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Wahl mit Bierhumpen. Bei der letzten Bundestagswahl wurde auch in der Kneipe "Altmark Eck" in Steglitz abgestimmt.

© Ansgar Dlugos, Manuel Kaufmann

Berlins ungewöhnliche Wahllokale: Kreuzchen machen im Knusperhäuschen

Auch in Restaurants, Autohäusern, Kirchen oder Feuerwehrwachen wird heute abgestimmt – ein Rundgang durch kuriose Wahllokale.

Über die Geschicke Deutschlands wird am Sonntag in Berlin und Brandenburg ganz volksnah abgestimmt: Schwimmreifen liegen neben der Wahlkabine, eine Lokalrundenklingel steht herum, da hinten liegen noch Gartenschaufel und Reitgerte. Wenn das Wahlvolk sich nun am Sonntag aufmacht zur Stimmabgabe, dann sind unter den 1779 Berliner Wahllokalen auch etliche Dutzend kuriose und ziemlich ungewöhnlich erscheinende Locations für so einen Akt.

Die Wahlämter greifen auf private Anbieter zurück

Üblicherweise sollen es ja öffentliche Gebäude sein wie Schulen oder bezirkliche Seniorenfreizeitheime, in denen die Wahlkabinen aufgestellt werden. Doch weil nicht in allen Kiezen der Stadt und in etlichen Bereichen des Umlands überall genügend große und erreichbare Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, greifen die Bezirkswahlämter schon seit einiger Zeit auch auf Räume privater Anbieter zurück. „Wir achten darauf, dass sie möglichst barrierefrei und gut zugänglich sind“, berichtet der für die Wahllokale zuständige stellvertretende Bezirkswahlamtsleiter in Reinickendorf, Jörg May.

Mit Haube und Helm. In Brandenburg wird manches Haus der Freiwilligen Feuerwehren zum Wahllokal umfunktioniert.
Mit Haube und Helm. In Brandenburg wird manches Haus der Freiwilligen Feuerwehren zum Wahllokal umfunktioniert.

© Ansgar Dlugos/Manuel Kaufmann

Schon 2103 waren Autohäuser dabei, in diesem Jahr sind unter den 180 Wahlstätten gleich drei Autohäuser, wie das Skoda-Autohaus Laatzig am Eichhorster Weg 91. Natürlich dürften die Anbieter aber während des Wahlevents keine Werbung machen, aber da habe es May zufolge in all den Jahren bisher keinerlei Beschwerden hinterher vom Wahlbürger gegeben. Im Stimmbezirk 502 werden die Menschen auf einem Reiterhof in Lübars ihre Stimme abgeben. Und weil es in Treptow-Köpenick ebenfalls viel Grün – und auch Wasserstraßen – gibt, werden dort auch in Seglerheimen Urnen und Wimpel aufgestellt. Seit Ostern schon laufen die Vorbereitungen hinter den Kulissen in den Bezirksämtern – und jetzt auch in den Lokalitäten.

Bitte ein Extra-Frühstück nach Wahl

Das legendäre Restaurant Knusperhäuschen am Kladower Damm zum Beispiel hat sich für den Wahlsonntag eine besondere Karte – auch mit einem Extra-Frühstück – ausgedacht. „Aber natürlich stellen wir den Wahlhelfern auch so eine Kanne Kaffee hin, ohne dass wir dafür nun etwa abkassieren würden“, sagt Ingo Wendorf, der frühere Gastwirt und Lebensgefährte der jetzigen Betreiberin. Da kommen die Wahlkabinen in den Nichtraucherraum. Einen kleine Unkostenpauschale gebe es ja von Amtswegen, aber das decke nicht die Kosten – aber natürlich sei man im Sinne der Demokratie auch diesmal wieder gern dabei.

Klasse-Wahl im Autohaus - auch eine starke Variante.
Klasse-Wahl im Autohaus - auch eine starke Variante.

© Ansgar Dlugos/Manuel Kaufmann

Diese „improvisierte Demokratie“ hat bei der vergangenen Bundestagswahl sogar zwei Fotografen zu einem gleichnamigen Fotoprojekt inspiriert. Der Berliner Freelancer Manuel Kaufmann hat mit seinem Fotokollegen Ansgar Dlugos aus Köln das Beiläufige des hohen Aktes ästhetisch in Szene gesetzt. Mit den Aufnahmen der Schauplätze, die zuweilen fast abstrakt wirken, wurden die beiden mit dem Canon-Profifoto Förderpreis ausgezeichnet. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche – auch in diesem Jahr wieder dabei – nahmen die beiden ebenso auf als Denkmal der kurios bestückten Demokratie wie die – mittlerweile geschlossene – Kneipe „Altmark-Eck“ in Steglitz.

Manuel Kaufmann und Ansgar Dlugos machten aus den Kuriositäten ein Fotoprojekt

Die Freiwillige Feuerwehr Potsdam-Fahrland war ebenso dokumentierte Location der Stimmabgabe wie eine Jugendherberge nahe Potsdam mit Fruchtplakaten hinter der Kabine. Die Bilder machten Dlugos und Kaufmann aber nicht am Wahltag, da ist so ein Akt der puren Dokumentation gar nicht möglich.

Am diesem Wahltag nun könnten die beiden etliche weitere Kuriositäten abklappern. In Kreuzberg beispielsweise ist es die Tanzschule Maxixe und das Hebbel-Theater, in Weißensee die Kleingartenkolonie „Gesundheitsquell“ und das Kunst- und Kulturzentrum „Brotfabrik“.

Sogar eine Zahnklinik, ein Jonglierladen und die Likörfabrik Schilkin helfen aus

Im Stadtbad Charlottenburg an der Krummestraße 9 wird jetzt noch geschwommen, aber das Kreuzchen in der – sonst geschlossenen – Cafeteria gemacht. Das Restaurant Xantener Eck ist ebenso Wahlort wie das Lichtenrader Traditionscafé Obergfell sowie die Urania. Eine Zahnklinik ist dabei, die Likörfabrik Schilkin und auch die Hotels „Hyperion“ und das „Ellington Hotel Berlin“. Da werden die Wahlhelfer im Erdgeschoss im Eventraum 4 einchecken, schräg gegenüber vom Buffet-Restaurant.

In Kreuzberg ist auch der Jonglierladen „Just Juggling“ dabei. Jongliert mit den Wahlergebnissen wird dabei aber nicht, denn egal, wo die Wahlbürger Berlins und Brandenburgs ihre Stimme abgeben, sie zählen ja für die Auszählung ganz normal.

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