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Der Achtklässler Ümeyr Yurt schaute sich an, wie in einer Kita gearbeitet wird.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berufswahl: Mehr als tausend Jungen machten mit beim Boys’ Day

Erster Boys' Day: Von jetzt an sollen nicht mehr nur Mädchen Männerdomänen kennenlernen, sondern auch Jungs in traditionell weibliche Berufe hineinschnuppern.

Röchelnd spuckt der alte Mann alles wieder aus: Die Pillen, die er schlucken soll und das Getränk. „Ich hol’ Ihnen mal neue Tabletten“, sagt Altenpfleger Erkan Karamizrak geduldig zu seinem Schützling mit den wirren Haaren. „Er hat auch ein paar Tabletten ins Glas gespuckt“, sagt Abdullah. Der Zehnjährige steht mitten im Zimmer des alten Mannes in einer Demenz-Wohngemeinschaft in Steglitz. Die Hände hat er in den Taschen seiner Trainingsjacke zu Fäusten geballt. „Gut aufgepasst“, lobt Karamizrak.

Abdullah, Fünftklässler aus Kreuzberg, begleitet am Mittwoch Karamizrak, um etwas über den Beruf des Altenpflegers zu lernen – am ersten bundesweiten Boys’ Day, gleichzeitig mit dem Girls’ Day, der allerdings schon zum elften Mal stattfindet. Rund 1500 Fünft- bis Zehntklässler hatten sich angemeldet.

Von jetzt an sollen also nicht mehr nur Mädchen Männerdomänen kennenlernen, sondern auch Jungs in traditionell weibliche Berufe hineinschnuppern. „Wir haben zwar deutlich mehr Männer als andere Pflegedienste. Trotzdem sind Frauen auch bei uns in der Überzahl“, sagt Christiane Fraatz, vom AHK-Pflegeteam in Kreuzberg, die für Abdullah und vier andere Jungs den Aktionstag organisiert hat. „Der Boys’ Day ist notwendig, damit sich das ändert. Der Pflegekräftemangel wird sich noch zuspitzen. Und viele Eltern sind selbst zu sehr von traditionellen Rollenmuster geprägt, um ihre Söhne für soziale Berufen zu begeistern.“

Auch der 30-Jährige Karamizrak findet den Aktionstag sehr sinnvoll. „Ohne den Zivildienst wäre ich nie darauf gekommen, so etwas zu machen.“ Aber Abdullah wird nie Zivi sein, denn die gibt es bald nicht mehr. Der Zehnjährige zuckt mit keiner Wimper, als Karamizrak den durchnässten Verband über dem Luftröhrenschnitt des alten Mannes erneuert. Erst hinterher rümpft er kurz die Nase und sagt leise, dass er sich nicht vorstellen könnte, als Altenpfleger zu arbeiten. Er findet aber nicht, dass Berufe etwas mit dem Geschlecht zu tun haben sollten: „Eigentlich kann doch jeder alles machen.“ Er will Fußballer werden. „Das können Mädchen doch auch.“

Ganz anders sieht das Ümeyr Yurt, der einen Tag in der AWO-Europakita an der Blücherstraße in Kreuzberg verbringt. „Ich finde nicht, dass Jungs Mädchenberufe machen sollten“, sagt der Achtklässler, der sehr zurückhaltend wirkt. „Männer sind viel zu aggressiv, um etwa im Kindergarten zu arbeiten.“ Er auch? Der 14-Jährige grinst schüchtern und schüttelt den Kopf. Er möchte vor allem deshalb nicht hier arbeiten, „weil man zu wenig verdient“. Angetan hat es ihm allerdings ein kleiner, besonders fröhlicher Junge, der das Down-Syndrom hat. „Den mag ich“, sagt Ümeyr. „Mit behinderten Kindern würde ich gern arbeiten. Die sind anders. Da wäre mir auch die Bezahlung egal.“

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