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Selber Hand anlegen. CDU-Kandidat für den Wahlkreis Reinickendorf Frank Steffel will mit vielen Besuchen vor Ort will er die Wahl für sich entscheiden.

© dpa

Berlins Wahlkreis Reinickendorf im Blick: Ist die Wahl zwischen CDU und SPD schon entschieden?

Zwischen Familienoase und Armut - das ist Reinickendorf. Während es dem Norden gut geht, leiden der Osten und Westen des Bezirks. Und wie geht es mit dem alten Flughafen weiter? Viele Themen entzweien CDU und SPD in Reinickendorf.

Reinickendorf – in Berlin ganz oben“, lautet ein Werbespruch des Bezirks. Ganz oben, dort liegen Frohnau und Hermsdorf, wohlhabende Ortsteile des gehobenen Mittelstandes. Auch das malerische Havelufer von Tegelort bis Heiligensee, das dörfliche Lübars und der Tegeler Forst prägen den Ruf. Doch es gibt – nur etwas weiter unten – auch andere Seiten.

"Reinickendorf geht es gut, aber nur im Norden"

Im Märkischen Viertel – einer der drei aus den 60er Jahren stammenden Satellitenstädte des damaligen West-Berlins – ist es dank massiver Investitionen gelungen, ein Abrutschen zu verhindern und junge Familien in die sanierten Hochhäuser zu locken. Dagegen drohen Reinickendorf-West und -Ost, die Kieze zwischen Kurt-Schumacher-Platz und Residenzstraße, weiterhin sozial zu kippen. Sie sind geprägt von hoher Arbeitslosigkeit, Armut und steigender Kriminalität.

„Reinickendorf geht es gut, aber nur im Norden“, sagt SPD-Spitzenkandidat Jörg Stroedter. Reinickendorf-West und -Ost sei eher mit Wedding oder dem nördlichen Neukölln zu vergleichen. „Wir müssen aufpassen, dass dieser Bereich nicht abrutscht“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel. „Als kleiner Junge bin ich mit meiner Mutter immer in der Residenzstraße zum Einkaufen gefahren, heute wird das kein Frohnauer mehr machen.“ Beide Spitzenkandidaten sind gebürtige Reinickendorfer und leben heute mit ihren Familien in Frohnau.

Gab es in Frohnau zuletzt eine Wahlbeteiligung von mehr als 80 Prozent, waren es in den Problemkiezen weniger als 50 Prozent, beklagt SPD-Mann Stroedter. Ebenso wie sein CDU-Konkurrent ist er viel im Kiez unterwegs und versucht, die Bewohner zur Stimmabgabe zu motivieren. „Gegen Wahlverdruss hilft nur persönliche Ansprache ohne Parteipolitik“, sagt Steffel.

Im Bezirksamt gilt das Verhältnis zwischen SPD und CDU als gut

Auch im Rathaus des Bezirks sind stundenlange parteipolitische Schlachten seltener geworden. CDU und Grüne bilden eine Zählgemeinschaft in der von einem parteilosen Vorsteher geführten Bezirksverordnetenversammlung. Die Piraten spielen hier nur eine untergeordnete Rolle, die FDP ist 2011, die Linke bereits 2006 ausgeschieden. Im Bezirksamt gilt das Verhältnis zwischen den drei CDU- und zwei SPD-Stadträten als überwiegend gut.

Ein dominierendes Wahlkampfthema ist der Flughafen Tegel. Auch in Reinickendorf sind die Meinungen über eine Schließung geteilt. Lärmgeplagte fordern angesichts des gestiegenen Verkehrs nach der geplatzten BER-Eröffnung eine schnellstmögliche Stilllegung. Viele, die weiter entfernt wohnen, würden den Airport gern behalten. Ebenso wie Industrie und Handel. Die aus 20 Firmen von Alba bis Wall bestehende Initiative „Made in Reinickendorf“ hat mit einer Plakataktion davor gewarnt, dass es im Bezirk auch wirtschaftlich still werden könnte.

Die Kandidaten driften hier auseinander. Jörg Stroedter hat eine Unterschriftensammlung gegen eine Offenhaltung des Flughafens gestartet und fordert ein sofortiges Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr. Ferner möchte er die Gebühren in Tegel erhöhen und am Altflughafen Schönefeld notfalls auf Nulltarif absenken, um Fluggesellschaften zum Umzug zu bewegen. „Ich verspreche mir sehr viel von der Flughafen-Kampagne“, sagt der Sozialdemokrat. „Die Leute haben die Schnauze voll.“

Reinickendorf braucht einen wirtschaftlichen Aufschwung

Frank Steffel betont dagegen, dass es auch in Reinickendorf, Spandau und Charlottenburg „eine breite Mehrheit für die Offenhaltung“ gibt. Weil das Flughafenthema aber unter zu viel politischem Einfluss leidet, sei es Sache der Flughafengesellschaft, hier konkrete Vorschläge zu machen. So mancher im Norden werde sich noch wundern, wenn sich die Wirtschaftskraft mit der Inbetriebnahme des BER nach Berlins Südosten und Brandenburg verschiebt, sagt der Christdemokrat. Auf dem Tegeler Areal biete sich dann die Chance für die Ansiedlung von Unternehmen. „Ob dann noch mit einem bisschen oder ohne Luftverkehr, muss die FBB entscheiden.“

Schließung, Insolvenz und neue Bauten

Wirtschaftlichen Aufschwung kann Reinickendorf gebrauchen. Die Firma Tetra-Pak will ihren Heiligenseer Standort zum Jahresende schließen. Der Pralinen-Traditionshersteller Sawade hat Insolvenz beantragt, und mit dem Flughafen Tegel verliert der Bezirk mehr als 20 000 direkte und indirekte Arbeitsplätze. Dagegen funktioniert der Wohnungsbau, am Tegeler Hafen und auf der Hafeninsel entstehen Neubauten, – nicht unumstritten, weil eine Seniorenresidenz jetzt den Blick auf die Humboldt-Bibliothek versperrt. Auch touristisch hat man eine Menge zu bieten. An der malerischen Greenwichpromenade, einem der Hauptstandorte für die Ausflugsschifffahrt, entsteht nach einem Terminal für die Flusskreuzfahrtschiffe auch ein Anleger für Sportboote.

Ist die Wahl zwischen CDU und SPD entschieden?

Trotz aller Debatten scheint die Wahl in Reinickendorf bereits gelaufen zu sein. CDU-Politiker Frank Steffel (47) hat die einstige SPD-Hochburg fest im Griff. 2005 musste er noch dem Sozialdemokraten Detlef Dzembritzki den Vortritt lassen. Doch vier Jahre später konnte der damals stellvertretende Vorsitzende der CDU-Abgeordnetenhausfraktion mit 39 Prozent das bundesweit beste Großstadtergebnis der CDU/CSU für sich verbuchen und in den Bundestag einziehen.

Steffel tanzt auf vielen Hochzeiten. Er ist Kreisvorsitzender der Bezirks-CDU, Vorsitzender der Reinickendorfer Füchse und besitzt eine Gruppe von acht mittelständischen Firmen der Heimtextilbranche. Während er dort bodenständig agiert, gibt er sich im Wahlkampf abgehoben. Seine Plakate zeigen ihn nicht wie die meisten Kandidaten brav im Kreis seiner Wähler, sondern in Aktion: Steffel gestikulierend, mit geballter Faust und mit verschränkten Armen. Und in einem eigenen Kinospot lässt der Politiker, der sich im Bundestag nicht nur um Finanzen und Sport, sondern auch um das Ehrenamt kümmert, einen Mann der Freiwilligen Feuerwehr und eine Kinder-Fußballtrainerin um die Wette rennen. Bevor Steffel selbst auf die Wiese vor dem Reichstag läuft, sich lässig die Trainingsjacke über die Schulter wirft und auf das Parlament zumarschiert.

Gegenkandidat Jörg Stroedter – ebenfalls Kreisvorsitzender in Reinickendorf und Chef einer Bauberatungsfirma – hält wenig von solch spektakulären Auftritten und gibt sich eher konventionell. Er wird wohl auch diesmal hinter Steffel zurückbleiben. 2009 trennten ihn gute elf Prozentpunkte vom CDU-Konkurrenten. Selbst in der eigenen Partei hat Stroedter, obwohl er einer von fünf stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Abgeordnetenhausfraktion ist, auf Landesebene wenig Rückhalt. Er bekam noch nicht einmal einen Platz auf der Landesliste, während Steffel bei der CDU auf dem vierten Rang steht und damit für den Fall des Falles abgesichert ist. Für Jörg Stroedter ist die Ankündigung seines Mitbewerbers, den Erfolg der letzten Wahl toppen zu wollen, „Ansporn, dagegenzuhalten“. Wenn es gelingt, die Wähler in den Problemkiezen zu aktivieren, rechnet er sich Chancen aus.

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