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Hochbetrieb. In Tempelhof warten auch zwei Großflugzeuge G 24 für neun Passagiere.

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Berlins Zwanziger Jahre: Der Kampf der Kleingärtner gegen den Flughafen

Tempelhof soll wachsen, viele protestieren. Doch der Stadtrat verweist auf die außerordentliche Bedeutung für Berlin. Ein fiktiver Bericht vom Sonnabend, dem 12. Januar 1929.

Anlässlich des Serienstarts von "Babylon Berlin" am 13. Oktober haben wir ein Gedankenexperiment gewagt und Artikel aus der damaligen Sicht verfasst. Dabei fiel uns auf: Viele Themen - Wohnungsnot, Ärger um den Flughafen, wilde Partynächte - stehen damals wie heute für Berlin.

Der Streit um die geplante Erweiterung des Flughafens Tempelhof spitzt sich zu. In der Bockbrauerei an der Kreuzberger Fidicinstraße fand am gestrigen Freitag eine Protestversammlung von über 2000 Kleingärtnern statt, die um ihre zwischen dem Flughafenareal und der Ringbahn gelegenen Parzellen fürchten. Der Magistrat und die Stadtverordneten hatten die Erweiterung im Dezember beschlossen, der Dachverband der Berliner Kleingärtner lehnt dies aber als „eine Vernichtung ungeheurer Werte“ ab. Bei der Protestversammlung drohte der Verbandsvorsitzende Reinhold, die nächsten Wahlen würden „das bitter rächen, was man hier an der arbeitenden Bevölkerung verbrochen hat“.

Die Erweiterung des Hauptstadtflughafens ist auch unter Flugexperten umstritten. Hintergrund ist die Vergrößerung der Betonflächen vor den Flughafengebäuden, wodurch das grasbewachsene Rollfeld nicht mehr die vorgeschriebenen Maße besitzt. Unklar ist nun, ob die Betonflächen nicht doch zum Rollfeld zu rechnen sind, die Erweiterung also letztlich überflüssig ist.

Der Streit um die Kleingärten ist nur der Höhepunkt des seit den ersten Flughafenplänen schwelenden Konflikts. Bereits im Frühjahr 1919 hatte Max Breslauer, Dozent an der Technischen Hochschule Charlottenburg, sich in der „Berlin-Tempelhofer Zeitung“ fürs Tempelhofer Feld als den gegebenen Flughafen Berlins ausgesprochen. Schon vor dem Krieg entstandene Pläne eines dortigen Volksparks lehnte er ab, im Gegensatz zu den Tempelhofer und Neuköllner Gemeindevertretungen, die sich gegen jeglichen Flugverkehr auf dem alten Militärgelände verwehrten.

Allerdings blieb diese Front nicht lange geschlossen. Bereits Anfang 1922 akzeptierte die Tempelhofer BVV mehrheitlich einen vom Reichsverkehrsministerium gewünschten „Zwischenlandeplatz“ im östlichen Teil des Feldes, die Flugplätze Staaken und Johannisthal erschienen ihr zu abgelegen. Nur sollte nach Willen der BVV der übrige Teil des Feldes der Allgemeinheit vorbehalten bleiben.

Tausende Bürger demonstrieren für geplanten Volkspark

Daran, dass dies so kommen würde, gab es in der Öffentlichkeit erhebliche Zweifel, die sich im Juli 1922 in einer mehrere tausend Bürger zählenden Demonstration zugunsten des geplanten Volksparks äußerten. Doch besonders das Verkehrsamt unter Stadtbaurat Leonhard Adler drängte den Magistrat, sich für Tempelhof zu entscheiden. „Die Frage des Ausbaues des inner- und außerdeutschen Flugverkehrs ist für die Stadt Berlin von außerordentlicher Bedeutung“, betonte er.

Im Februar 1923 beschloss der Magistrat den Flughafenbau. Adler und die Junkers-Werke hatten dafür geschickt den Boden bereitet. Auf Bitten des Stadtrats hatte der Flugzeughersteller für Entscheidungsträger von Tempelhof aus Rundflüge organisiert. Selbst ein Absturz über der Hasenheide am 14. April 1923, der drei Tote forderte, darunter einen SPD-Stadtverordneten, änderte nichts.

Mitte Juni begannen die Bauarbeiten, bei denen unter anderem 500 Arbeitslose eingesetzt wurden. Teilweise mussten Höhenunterschiede von bis zu zehn Metern ausgeglichen werden, als Füllmaterial wurde auch Müll aus Berliner Haushalten verwendet. 45 Tonnen Grassamen wurden ausgestreut, die dank 225 Tonnen Kunstdünger kräftig wuchsen. Als Rasenmäher setzte man eine Herde Schafe ein.

Die ersten Flüge gehen nach München und Danzig

Am 8. Oktober 1923 begann der provisorische Flugbetrieb: Um 10.30 Uhr starteten eine Junkers nach München und eine Maschine nach Danzig, mit je zwei Passagieren. Es gab zwei Flugzeughallen, dazu eine 200 Quadratmeter große Holzbaracke als Verwaltungs- und Abfertigungsgebäude.

Der Flughafen wuchs rasch: Am 19. Mai 1924 wurde die Berliner Flughafen GmbH (BFG) gegründet, mit Leonhard Adler als erstem Aufsichtsratsvorsitzenden. Und Ende des Jahres wurde mit dem Bau von drei festen Hallen im Westen des Areals begonnen, dem zwei östliche und das zentrale Abfertigungsgebäude folgten. Das befürchtete Ende für die Volksparkpläne bedeutete dies keineswegs: Südwestlich der Hasenheide gelegen, wurde er am 21. Juni 1925 feierlich eröffnet.

Mit dem Ausbau des Vorfeldes kam es nun zu den anfangs beschriebenen Problemen: Im November 1928 wurde 680 der 1000 betroffenen Kleingärtner gekündigt, was zu der Protestversammlung in der Bockbrauerei führte. Die weitere Entwicklung ist nicht abzusehen, gibt es doch im Magistrat dazu keine klare Linie: Oberbürgermeister Böß ist für die Flughafenerweiterung, will aber gleichzeitig mehr Sport- und Grünflächen.

Womöglich ist das Vorhaben eines erweiterten Berliner Flughafens nur durch ein Ereignis von außen zu stoppen, eine Wirtschaftskrise weltweiten Ausmaßes etwa. Aber damit ist derzeit nicht zu rechnen.

Zum Weiterlesen: Wohnungsnot in Groß-Berlin und das wilde Nachtleben. Weitere Artikel zum Thema "Zwanziger Jahre in Berlin" finden Sie hier.

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