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Wolfgang Thierse.

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Update

Beschneidungsdemo in Berlin: Thierse verspricht zügige gesetzliche Regelung

Knapp 300 Menschen sind am Sonntag in Berlin auf die Straße gegangen, um für das Recht auf religiös motivierte Beschneidung zu kämpfen. Unterdessen positionieren sich die Kinder- und Jugendärzte überraschend deutlich - und ihre Haltung wird den Gläubigen nicht gefallen.

Sie kamen mit bemalten T-Shirts und bunten Plakaten: So haben am Sonntagvormittag in Mitte rund 250 Menschen für das Recht auf Beschneidung aus religiösen Gründen demonstriert. Der Medienandrang war enorm, sogar das japanische Fernsehen schickte Reporter. Auf dem Bebelplatz übte die Initiatorin der Demonstration, Lala Süsskind – Vorsitzende des „Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus“ – scharfe Kritik am Vorschlag von Justizsenator Thomas Heilmann. Der CDU-Politiker hatte angekündigt, dass religiös motivierte Beschneidungen in Berlin weiter straffrei bleiben sollten.

„Wie soll ich nachweisen, dass eine Beschneidung aus religiösen Gründen geschieht?“, fragte Süsskind. Die ehemalige Vorsitzende der 10 000 Mitglieder zählenden Jüdischen Gemeinde zu Berlin sagte: „Vor etlichen Jahren hätte man mich auf der Straße als Jüdin erkannt – diese Zeiten wollen wir nicht mehr haben.“ Sie nannte die Beschneidungsdebatte „ein Sommerloch-Thema“. „Weder Juden noch Muslime verstümmeln ihre Kinder“, sagte sie.

Der Aufruf zur Demo wurde von über 50 Organisationen und Einrichtungen unterstützt, darunter der Evangelischen Landeskirche, dem Erzbistum Berlin, dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Bildergalerie: Die Debatte um das Beschneidungsurteil

Kämpferisch zeigte sich der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat. Vom orthodoxen Rabbiner Yitshak Ehrenberg hatte er sich eine Kippa geborgt, bevor er aufs Podium stieg. Nun trug er sie mit Stolz und Solidarität. „Niemand kann Beschneidungen stoppen und verhindern“, sagte Kolat. In der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland habe es nie irgendwelche Komplikationen damit gegeben.

Und auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) meldete sich zu Wort. In der Debatte um Beschneidungen gehe es um zwei Grundfragen, erklärte Thierse: „Wollen wir das Kindeswohl nur medizinisch oder auch geistig-geistlich definieren? Und soll es üblich werden, dass der Staat definiert, was zur Praxis einer Religion gehört?“ Und unter dem Applaus der Demonstranten versprach der SPD-Politiker, sich kraft seines Amtes für eine zügige gesetzliche Regelung der Beschneidungen einzusetzen.

Kinder- und Jugendärzte wollen sich indes weiterhin nicht an religiösen Beschneidungen von minderjährigen Jungen beteiligen. Das Recht des Kindes auf Selbstbestimmung und auf körperliche Unversehrtheit habe einen höheren Stellenwert als das Recht der Eltern, die Unversehrtheit aufgrund religiöser Überzeugungen zu beeinträchtigen, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, im RBB-Inforadio. Er kündigte an, dass sein Verband sich an einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht beteiligen werde, falls der Bund die Beschneidung gesetzlich zulasse. (mit dapd)

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