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Berlin: Berufsziel: Spielerfrau

Die Nationalelf als Boy-Group – warum Mädchen sich plötzlich für Fußball interessieren

„Miro, wir lieben dich!“ Die Mädchen sind völlig betäubt vom Glück, Miroslav Klose begegnet zu sein. Mit einem irrsinnigen Kreischen haben sie ihn, den Star der Nationalelf, vor dem Mannschaftsquartier im Grunewald begrüßt. Sie sind auf und ab gehüpft, haben mit vibrierender, verzweifelter Stimme nach ihm gerufen. So wird sonst nur Robbie Williams gefeiert. Oder die Teenie-Gruppe Tokio Hotel. Die Nationalmannschaft als Boy-Group, die kleine Mädchen in Ekstase versetzt. Die Niederlage im Halbfinale hat die Beziehung zwischen den weiblichen Fans und ihren Stars nur noch enger werden lassen. „Im Elfmeterschießen hätten wir die Italiener platt gemacht“, sagt Nathalie, 14 Jahre alt. Sie trägt eine schwarz-rot-goldene Girlande um den Hals und will noch mindestens acht Stunden ausharren, um endlich ein Autogramm von Ballack und Podolski zu bekommen.

Die WM macht vor allem junge Mädchen völlig fußballverrückt. Sie malen sich „Poldi“-Herzen auf den Bauch, schicken ihren Lieblingen Blumengrüße und bekleben ihre Zimmer mit Spieler-Postern aus der Bravo. Am Mannschaftsquartier im Grunewald sind die ersten Reihen hinter der Absperrung von weiblichen Fans besetzt, Tag und Nacht. Yvonne, Theologiestudentin, hat insgesamt rund 40 Stunden Wartezeit hinter sich gebracht. Vom 22-köpfigen Spielerkader fehlen ihr nur noch fünf Unterschriften. Warum sie sich das in der Hitze antut? „Ich will die Spieler einfach mal live sehen. Dann freut man sich mehr, wenn man sie im Fernsehen wiedersieht.“

Es geht weniger um Fußball als um die Spieler, sagen auch Antonia und Nathalie, die jetzt Schulferien haben. „Die tollen Waden, der Oberkörper. Am tollsten ist, wenn sie Trikotwechsel machen.“ Kahn und Lehmann finden sie zu alt, Ballack sehe einfach männlich aus und Philipp Lahm „total süß“. „Der Philipp ist nur zwei Jahre älter als ich“, schwärmt Yvonne. „Mein Berufsziel ist eigentlich Spielerfrau.“ Die anderen Mädchen rufen seufzend im Chor: „Jaaahh“

Und was ist nach der WM? „Wieder Hertha gucken“, sagt Nathalie. Yvonne schaut Fußball seit ihrem zehnten Lebensjahr. Sie kann sich sogar an die Europameisterschaft 1996 erinnern. Nur bei Denise, neun Jahre alt, ist nicht sicher, ob Poldi und Ballack nach der WM noch so wichtig sind wie ihre Popidole Alexander und Yvonne Catterfeld.

Professionelle Fußball-Beobachter glauben nicht an eine neue weibliche Fankultur durch die WM. „Kreischende Mädchen hat es schon bei Günter Netzer gegeben“, sagt Dirk Salitalla von „Bravo Sport“. „Der weibliche Anteil unserer Leser liegt seit Jahren konstant bei 20 Prozent.“ Die kreischenden Fan-Mädels gehörten nicht zu seiner Klientel. „Die werden sich keine Dauerkarte für einen Zweitligaverein kaufen.“ Hertha BSC-Fanbetreuer Steffen Wirth sieht das ähnlich: „Das sind nicht die, die bei Hertha im Stadion stehen.“

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