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Berliner Legende. Erst 1993 endete das Provisorium im Rathaus Schöneberg.

© imago stock&people

Berlins West-Parlament: Vor 70 Jahren blieben die Blumen im Osten

Am 14. Januar 1949 konstituierte sich das Stadtparlament im Rathaus Schöneberg. Erst 1993 endete das Provisorium mit dem Umzug in den Preußischen Landtag.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es fehlte der Blumenschmuck. Für die erste Sitzung der Berliner Stadtverordnetenversammlung, die im Dezember 1948 nur in den Westsektoren der Stadt neu gewählt worden war, sollte der Festsaal im Rathaus Schöneberg schön gemacht werden. Daraus wurde nichts, weil die Rabatten und Pflanzenkübel von einer Firma im Osten Berlins geliefert werden sollten. Doch am Brandenburger Tor wurde das frische Grün von SED-gesteuerten Polizeikräften beschlagnahmt. Die Konstituierung des neuen Stadtparlaments vor genau 70 Jahren, im Westen der politisch geteilten Stadt, konnten die Kommunisten allerdings nicht verhindern.

„Die Spalter Berlins und ihre ausländischen Hintermänner haben zum 14. Januar ihr Spalterparlament ins Rathaus Schöneberg einberufen“, ätzte damals das „Neue Deutschland“. Was in dem Bericht nicht erwähnt wurde: Die im Herbst 1946 in der ersten demokratischen Wahl nach Kriegsende für das gesamte Berlin gewählte Stadtverordnetenversammlung geriet zwei Jahre später in schwere Bedrängnis. Der Vorsteher des weitgehend sozialdemokratisch dominierten Stadtparlaments, Otto Suhr, sah sich am 6. September 1948 gezwungen, wegen der zunehmenden Pöbeleien und offenen Gewalt am Neuen Stadthaus im Osten Berlins den Tagungsort in das Studentenhaus am Charlottenburger Steinplatz zu verlegen.

Tagungsstätte für mehr als vier Jahrzehnte

In Abwesenheit der SED-Fraktion wurden dort Neuwahlen für den Westteil der Stadt beschlossen, doch nach der Wahl suchte man passendere Räumlichkeiten – und fand sie im Rathaus des Bezirks Schöneberg. Ein stolzes Gebäude, das in den Bombennächten am Ende des Zweiten Weltkriegs schwer gelitten hatte. Doch bis zum 14. Januar 1949 wurde der Bürgersaal in aller Eile notdürftig hergerichtet und Bezirksbürgermeister Erich Wendland, gelernter Buchdrucker und SPD-Mann, hieß die Stadtverordneten in seinem Rathaus herzlich willkommen.

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Erst ein Jahr später wurde die Theaterbühne ausgebaut und ein echter Plenarsaal entstand, in dem das West-Berliner Parlament mehr als vier Jahrzehnte tagte. Als sich die Stadtverordnetenversammlung vor 70 Jahren konstituierte, hatte wohl niemand geahnt, welch dauerhaftes Provisorium im gemütlichen Schöneberg entstehen sollte, das zum Parlaments- und Regierungssitz wurde. Mit Freiheitsglocke und John-F.-Kennedy-Platz.

Zur ersten Sitzung waren auch die Kommandanten der drei Westsektoren geladen, man schrieb den 204. Tag der Blockade Berlins. Der Kommentator des Tagesspiegels fasste die Situation 1949 so zusammen: „Was vor dreieinhalb Jahren nur wenige ahnten und niemand auszusprechen wagte, dass nämlich Berlin zu einem gefährlichen Brennpunkt der Weltpolitik werden müsse, ist heute eine abgedroschene Weisheit.“ Nie habe eine Stadtverwaltung „derartigem gegenübergestanden“. Otto Suhr, der als Vorsteher des Parlaments einstimmig wiedergewählt wurde, stimmte die Kollegen in seiner Eröffnungsrede auf die neue Aufgabe ein: Die neue Stadtverordnetenversammlung werde sich „als Arbeitsparlament und zugleich als Tribüne des entschiedenen freien Willens der Berliner Bevölkerung“ erweisen müssen.

Erst 1993, nach dem Mauerfall, endete das Provisorium im Rathaus Schöneberg und das erste Gesamtberliner Abgeordnetenhaus zog in den ehemaligen Preußischen Landtag in Mitte um.

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