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Berlin: Besetzerhaus zum halben Preis

Geschäftsmann ersteigert linkes Szenezentrum „Köpi“ – nun wird er von Autonomen bedroht

Der kräftige Mann mit der Lederjacke, der gestern im Amtsgericht Mitte das Grundstück in der Köpenicker Straße 137 ersteigerte, wurde noch im Gerichtssaal von 20 Autonomen bedroht. Der albanische Geschäftsmann aus Serbien ließ sich von zwei Bodyguards schützen. Denn auf dem Grundstück steht das linke Szenezentrum „Köpi“ – und das gilt unter Hausbesetzern in ganz Europa als eine Art Heiligtum.

Mehr als 300 Polizisten postierten sich deshalb im und vor dem Gerichtsgebäude. Knapp 400 Autonome standen ihnen in der Littenstraße gegenüber, etwa 20 Leute aus der linken Szene nahmen an der öffentlichen Versteigerung teil. Genügend Geld, um bei der Auktion mitzubieten, hatten sie jedoch nicht. Als Verkehrswert wurden für das Haus 1,67 Millionen Euro veranschlagt, die Hälfte der Summe galt als Mindestgebot. Der schweigsame Kosovo-Albaner war der einzige Bieter und ersteigerte das Anwesen für den geforderten Mindestpreis von insgesamt 835 000 Euro.

Ein Spottpreis, sagen Immobilienmakler. Das lukrative Grundstück liegt schließlich in der Nähe des Spreeufers. „Mediaspree“ wird dieser Flussabschnitt rund um die Schillingbrücke von Investoren genannt. Moderne Architektur und komfortables Wohnen sollen hier kombiniert werden. „Auf den Käufer warten enorme Schwierigkeiten“, teilt nun jedoch der Anwalt der Hausbewohner, Moritz Heusinger, mit. Die Commerzbank hatte die Versteigerung erwirkt, der alte Eigentümer war seit Jahren insolvent und schuldete der Bank Millionen.

In einem Gutachten wurde davon ausgegangen, dass eine „komplette Neubebauung denkbar“ sei. Dass in dem Haus schon seit 1990 knapp 30 Menschen wohnen, blieb unerwähnt. Im Gutachten steht auch nicht, dass die Ex-Besetzer seit 1993 Mietverträge mit der früheren Hausverwaltung haben. „Und die gelten nach wie vor“, sagt Heusinger. Auch die Grünen sehen hier Klärungsbedarf. Die letzte Zwangsversteigerung der „Köpi“ im Jahr 1999 scheiterte. Offenbar fürchteten potenzielle Käufer Racheaktionen aus der linken Szene.

Das war nicht unbegründet: Auch im Vorfeld des gestrigen Termins hatte es Anschläge auf Immobilienfirmen gegeben. Kurz nach der Versteigerung des Hauses marschierten gestern hunderte Linke in einem Protestzug zum Kreuzberger Heinrichplatz. Bis zum späten Abend gab es weitere Proteste. Einige Teilnehmer sollen sich laut Polizei vermummt haben, es gab sieben Festnahmen.

Der Käufer der „Köpi“ ist in der Szene kein Unbekannter, er soll bereits andere Grundstücke in der Gegend erworben haben. Gestern ersteigerte der Mann auch die Nachbarareale um die „Köpi“ herum. Ein weiteres angrenzendes Areal gehört zwar noch der Post – aber auch die will ihr Grundstück dringend verkaufen. Ungewiss ist, ob es sich bei dem schweigsamen albanischen Käufer um einen Strohmann handelt, der die Grundstücke im Auftrag unbekannter Geschäftsleute gekauft hat. Einen Kommentar dazu lehnte der Mann gestern ab. Gerüchten zufolge will er den Bewohnern der Köpenicker Straße 137 kündigen und das Anwesen mit den Nachbargrundstücken zusammenlegen.

Bereits am Sonnabend hatten mehr als 1200 Menschen für die „Köpi“ demonstriert. Das Haus genießt europaweit ähnlichen Kultstatus wie das „Ungdomshuset“ in Kopenhagen, hieß es bei der Polizei. Nach der Räumung des selbstverwalteten Jugendzentrums in der dänischen Hauptstadt war es auch in Berlin zu Ausschreitungen gekommen. „Glücklich wird der neue Eigentümer damit nicht“, sagte eine Bewohnerin.

Der Käufer in der Lederjacke konnte das Gerichtsgebäude gestern nur unter Polizeischutz verlassen. Er wurde dabei von Aktivisten aus der linken Szene fotografiert. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir wissen, wo er wohnt“, hieß es. Der Geschäftsmann wurde danach von der Polizei weggefahren.

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