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Berlin: Berufsschule wird zur Verwahranstalt

Oberstufenzentren stehen vor riesigen Problemen: Mehr als die Hälfte der Schüler hat keine Lehrstelle

Berlins Berufsschulen werden zunehmend zum Auffangbecken für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Allein seit 2001 stieg der Anteil der Zehntklässler, die mangels Ausbildungsplatz in Ersatz-Bildungsgängen („Warteschleifen“) der Berufsschulen unterkommen mussten, von 35 auf über 50 Prozent. Gleichzeitig führt die Finanznot der öffentlichen Hand dazu, dass Gebäude verwahrlosen und das Personal ausgedünnt wird.

Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Oberstufenzentren (OSZ) an diesem Wochenende hat die Senatsverwaltung für Bildung die alarmierenden Zahlen zusammengetragen. Demnach landeten im Herbst 2003 von 25 400 Schulabgängern mit Hauptschulabschluss oder Mittlerer Reife 13 000 in den „Warteschleifen“ wie der einjährigen Berufsfachschule oder anderen berufsvorbereitenden „Maßnahmen“, weil sie keine Lehrstelle fanden. Ursprünglich waren die Berufsschulen nur dafür gedacht, ergänzend zur Ausbildung im Betrieb den Theorieunterricht anzubieten.

Eine Besserung der Lage ist nicht absehbar. Zwar sinkt die Zahl der Schulabsolventen. Der Ausbildungsmarkt ist aber noch auf lange Sicht belastet mit Jugendlichen, die in den vergangenen Jahren ohne Ausbildungsplatz blieben. Laut Bundesagentur für Arbeit liegt diese „Altnachfrage“ inzwischen bei 58 Prozent.

Für die Berufsschulen bedeutet der Mangel an Ausbildungsplätzen nicht nur, dass es die Lehrer im Unterricht mit einer großen Gruppe von Jugendlichen zu tun haben, die mangels beruflicher Perspektiven wenig motiviert ist. Hinzu kommt, dass diese Bildungsgänge auch dreimal teurer sind als ein berufsbegleitender Unterricht. Die Oberstufenzentren müssen den Schülern täglich Unterricht bieten, während „normale“ Berufsschüler nur an ein bis zwei Tagen in den OSZs sind. Das bindet Unmengen von räumlichen und personellen Ressourcen.

„Jede berufsbildende Schule leidet inzwischen unter Raumnot“, resümiert der Verband Berufliche Bildung in Berlin. So genannte Wanderklassen, Unterricht in der 9. und 10. Stunde und sogar Samstagsunterricht seien alltäglich geworden. Parallel dazu wurden in den vergangenen Jahren vom Senat aber die Mittel für bauliche Unterhaltung, für Sozialarbeiter und nichtpädagogisches Personal halbiert.

„Alle Oberstufenzentren sind in einem prekären, labilen Gesamtzustand“, urteilt Jürgen van Buer, Professor für Wirtschaftspädagogik an der Humboldt-Universität. Sie hätten die Verantwortung für jeweils 2000 bis 6000 Schüler in unterschiedlichsten Bildungsgängen, dabei aber kaum liquide Mittel, um Mängel eigenständig zu beheben. Letztlich bleibe alles an den Lehrern hängen, die sich damit an der Belastungsgrenze befänden.

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