berühmte Gäste des Hauses betrachteten dessen Bewohner eher nüchtern. So tat Reichspräsident Hindenburg vor dem Becken der Hechte kund, er habe diese Fische noch nie lebend gesehen, aber um so öfter gegessen.

Doch an einem Tag wie diesem, da das Zoo-Aquarium seinen 100. Geburtstag feiert, sollte man weniger seiner prominenten Besucher gedenken, sondern der Tiere und unter ihnen vor allem der Stars. Es gab sie auch, nur waren sie nie so ehrfurchtgebietend wie Gorilla Bobby, so imposant wie Flusspferd Knautschke oder so knuddelig wie Eisbär Knut, haben sich nicht so nachhaltig festgesetzt im Gedächtnis der Menschen. Aber es gab Zeiten, da waren auch sie Stadtgespräch.

Swampy beispielsweise, nach dem Wiederaufbau der erste Alligator des 1943 ausgebombten Aquariums. Das in West-Berlin stationierte 6. Infanterieregiment hatte ihn Anfang der fünfziger Jahre als handliches Maskottchen vom Mississippi mitgebracht. Angesichts seines gesunden Wachstums hatten die Amerikaner aber bald eingesehen, dass er im Aquarium besser aufgehoben sei. Nur zu bestimmten militärischen Zeremonien wurde das kampfeslustige, gelegentlich nur mit „Maulkorb“ zu bändigende Tier noch ausgeliehen. Aquariumsdirektor Werner Schröder, Nachfolger des Gründers Oskar Heinroth, ermahnte die Soldaten dann stets, Swampy keinen Whiskey einzuflößen. Als das Tier 1985 starb, war dies auch dem Tagesspiegel einen Nachruf wert: „See You Later, Alligator.“

Andere Aquariumsbewohner genossen nur vorübergehend Starruhm, und oft verdankte er sich einem gewissen Gräuel, den sie den Menschen einflößten. Komodowaran Moritz, von 1927 bis 1943 zu Hause in Berlin, war trotz seiner Drachengestalt noch ein gemütlicher Typ, folgte seinem Pfleger wie ein Hund durch alle Etagen des Hauses. Auch die Elefantenschildkröte, die 1961 einen Ausbruchversuch unternahm und die elf Millimeter dicke Glasscheibe ihres Terrariums zerbrach, konnte die Besucher nicht schrecken. Anders war dies bei dem Krokodil, das sich 1969 eine Schildkröte schnappte und verspeiste – publikumswirksam zur Öffnungszeit und ausgerechnet einen Tag vor dem 100. Jubiläums des Ur-Aquariums Unter den Linden.

Solch eine Horrorszene war nicht zu wiederholen, also nur von begrenzter Werbewirkung, anders als die Krake, die 1965 plötzlich begann, ihre eigenen Fangarme zu verspeisen, oder die Timorpython, die 1974 eine sogar größere indische Tigerpython verschluckte. Beide lockten danach die Schaulustigen in Scharen an und bescherten dem Zoo respektable Mehreinnahmen. Die Krake hieß übrigens Otto, musste aber in Ottilie umgetauft werden, als sie kurz vor dem Dahinscheiden – sie fraß zuletzt gar nichts mehr – tausende von Eiern legte.

All diese Anekdoten und Kuriositäten, die für den Zoologen belanglos sein mögen, beim Publikum aber erfahrungsgemäß auf großes Interesse stoßen, finden sich, wenn überhaupt, in dem zum Jubiläum von Zoochef Bernhard Blaszkiewitz herausgegebenen Band „Picassofisch und Kompassqualle“ nur am Rande wieder. Ziel des Buches war offenbar weniger die Unterhaltung als die bilanzierende Information über das Arbeitsfeld Zoo-Aquarium und seinen Dreiklang aus Aquarium, Terrarium und Insektarium, über seine „Geschichte und Entwicklung“ etwa, über den Vorgängerbau Unter den Linden, über „Aquariumsführer im Spiegel der Zeit“, „Haltung und Zucht von Wirbellosen“ oder „Plakatwerbung für das Aquarium“. Nicht zufällig ist da das Kapitel über „Die Entwicklung des Tierbestandes im Zoo-Aquarium in den ersten 100 Jahren seines Bestehens“ das längste.

Naturgemäß richtet sich der Blick da auf die Zu-, nicht die Abgänge. Und so bleibt auch ein Verlust unerwähnt, den das Aquarium 1962 zu beklagen hatte: Ein 16-Jähriger hatte sich im Aquarium einschließen lassen und elf Schlangen, darunter acht Giftschlangen, gestohlen. Zwei schenkte er einem Freund, die anderen brachte er im eigenen Terrarium unter. Der Fall wurde schnell aufgeklärt, zehn Tiere kehrten zurück. Eine Baumpython aber hatte den gemeinsamen Abtransport mittels einer Einkaufstasche nicht überlebt. Offenbar hatte eine ihrer giftigen Kolleginnen sie gebissen. Andreas Conrad





— Bernhard Blaskiewitz (Hrsg.) :
Picassofisch und Kompassqualle. 100 Jahre Zoo-Aquarium Berlin. Lehmanns Media, Berlin. 320 Seiten, 330 Abbildungen, 29,95 Euro

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