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Michael Müller (M, SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin, Frank Henkel (l, CDU), Berliner Innensenator, und Mario Czaja (r, CDU), Berliner Gesundheitssenator stecken die Köpfe zusammen. Hier auf einer Pressekonferenz im September.

© picture alliance / dpa

Best of 2015: Der Checkpoint-Jahresrückblick

Den Leuten die Tür eintreten, ehe sie die Augen aufmachen, mit einer morgendlichen Mail über eine Wahnsinns-Stadt: Das will der Checkpoint, unser Berlin-Newsletter. Lesen Sie hier die besten, wichtigsten und komischsten Einträge dieses Jahres!

JANUAR

Wer wird Nachfolger von Noch-BER-Chef Hartmut Mehdorn? Es gibt Leute, die behaupten, dass den Job niemand mit Verstand und Fähigkeiten haben will. Doch das ist falsch: Wer jetzt kommt, hat nichts zu verlieren, denn wenn eines klar ist auf der Monsterbaustelle, dann das: Es gibt keine Schuldigen, für nichts, niemand wird zur Verantwortung gezogen, und wer entlassen wurde, bekommt vor Gericht sein Geld ausgezahlt. Desaster-Geschäftsführer Rainer Schwarz, Mehdorn-Vorgänger, ist zum Beispiel noch bis 2016 auf der Gehaltsliste. Und deshalb mangelt es auch nicht an Bewerbern. Zeit, an den ersten Spruch von Mehdorn als BER-Chef vor fast zwei Jahren zu erinnern: "Die Zeit der Fummelei ist vorbei." Wann, hat er nicht gesagt. (Checkpoint vom 12.1.)

UND DANN WAR DA NOCH DAS:

7.1.

4000 Euro musste eine Lehrerin zahlen, weil sie von ihren Schülern (10. Klasse) ein Gemeinschaftsgeschenk im Wert von 198 Euro angenommen hatte – Korruptionsverdacht! Mehr als zehn Euro sind nicht erlaubt, ein Kollege mit Sohn an derselben Schule hatte die Frau angezeigt. Endgültig lächerlich wirkt die Sache, seit jetzt klar ist, was die Schüler ihrer Lehrerin geschenkt haben: „Die Badenden“ von Loriot als Skulptur.

8.1.

Der Angriff auf das Wochenmagazin „Charlie Hebdo“ in Paris und der Mord an 12 Menschen ist ein Angriff auf die Freiheit, auch auf Ihre Freiheit - und auf unsere. Die Berliner Polizei hat Sicherheitsmaßnahmen für die Redaktionen in der Stadt ergriffen, die Verlagsgebäude schotten sich ab, Kollegen bekennen sich dazu, Angst zu haben. Können wir unter diesen Umständen frei arbeiten, können und sollen wir veröffentlichen, worum es geht: die provokanten Titelbilder des Magazins aus Frankreich? Schon die Frage zeigt, wie der Anschlag wirkt, wie er fräst an den Kriterien, die für unsere Berichterstattung doch sonst so selbstverständlich sind, die sich ergeben aus unserem Selbstverständnis und aus der garantierten Pressefreiheit sowie ihren berufsständigen und gesetzlichen Grenzen - und sonst nichts.

"Nicht alles, was im Checkpoint steht, stimmt." Das ließ der Regierende Bürgermeister Michael Müller (Bild) im Februar wissen. Aber mal reinschauen schadet ja nicht...
"Nicht alles, was im Checkpoint steht, stimmt." Das ließ der Regierende Bürgermeister Michael Müller (Bild) im Februar wissen. Aber mal reinschauen schadet ja nicht...

© picture alliance / dpa

14.1.

Wenn die Hunde dieser Stadt hören, was das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf jetzt beschlossen hat, werden selbst die staatstreuesten Dackel zum Pitbull: komplettes Hundeverbot rund um den Schlachtensee und die Krumme Lanke. Stimungsvoraussage: Da wird demnächst jede Menge Ärger von der Leine gelassen.

23.1.

Neues vom Korruptionsfall Schule - Anruf des Künstlers: Karl-Heinz Richter, der die Figur „Paar in der Wanne“ geschaffen hat, findet „die Situation blöd“ und möchte der bestraften Frau (4000 Euro) eine Ersatzskulptur schenken. Große Geste! Er muss es allerdings heimlich tun, denn auch die Annahme des Ersatzgeschenk wäre, wegen des Bezugs zum Fall, schon wieder Vorteilsnahme, also: verboten. Deshalb: Nichts verraten, das bleibt bitte unter uns!

Encore

Neukölln ist nicht mehr überall: Heinz Buschkowsky, Berlins berühmtester Dorfbürgermeister der Welt, geht wegen „Dienstunfähigkeit“ in den Ruhestand. Mit Gefühl und Härte hat er regiert, Reibung erzeugt, sich sinnvoll Respekt verschafft und sinnlos Ärger eingehandelt. Manche hätten ihn gerne als Wowereits Nachfolger gesehen. Das ist er jetzt, gewissermaßen, ja auch doch noch geworden. (Checkpoint vom 28.1.)

MC (Master of Checkpoint). Seit November 2014 schreibt unser Chefredakteur Lorenz Maroldt seinen täglichen Newsletter - meistens bis spät in die Nacht.
MC (Master of Checkpoint). Seit November 2014 schreibt unser Chefredakteur Lorenz Maroldt seinen täglichen Newsletter - meistens bis spät in die Nacht.

© Andreas Labes

FEBRUAR

Heute geht es aber richtig, richtig los mit der Olympiakampagne: 3000 Plakate, da sollte auch mal eins zu sehen sein. Nur mit dem Song gibt’s noch Probleme: „Ich bin zwar nicht gerade virtuos, doch du wirst mich nicht mehr los“, singt das sportliche Duo „Kaempferherz“ im Unterstützerlied. Kulturstaatssekretär Tim Renner senkt den Daumen: „Das ist Slow, aber nicht Lympics.“ Stimmt - aber ist für den Senat Dabeisein nicht mehr alles? (Checkpoint vom 2.2.)

APROPOS DABEISEIN:

4.2.

Botschaft einer Gastpredigt in der Neuköllner Al-Nur-Moschee: „Frauen dürfen sich nie dem Sex mit ihrem Mann verweigern.“ Frank Henkel („abstoßend, eine Zumutung“) und der Türkische Bund (Anzeige wegen Volksverhetzung) sind empört. Ein Moschee-Vertreter sagte in der Abendschau: Ein Missverständnis, der Prediger hat „nur Tipps für eine Ehe ohne Probleme“ geben wollen. Aha. Noch was? Ja: „Frauen in Jeans sollen in der Hölle schmoren“, wurde auch gepredigt. Wäre Berlin eine Modestadt, wir würden antworten: Kommt auf die Marke an.

10.2.

Zoo-Chef Andreas Knieriem möchte aus dem Tierpark eine „Erlebniswelt“ machen, die Besucher sollen getarnt in Kabinen ganz nah und unbemerkt an die wilden Tiere kommen - wäre auch eine schöne Idee für die Touristen in Kreuzberg.

12.2.

Heute Abend findet das erste so genannte „Bürgerforum“ unter dem Titel „Senat diskutiert über Olympia“ gleich mal als Farce statt. Die politische Besetzungsliste, Stand heute früh: Sportsenator Henkel – abwesend. Sportstaatssekretär Statzkowski – abwesend. Senatskanzleichef und Bürgerbeteiligungsbeauftragter Björn Böhning – abwesend. Regiermeister Müller – Abgang nach Grußwort. Bürgerteilnahme – nur nach namentlicher Anmeldung. Motto: Nicht dabei sein ist alles.

Erstes Großthema Olympia-Bewerbung. Bei diesem Termin Mitte Januar war Staatssekretär Björn Böhning (SPD) noch optimistisch.
Erstes Großthema Olympia-Bewerbung. Bei diesem Termin Mitte Januar war Staatssekretär Björn Böhning (SPD) noch optimistisch.

© picture alliance / dpa

13.2.

Neues vom Korruptionsskandal. Jetzt ist die Skulptur versteigert worden – für ganze 11 Euro, in einem Los mit Modeschmuck und Schreibwaren. Damit liegt sie jetzt im Wert unter der Korruptionsgrenze und wäre doch noch als Geschenk für Lehrer (oder Staatsanwälte) geeignet. Falls auch Sie an günstiger Kriminalware interessiert sind: Die nächste Versteigerung ist am 20. Februar (Amtsgericht Wilsnacker Straße 5, 10 Uhr)

Plus:

Der Chefkolumnist einer Berliner Boulevardzeitung hat gestern mit einem Beitrag über seinen Umgang mit E-Mails einige seiner Leser irritiert. Deshalb zur Sicherheit hier noch einmal der Hinweis: Sie müssen den Checkpoint nicht ausdrucken, um ihn lesen zu können.

24.2.

Der Masern-Tod eines kleinen Jungen hat die Berliner Politik aufgeschreckt: Gesundheitssenator Mario Czaja und die Ärztekammer fordern eine Impfpflicht, Grüne und Linke wollen die Krankheit lieber mit guten Worten stoppen. Tatsache ist: Die Zahl der radikalen Impfgegner ist in Berlin besonders hoch und die Naivität vieler Eltern erschreckend. Masern sind keine harmlose „Kinderkrankheit“, sondern brandgefährlich, das Impfrisiko ist dagegen gering (alles andere sind längst widerlegte Mythen). Die Verweigerung grenzt an Körperverletzung – am eigenen Kind und an ahnungslosen Dritten.

Encore:

Zur Ablenkung vom Jubiläum (heute: 1000 Tage Nichteröffnung) ist beim BER ein neuer Korruptionsfall bekannt geworden: Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt gegen einen früheren Bereichsleiter, der für die Auftragsvergabe zuständig war. Der Vorwurf: Bestechung und Bestechlichkeit. Es geht um ein Schmiergeld von 200.000 Euro und ungeprüfte Zahlungen an ein Unternehmen in Höhe von 65 Millionen Euro. Das macht, in Verzugstage umgerechnet, auch 65 – alles eine Frage der Relation. Viel wichtiger ist, dass es auf der Baustelle vorangeht - in 1001 Nacht soll endlich alles fertig sein. (Checkpoint vom 27.2.)

"Hähä, gewonnen!" "Hähä, ja, eine Blamage im Herbst." Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz mit Berlins Regierendem Michael Müller - noch zu Zeiten des Olympia-Wettkampfs.
"Hähä, gewonnen!" "Hähä, ja, eine Blamage im Herbst." Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz mit Berlins Regierendem Michael Müller - noch zu Zeiten des Olympia-Wettkampfs.

© dpa

MÄRZ

Das war’s mit Olympia, Berlin hat die eigene Bedeutung überschätzt und den Gegner unterschätzt. Aber wenn die Politik der Stadt bereit ist, aus dieser Niederlage zu lernen, ist viel gewonnen – womöglich sogar mehr, als durch den Zuschlag oder gar die Spiele selbst zu gewinnen gewesen wäre. Und auch ein Trost liegt bereit: Berlin ist, unter anderem, daran gescheitert, was die Stadt sonst so faszinierend macht: an seiner Unberechenbarkeit. (Checkpoint vom 17.3.)

WENDEN WIR UNS DER ZUKUNFT ZU:

3.3.

Erst McDonalds, dann Airbnb und jetzt das: Morgen tritt Nena im SO36 auf – zum Preis von sagenhaften 75,50 Euro (heute früh waren sogar noch ein paar Karten da). Damit dürfte Kreuzberg endgültig erledigt sein.

11.3.

Vergangene Wochehatten wir berichtet, dass gegen marode Schulen demonstrierende Schüler dem Baustadtrat Michael Karnetzki einen Klodeckel geschenkt haben (gebraucht, gut erhalten). Checkpoint-Leser Mark Milde findet das komisch: Durfte der das Geschenk überhaupt annehmen (Sie erinnern sich -  die Lehrerin, die Skulptur, die Strafe)? Eine kleine Recherche ergibt: Er durfte. Gebrauchte WC-Sitze gibt’s bei ebay für unter 10 Euro (Höchstgrenze Geschenke). P.S.: Im Angebot sind gerade auch welche mit 10 LED-Leuchten zu 15 Euro VB (lässt sich sicher runterhandeln - und ja, bitte als Geschenk verpacken).

24.3.

Sie kennen Berlin. Sie lesen folgenden Satz: „Die zuständige Naturschutzbehörde ist zurzeit in der Anhörung zur Sondergenehmigung für die Vergrämung der Zauneidechsen.“ Sie wissen, was das bedeutet: Bald wird Lenins Kopf ausgegraben und kann nach Spandau in die Zitadelle verschleppt werden.

26.3.

Drei Eide würden Politiker aller Parteien schwören, dass Ihnen kaum etwas wichtiger ist, als so genannte „bezahlbare Wohnungen“ in ausreichender Zahl herbeizupolitisieren (siehe auch: „Zitat“). Aber wenn es praktisch wird, haben sie das schnell wieder vergessen. So verkauft der Bund (genauer: CDU und SPD entschieden so im Haushaltsausschuss) das burgartige „Dragoner-Areal“ in Kreuzberg jetzt zum Höchstpreis an einen Investor, der es dann auch zum Höchstpreis vermarkten wird - die interessierten Berliner Wohnungsbaugesellschaften gingen leer aus. Jetzt warten wir auf die nächste wohlfeile Sonntagsrede.

Encore:

Als einziger Journalist hat André Mielke („Berliner Zeitung“) eine himmlische Leistung des Regierenden Bürgermeisters gewürdigt - die erfolgreiche Veranstaltung der Sonnenfinsternis am 20. März: „Mit diskreter, beharrlicher Lobbyarbeit hatten Senat und Wirtschaft das galaktische Event an die Spree geholt“ - und das auch noch pünktlich! Lohn der Arbeit: Der Zuschlag für die Mondfinsternis am 28. September. Schön, dass da wenigstens einer drauf gekommen ist. (Checkpoint vom 23.3.)

April bis Juni

APRIL

Die gute Nachricht zuerst: Ein Airbus der Lufthansa (LH9921) hat gestern um 22.02 Uhr in Schönefeld erfolgreich eine Notlandung hingelegt - und zwar (trara!) auf der nagelneuen Südbahn des BER. Also erklären wir den Willy-Brandt-Aiporthiermit für eröffnet. Das Flugzeug befand sich auf einem Ferry-Flug nach Frankfurt und hatte keine Passagiere an Bord. Grund für die Rückkehr waren Anzeigenprobleme im Cockpit. (Checkpoint vom 15.4.)

NICHT SCHÖNER ALS FLIEGEN:

13.4.

In Neukölln räumt das Amt die Baumscheiben ab (von Bewohnern aus eigenem Antrieb/mit eigenen Mitteln zur Verschönerung angebrachte Ministraßengärten mit Sitzrand aus Holz). Offizielle Begründung: Es lassen sich auch lärmende Touristen nieder. Tiefere Erkenntnis: Die Ortspolitik hält eine Verschönerung des Bezirks für Rufschädigung.

14.4.

Annegret R. aus Berlin (65) ist seit gestern Abend im Fernsehen zu sehen. Sie hat 13 Kinder und erwartet noch mal vier (Eizellspende im Ausland, lt. „B.Z.“ Ukraine) – das war RTL einen Exklusiv-Vertrag und eine „Aufwandsentschädigung“ wert sowie viel Sendeplatz bis zur Geburt in den Sendungen „Guten Morgen Deutschland“, „Punkt 12“, „Exclusiv“ und „RTL Extra“. Selbstverständlich sollen auch „ethische Fragen“ behandelt werden. Darauf gibt’s nur eine richtige Antwort (auf Knopfdruck) – ausschalten.

27.4.

Gleich nach seiner Wiederwahl als CDU-Chef in Mitte (94,4 Prozent) ist Frank Henkel am Samstag nach Tel Aviv geflogen. Am Sonntag traf er den Bürgermeister von Jerusalem und hielt die Keynote der Veranstaltung „The Milky Way - Berlins Attraction for Young Israelis“. Hier gleich mal ein Beispiel für „Berlins Attraction…“: Beim Spiel vonUnion gegen Ingolstadt (Sonntag, 2:2) ließ Henkels Polizei (ohne sein Wissen) eine Israel-Fahne abhängen (für den FCI spielt der Israeli Almog Cohen). Begründung: Wegen der großen palästinensischen Gemeinde seien „politische Aussagen“ im Stadion unerwünscht. Als ob genau das bei Union ein Problem wäre. Es war übrigens bereits die 8. Dienstreise des Innensenators in diesem Jahr - 2014 kam er auf 19 (mehrtägige, ohne Tagestouren): Den Haag (2x), Ffm (2x), Dresden (2x), Sotschi, Bukarest, Vilnius, Bonn, München, St. Augustin, Zürich, Weimar, Kiew, Hannover, Madrid, Washington, Köln (Liste: „Kurier“). Wie es aussieht, hat Berlin einen heimlichen Außensenator.

28.4.

Das Volksbegehren Wasser hat die Regierung ignoriert - und verloren. Das Volksbegehren Tempelhofer Feld hat die Regierung beschimpft („provinzielle Spießer“) - und verloren. Beim Volksbegehren Mieten (erfolgreich gestartet) versucht die Regierung jetzt mal was Neues: Sie droht mit dem Kollaps der Stadt durch unterlassene Leistung - wie ein überforderter Erziehungsberechtigter gegenüber den ungehörigen Kleinen. Die Erfahrung lehrt: Auch so kann man nur verlieren.

Encore:

Frühstmöglicher Termin bei den Bürgerämtern derzeit: 22. Mai (aber immerhin noch 2015!) (Checkpoint vom 27.4.)

Schön hier, wa? Das Foto entstand bei einer BER-Tour mit Tagesspiegel-Lesern - wenige Tage, bevor auf der neuen Südbahn das erste Flugzeug (not)landete.
Schön hier, wa? Das Foto entstand bei einer BER-Tour mit Tagesspiegel-Lesern - wenige Tage, bevor auf der neuen Südbahn das erste Flugzeug (not)landete.

© Thilo Rückeis

MAI

In der Walpurgisnacht blieb es weitgehend friedlich - und zeitweise durchaus humorvoll. Ein Punk fragte die Polizei höflich nach dem Weg zur Gefangenensammelstelle, die fragte ebenso höflich zurück, ob er sich dort anmelden wolle. Die etwas übertriebene Feststellung einiger Betrunkener auf der Eberswalder Straße, „ganz Berlin hasst die Polizei“, beantwortete eine freundliche Beamtin mit der Aufforderung, die Herren möchten doch bitte „auf dem Gehweg weiterfeiern“. (Checkpoint vom 1.5.)

NUN ZURÜCK AN DIE ARBEIT:

6.5.

Wartezeit auf den M48 gestern um 10.45 Uhr am Potsdamer Platz: 17 Minuten (vertritt die Gewerkschaft der Lokführer jetzt etwa auch Busfahrer?).

8.5.

Weil die Idee in Barcelona auf Dauer nichts gebracht hat, wird’s jetzt in Berlin noch mal probiert (logo!): Pantomime gegen Partylärm (Beginn: heute). Und so geht’s (theoretisch): Wird eine Bierflasche auf der Straße zerschlagen, kommt ein Schauspielstudent im Leuchtdiodenkostüm angerannt und verteilt mit strengstem Gesichtsausdruck Handküsschen. Der geschockte Flaschenattentäter verzieht sich für den Rest der Nacht mit den Handküsschen in den Raum der Stille am Brandenburger Tor und hinterlässt dort einen Briefumschlag mit Scheinen im Gegenwert einer Pub-Crawl-Tour – Adresse: Burkhard Kieker, visitBerlin.

20.5.

1000. Das ist die Zahl, die gestern viele Grüne schockte (und nicht nur die). 1000 Fälle von sexuellem Missbrauch, begangen von Mitgliedern und Funktionären der „Alternativen Liste“ (Landesverband der Grünen in Berlin) in den achtziger und neunziger Jahren - das hat eine Untersuchungskommission festgestellt. Von einem „pädophilen Netzwerk“ ist die Rede. „Schwer auszuhalten“, sagt dazu Thomas Birk, MdA und Mitautor des Berichts, der heute offiziell vorgestellt werden soll.

22.5.

Oha - Post vom Anwalt der Grünen: Die Landesvorsitzenden haben neben der Aufklärung ihrer Vergangenheit (25 Jahre Pädophilen-Netzwerk unter gütiger Duldung der Partei) und dem Schämen darüber noch genug Zeit und Muße, sich juristisch über die Zahl der Opfer zu streiten - eine „Richtigstellung“ soll her. Na, da helfen wir doch gerne, wenn’s der Wahrheitsfindung dient (und damit’s bei Grüns schnell wieder an die Arbeit gehen kann)! Richtig ist: Die Zahl „1000“ (Opfer) steht nicht im Bericht der Kommission (obwohl sie recht plausibel ist). Und, geht’s jetzt besser?

Encore:

Bizarre Szenen spielen sich am Schlachtensee ab: Zunehmend verzweifelt versucht der Hunde-Aktivist Lothar Neuhoff, sich ein Bußgeld einzufangen - er möchte gerne dagegen klagen (Neuhoff hält das am 15. Mai in Kraft getretene Verbot für rechtswidrig). In einer Mail an seine „Lieben Mitstreiter“ beschreibt er das Dilemma: „Leider klappt das nicht, weil das Ordnungsamt trotz Aufforderung nicht bereit ist, einen Bußgeldbescheid zu erlassen und zwar, wie mir der Beamte in Anwesenheit von 8 Polizisten erklärte, weil es dafür keine Rechtsgrundlage gibt“. Neuhoff wechselt deshalb jetzt die Strategie: Er möchte am Uferweg regelmäßig Hundedemos anmelden - und setzt auf ein Verbot, um dagegen zu klagen. Die Mail endet mit den Worte: „Man bekäme auch schöne Presse. Was meinen Sie dazu?“ (Checkpoint vom 29.5.)

Maikrawalle? Iwo, nur ein bisschen artistische Feuerspielerei in der Walpurgisnacht im Mauerpark.
Maikrawalle? Iwo, nur ein bisschen artistische Feuerspielerei in der Walpurgisnacht im Mauerpark.

© dpa

JUNI

Dank der fantastischen Verkehrspolitik des Senats, die weltweit einzigartig ist und Berlin an die Spitze der Metropolen katapultiert hat, steigt die Zahl der Radfahrer Jahr für Jahr um fünf Prozent - in Kreuzberg sind es seit 2010 sogar 40 Prozent! Ach ne, sorry, ist ja genau andersherum: Trotz der fantastischen Verkehrspolitik… (der Rest stimmt). (Checkpoint vom 4.6.)

ABER LOS GING'S ERSTMAL DAMIT:

4.6.

Von heute an brummt nicht nur der Bär: Bis in die frühen Morgenstunden des Sonntag werden mehr als 300 Flugzeuge alleine auf der Südbahn des BER landen, parken und wieder starten – vor allem wegen des CL-Finals zwischen Barca und Juve. Die Flugsicherung hat Urlaubssperre – und in ganz Europa sind keine kleinen Chartermaschinen mehr zu bekommen.

10.6.

Sensation - das Bezirksamt Neukölln hat beschlossen, sich an Recht und Gesetz zu halten (so wie überall üblich). Dieser revolutionäre Akt war nötig geworden, weil ein so genanntes „Kopftuchmädchen“ (Sarrazin) nicht die angeborene Rolle als ungelernte Gemüsenachwuchsverkäuferin mit neun Kindern und Kartoffelallergie („Deutsch nix gut“) übernahm, sondern nach erfolgreichem Jurastudium Rechtsreferendarin in Buschkowskyland (Erbdemokratur) werden wollte. Fazit: „Neukölln ist überall“ muss umgeschrieben werden (immerhin stimmt jetzt der Titel).

23.6.

Hier gleich mal ein paar praktische Tipps für den Fall, dass Sie aus Versehen der Queen begegnen (kommt heute Abend an) - ihr Ex-Pressesprecher Charles Anson rät: „Zur Begrüßung Hofknicks oder Verbeugung, wichtig sind gute Manieren und gesunder Menschenverstand. Man wartet, bis sie einen anspricht, ihre Lieblingsthemen sind Hunde und Pferde, und die goldene Regellautet: Seien Sie so interessant wie möglich - und so natürlich wie es geht.“ Na hallo, da ist sie hier ja genau richtig!

25.6.

Die CDU will’s wissen (Mitgliederbefragung) – gleichgeschlechtliche Ehe, Ja oder Nein? Eigentlich ganz einfach. Und so tritt der CDU-Vorsitzende Henkel vor und spricht: „Wollen Sie, liebe Gemeinde, mit dem hier anwesenden Gesetzentwurf die gleichgeschlechtliche Ehe eingehen? Antworten Sie bitte mit ‚Ich stimme voll und ganz zu‘, ‚eher zu‘, ‚teils/teils zu‘, ‚eher nicht zu‘, ‚überhaupt nicht zu‘, ‚Ich enthalte mich‘ oder ‚Ich finde das Thema nicht wichtig‘. Und wer’s nicht glaubt: Das sind sie wirklich, die sieben Punkte christdemokratischer Temperaturmessung auf der zur Seite offenen Henkel-Skala. (Für die „teils/teils“-Empfinder wurde übrigens die Unisex-Wahlkabine erfunden).

30.6.

Sieben mögliche Antworten hat die CDU-Spitze der Basis zur Öffnung der Ehe vorgegeben – dabei war die wichtigste Frage noch gar nicht gestellt: Entspricht die überfallartige Mitgliederbefragung überhaupt der Satzung? Folgende Antworten sind möglich: „Nein / Eher Nein / Gar nicht / Überhaupt nicht / Kein bisschen / Mir doch egal / Legal, illegal, scheißegal“. Dazu ein Blick auf §6 (2): „Sie (die Mitgliederbefragung) ist durchzuführen, wenn sie von einem Drittel der … Gebietsverbände beantragt wird und der Vorstand … die Durchführung … beschließt.“ Amen. Und, gab’s einen Antrag der Gebietsverbände? Nö. Da hat sich Frank Henkel also doch ein bisschen von der Hektik anstecken lassen.

Encore

Es ist tatsächlich passiert: Der Checkpoint wurde gestern Abend in Köln mit dem wichtigsten deutschen Online-Preis ausgezeichnet - mit dem „Grimme Online Award“ in der Kategorie „Information“. Ein tolles Gefühl! Überhaupt kam Berlin richtig gut weg (ist eben eine tolle Stadt!). Ach, und weil der eine oder andere danach schon gefragt hat: Diese Ausgabe des Checkpoints wurde verfasst mit min. 0,8 Promille - im Morgengrauen am Rhein. (Checkpoint vom 19.6.)

Juli bis September

Ach, wär der Moritzplatz doch überall! Hier wurde etwas für die Sicherheit der Radfahrer getan, deren Zahl in Berlin dramatisch zunimmt.
Ach, wär der Moritzplatz doch überall! Hier wurde etwas für die Sicherheit der Radfahrer getan, deren Zahl in Berlin dramatisch zunimmt.

© dpa

JULI

Es wird eng in der Stadt, viel enger als bisher gedacht: Stadtentwicklungssenator Geisel hat gestern die erwartete Einwohnerzahl fürs Jahr 2030 dramatisch hochgeschraubt - auf 4 Mio (aus einer noch unveröffentlichten Studie). Das wirft alle Pläne über den Haufen: für Kitas, Schulen, Straßen sowie die Zahl der Häuser und ihre Höhe (die Senatsbaudirektorin hatte mehr Hochhäuser gerade eben noch ausgeschlossen). Geisel nennt es „ein großes Glück“ - mag sein, aber: Glück allein wird nicht reichen. (Checkpoint vom 7.7.)

ENG GETAKTET GEHT'S HIER WEITER:

3.7.

Der BER bekommt heute einen neuen Aufsichtsratschef: Nach einigem Hü und Hott übernimmt Michael Müller den Job – seinen Adlatus Lütke-Daldrup bringt er auch gleich mit. Damit hat die Berliner Seite im A-Rat jetzt die sensationelle Männerquote von 100 % erreicht. Dazu schnell mal ein Blick in den Koalitionsvertrag (S. 20): „Das Land Berlin wird in seinem Einflussbereich alle Anstrengungen unternehmen, um bei der Besetzung von Aufsichtsräten die Gleichstellungsverpflichtung zu erfüllen.“ Tja… aber da steht ja auch drin, „Die Koalition wird den neuen Großflughafen Willy Brandt zum 3. Juni 2012 ans Netz bringen“ (S. 33). Und zwar nur die Koalition! (Wer denn auch sonst).

7.7.

Kein Sommer ohne Massenkeilerei im Columbiabad (Neukölln) - beteiligt diesmal: 60 Leute. Deswegen nach Hause geschickt: 7000.

8.7.

Neben den Beträgen und den damit einhergehenden Möglichkeiten gefällt mir besonders meine kniende Pose neben dem Regierenden:)“ – so kommentierte Tim Renner am Dienstag auf Facebook ein Foto von sich und Kultursenator Müller. Für die Freie Szene konnte der Kulturstaatssekretär eine 75-prozentige Erhöhung rausholen (plus 7,5  Mio) – ein (seltener) Fall von versprochen/gehalten. Wahrlich zum Niederknien.

16.7.

Die traurige Nachricht: Potsdam fahndet weiterhin verzweifelt nach Elias, erst sechs Jahre jung und schon sieben Tage verschwunden. Eine Stadt sucht ein Kind. Und hoffentlich keinen Mörder.

Encore:

Falls mal wieder das Telefon klingelt und sich jemand bei Ihnen mit dem Satz meldet „Willst’n Tyrannosaurus Rex haben?“ – legen Sie nicht gleich auf. Sondern stellen Sie durch zum Naturkundemuseum, die sind solche Anfragen gewöhnt. So einfach und für gar kein Geld der Welt fand jedenfalls T. Rex aus Montana, geboren vor 66 Millionen Jahren und inzwischen Letzter seiner Art (bis auf ein einziges kleines Dino-Exemplar im Hamburger Volksparkstadion), seinen Weg nach Berlin. Ab Dezember wird „Tristan Otto“, so heißt er schon mal, in voller Länge von zwölf Metern ausgestellt, der Schädel mit den großen Zähnen wurde gestern ausgepackt. Eine Frage aber ist noch offen: Ist Tristan wirklich männlich? Und wenn nicht: Heißt er dann Isolde? (Checkpoint vom 14.7.)

AUGUST

Bei der Flüchtlingsbehörde Lageso herrschen längt Zustände wie bei den Berliner Bürgerämtern – nur dass Flüchtlinge dieses Chaos noch nicht gewohnt sind. Auch heute ist wieder zu befürchten, dass Hunderte in sengender Sonne auf eine Nummer zur Registrierung warten sollen. Und um Wasser und ein wenig Empathie betteln müssen. Auch Mitmenschen, die in Moabit mithelfen wollten, mussten sich erst mal anhören, dass es bei Apple-Stores auch lange Schlangen gebe. (Checkpoint vom 10.8.)

ZUSTÄNDE ANDERNORTS:

10.8.

Die unpünktliche Eröffnung des BER wird immer unwahrscheinlicher. Imtech, die zweitwichtigste Firma an der Bauruine, hat sich pleite gewirtschaftet, nun kommt in Unschönefeld nicht mal ab und zu ein Imtechniker vorbei, um den selbst angerichteten Kabelsalat durchzurühren. Das Terminal wird bis März 2016 sowieso nicht mehr fertig, wie BER-Chef Karsten Mühlenfeld schon jetzt zugeben muss; und das Dauerdumme an der Dauerbaustelle ist: Ein halbes Jahr drauf verfällt die Baugenehmigung. Immerhin: Die fünfte verschobene Eröffnung könnte dann die letzte sein. Gut, dass auf dem Flugfeld in Tempelhof noch keine Wohnungen stehen.  (BER count up Tage seit Nichteröffnung: 1164)

24.8.

Die Partystimmung in Friedrichshain-Kreuzberg kippt. Raubüberfälle auf Touristen häufen sich, die Polizei spricht von bandenmäßiger Kriminalität im Amüsierquartier. Berlins Tourismuswerber fürchten um den guten Ruf der Stadt bei Sauftouristen in aller Welt. Auch die Verdrängung von Drogendealern aus dem Görlitzer Parkhabe die Lage verschärft, meint der CDU-Abgeordnete Kurt Wansner – und fordert mehr Polizeipräsenz. Innensenator Frank Henkel stellen sich zwei knifflige Fragen: Wohin soll er die Dealer diesmal jagen, und mit welchen Polizisten?

Encore:

Das Chaos auf den Bürgerämtern hat inzwischen auch die Landeswahlleiterin alarmiert – Neuberliner, die vom allgegenwärtigen Terminstau an einem rechtzeitigen Anmelden gehindert werden, können das Ergebnis anfechten. Damit dürften Wahlen in Berlin auf unabsehbare Zeit unmöglich sein. (Checkpoint vom 31.8.)

Viele Leute, wenig Platz, hohe Mieten. Von Nacktprotesten wie hier im Jahr 2012 hat man aber lange nix mehr gehört.
Viele Leute, wenig Platz, hohe Mieten. Von Nacktprotesten wie hier im Jahr 2012 hat man aber lange nix mehr gehört.

© dapd

SEPTEMBER

Eigentlich wagt man ja nicht dran zu denken, geschweige denn, es zu sagen ... aber was soll’s (da ja jetzt alles in Erwägung gezogen wird): Wie wäre es eigentlich mit dem BER als Flüchtlingsunterkunft (fragt Checkpoint-Leser und Bestseller-Autor Michael Jürgs)? Platz genug ist ja, anderweitig gebraucht wird er zur Zeit nicht, der Eröffnungstermin 2017 wackelt sowieso, das Dach ist winterfest, die Toiletten funktionieren, und das Problem mit der nicht zugelassenen Entrauchungsanlage hat sich seit Angela Merkels Ansprache („Deutsche Ordnung ist super, aber jetzt ist deutsche Flexibilität gefragt – wir müssen beim Brandschutz vom Standard abweichen können“) auch erledigt. Weiterer Vorteil: Die Anlage ist gut geschützt gegen anreisendes „Pack“ (Gabriel). (Checkpoint vom 7.9.)

WORAN NOCH ZU DENKEN WAR:

1.9.

Aus der Reihe „Berlins marode Schulen“: Pünktlich zum Ferienende wurde in der Franz-Carl-Achard-Grundschule (Kaulsdorf) gleich mal die oberste Etage gesperrt -wegen Einsturzgefahr. Die Turnhalle der Schule („sportbetont“) ist deswegen übrigens bereits seit zwei Jahren geschlossen (Quelle: Abendschau).

3.9.

Fünfundzwanzig Jahre lang war Claus-Dieter Steyer beim Tagesspiegel, ein leidenschaftlicher Journalist, ein toller Kollege, vielen ein Freund. Noch am Montag ist sein Text über den Verein „Hellersdorf hilft“ erschienen, die Korrekturen besprach er mit der Redaktion telefonisch, von den Dolomiten aus, wo er mit Freunden seinen Urlaub verbrachte. Aber eigentlich war Brandenburg sein Revier, ganz Brandenburg - es gibt wohl kaum einen Quadratmeter, den er nicht bereist, nicht beschrieben hat. „Unsere Steyermark“ haben wir Brandenburg irgendwann halb im Scherz, halb hochachtungsvoll genannt. Auch fürs Tagesspiegel-Magazin „Radfahren“ hat er selbstverständlich seine Runden gedreht. Mit dem Fahrrad war er jetzt auch in den Dolomiten. Nach einer gemeinsamen Tour machte er sich noch mal allein auf den Weg. Dabei ist er tödlich verunglückt. Unsere Gedanken sind bei Claus-Dieters Frau und seinen Kindern. Wir werden ihn nicht vergessen.

8.9.

Die BIM (Berliner Immobilienmanagement) hat kurzfristig ihr Sommerfest abgesagt: „Es gibt Zeiten zum Feiern und es gibt Zeiten, in denen sich das Feiern als ungeeignet erweist. Kurzfristig haben wir wesentliche, neue und erweiterte Aufgaben bei der Unterbringung der Flüchtlinge übernommen. Unsere Kapazitäten konzentrieren wir deshalb gegenwärtig in außergewöhnlichem Maße auf diese Aufgabe, die unseren vollen Einsatz erfordert. Das Catering für den Empfang werden wir indes nicht vergeuden, sondern an eine Flüchtlingseinrichtung spenden.“ Well done.

22.9.

Eine auf den Tag genau zehn Monate alte BER-Auskunft von Michael Müller ist plötzlich wieder brandaktuell: „Trifft es zu, dass in Bereichen des Terminals zu hohe Deckenlasten festgestellt wurden?“, wollte Martin Delius (Vorsitzender U-Ausschuss) wissen. Die Antwort (22.12.2014): „Nach Angaben der FBB (Flughafengesellschaft) wurden in keinem Bereich des Terminals zu hohe Deckenlasten festgestellt.“ Da hingen längst drei Riesenventilatoren unterm Dach, die statt der zulässigen 2000 Kilo glatt das Doppelte wiegen. Gestern verhängte das Landratsamt Dahme-Spreewald einen sofortigen Baustopp für das gesamte Terminal - jetzt kann nur noch draußen Unkraut gejätet werden. Der Kommentar von Delius: „Weder Betrug noch Lüge kann man aus der Antwort konstruieren. Unwissenheit und Gleichgültigkeit schon.“ Schlimm genug. (BER count up Tage seit Nichteröffnung: 1207)

Encore:

Also, Realsatire können sie in der Senatskanzlei - eine Beschwerde zur unzumutbaren und teils rechtswidrigen Terminsituation in den Bürgerämtern beantwortet der Leiter Bürgerberatung im Roten Rathaus so: „Dass die angebotenen Termine oftmals schnell vergeben sind, zeigt m.E. vom Grundsatz her sehr deutlich, wie gut das Bedienmodell von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen wird.“ Oje. Die Parole „Gutes Regieren“ ist hier offenbar zur Autosuggestion geworden - eine Alternative zum völlig überforderten „Bedienmodell“ gibt es nämlich nicht. (Checkpoint vom 25.9.)

Oktober bis Dezember

OKTOBER

Sieht ganz so aus, als würde ich eine Wette gegen den Kollegen Lars Petersen von der „B.Z.“ verlieren: Obwohl Feuerwehr und Polizei eindringlich davor warnten (und es die Verwaltung deswegen ausgeschlossen hatte), wird jetzt doch an der „Option ICC“ als Flüchtlingsunterkunft gearbeitet. Die Umstände diktieren die Möglichkeiten (und die Risiken): Insgesamt werden in diesem Jahr 90.000 Asylantragsteller in Berlin erwartet (bundesweit: 1,5 Mio). (Checkpoint vom 6.10.)

WETTEN, DASS DAS NICHT ALLES WAR?

1.10.

Es gibt eine gute Nachricht vom BER: Der Gutachter sagt, die Ventilatoren unterm Dach gefährden nicht die Statik - leider gilt das aber nur, solange sie nicht eingeschaltetwerden. Das Landratsamt verweigerte deshalb gestern die Wiederaufnahme der Sanierung im ungefährdeten Teil des Terminals. Begründung: Weil ohne Ventilatoren die Entrauchung nicht funktioniert, gibt’s auch keinen Brandschutz für die Arbeiter. Vielleicht sollten sie das Dach abbauen, damit’s weitergehen kann - oder die Fenster demontieren. (BER count up Tage seit Nichteröffnung: 1216)

15.10.

88 Pensionäre haben sich freiwillig für Hilfseinsätze am Lageso gemeldet - aber nur einer (1!) ist im Einsatz. Der Grund: Es gibt noch keine Einigung über die „Konditionen“ (Aufmacher „Morgenpost“, Anfrage MdA Schmidt und Taş). Der Konditionsstatus der Verantwortlichen ist dagegen klar: erschöpft.

19.10.

15.000 neue Wohnungen sollen 2016 in Berlin entstehen. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) weiß bereits: „Das reicht nicht aus“. Es werden deutlich mehr gebraucht. Doch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) stellt klar: Billiger bauen auf Kosten des Klimas, das ist mit ihr nicht zu machen. Eine Lockerung der Dämmvorschriften für Neubauten, wie sie Immobilienwirtschaft und Mietervertreter fordern, lehnt sie ab. „Man kann nicht von mir verlangen, dass ich im Dezember zum Klimagipfel nach Paris reise und kurz davor die Energieeinsparverordnung 2016 außer Kraft setze.“ Natürlich nicht. Aber vielleicht danach.

29.10.

„Ich habe den Rauch und den Kleinen auf dem Fensterbrett gesehen“, erzählt Jeff Ehling. Er ist 16 Neuköllner Jahre jung, und er hat soeben ein Leben gerettet, indem er einen sechsjährigen allein gelassenen Jungen aus einer brennenden Wohnung holte. Wagemutig zog er ihn von den Räumen nebenan über die Balkonbrüstung, sein Freund Ahmed, den Jeff beim Hochrennen in den siebten Stock getroffen hatte, hielt ihn dabei fest. Die Weiße Siedlung an der Sonnenallee, für die viele schon schwarz sahen, wird damit endlich zum Kein-Problem-Kiez ernannt. Und Jeff, der Held? Er will mal Polizist werden. Hat aber den Schulabschluss verpasst.

30.10.

Vier Jahre lang haben zwei Augen diese Welt gesehen. Zwei Augen, die uns heute angucken von allen Titelseiten der Stadt und von den Vermisstenfotos, die noch in Moabit hängen; dort, wo Mohamed aus den Augen verloren worden war von seiner Mutter, die mit einem Baby im Arm stundenlang mit Tausenden anstehen musste vor dem Flüchtlingsamt Lageso; dort, wo jetzt Kerzen der Trauer brennen und auf den zertrampelten Wiesen andere Kinder wuseln, weil ihre Eltern warten auf eine Registrierung, bisher oft wochenlang. Ein Flüchtlingskind ist gestorben. Verschwunden im Chaos inmitten Berlins. Mohameds Augen haben gesehen, dass Berlin nicht für ihn da war. Nun sind sie geschlossen. Wir haben es nicht aufgehalten.

Encore:

Hier noch die drei wichtigsten Meldungen aus der Berliner Landespolitik:
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(Checkpoint vom 30.10.)

Im Sommer wird es voll vor dem Lageso. Der Grund: Flüchtlinge, die in Berlin Schutz suchen. Daran wird sich auch bis Jahresende nichts mehr ändern.
Im Sommer wird es voll vor dem Lageso. Der Grund: Flüchtlinge, die in Berlin Schutz suchen. Daran wird sich auch bis Jahresende nichts mehr ändern.

© AFP

NOVEMBER

Am Rand des Tempelhofes Feldes will der Senat jetzt Traglufthallen für Flüchtlinge errichten (es könnten auch Container werden) - und dafür das umstrittene Tempelhofgesetz ändern. Vorhersage: Das ist der Einstieg in den Ausstieg (vom Volksentscheid) - schließlich ist in Berlin nichts so dauerhaft wie das Provisorium (und wo eins ist…). (Checkpoint vom 6.11.)

JETZT GUT FESTHALTEN:

4.11.

Ha! Wir können mal wieder stolz sein auf uns - Berlin ist seit ein paar Tagen Rekordhalter in der Kategorie „Deutschlands teuerste Klassenfahrt“: 38.058 Euro ließ sich ein Englisch-Leistungskurs des Kreuzberger Robert-Koch-Gymnasiums seinen Ausflug nach New York kosten, macht pro Schüler 2539 Euro. Kleiner Schönheitsfehler: Die Sause zahlt komplett der Staat, und zwar aus dem „Bildungs- und Teilhabepaket (BuT)“. Damit sollen eigentlich Schüler aus Familien mit geringem oder ohne Einkommen unterstützt werden, in diesem Fall waren das praktischerweise: alle 15. Es störten also keine störrischen Selbstzahlereltern mit Einkommen knapp über der Kappungsgrenze die teuren Reisepläne insLand der unbegrenzten Möglichkeiten. Unbegrenzt ist auch die Förderhöhe: Das Land Berlin hat, anders als etwas Hessen, beim Plündern von Bundesmitteln (solche sind es nämlich) aus dieser Kasse keine Grenze gezogen.

12.11.

Um 11.11 Uhr eroberten gestern ein paar Karnevalisten das Rathaus Charlottenburg - der Präsident des Vereins „Narrenkappe Berlin“ (Olaf Schwarz) teilte anschließend dem Bezirksbürgermeisters Naumann mit: „Es ist einfacher, Ihr Rathaus zu stürmen, als darin einen Termin zu bekommen.“ Kleiner Tip: Am 9. Januar wäre noch einer frei.

13.11.

Hier mal eine Sensation: Die Bauarbeiten am U-Bahnhof Gleisdreieck werden einen Tag früher beendet sein als geplant - am 23. November geht’s wieder durch (allerdings steht die Dopingprobe noch aus). Falls Sie sich allerdings wundern, warum ihre U2 unter der Grunerstraße am Alex plötzlich nur noch 15 km/h fährt - der Tunnel hat sich wegen der Hotelbauarbeiten drüber um 6 cm gesenkt. Nächster Halt (wenn’s so weitergeht):Station Vollsperrung.

17.11.

Achtmal wurde gestern die Polizei wegen verdächtiger Gegenstände gerufen (gleich dreimal davon am Kurfürstendamm) - in allen Fällen war's Fehlalarm. Wegen der Sperrungen kam es immer wieder zu größeren Staus. Die Schweigeminute für die Opfer der Terroranschläge von Paris um 12 Uhr ging an Berlin eher geräuschvoll vorbei (auch wenn viele Menschen kurz innehielten) - etliche Busse fuhren (anders als angekündigt) einfach weiter (Autos sowieso).

20.11.

Schlossbauherr Rettig glaubt unerschütterlich an sein im Zeit- und Kostenplan liegendes Werk und das gesprochene Wort: „Die deutsche Ingenieurskunst steht für feste Termin- und Kostenrahmen.“ (Q: „Berliner Zeitung") Aha. Aber wer bastelt denn dann ein paar hundert Meter weiter westlich immer teurer und immer länger an der Staatsoperrum (vom BER mal ganz zu schweigen)? Ach, da schauen wir doch mal unter „Baunebenkosten - Architekten- und Ingenieurleistungen“ nach (KGR 730) - so, hier: Geplant: 30.537.000,00 Euro. Aktuell: 58.638.576,51 Euro. Na, wenn das mal nicht auf einen soliden deutschen Doppelrahmen hinausläuft.

25.11.

Erst wollte der Senat eine Zone auf dem Tempelhofer Feld mit Flüchtlingsunterkünften belegen. Dann kam raus, dass er mit zwei Zonen plant. Gestern beschloss er nun vier Zonen(und eine Änderung des Tempelhof-Gesetzes). Aber versprochen, nicht wahr, es bleibt dabei: Niemand hat die Absicht, ein Wohnhaus zu bauen - und wer würde da schon dem Senat misstrauen (nach den vielen guten Erfahrungen)? 

30.11.

Hamburg kann sich im Jahr 2024 ganz auf die Elbvertiefung konzentrieren - mit Olympia wird’s jedenfalls nichts: 51,6 Prozent stimmten beim Referendum gegen die Spiele. Tja, das hätte der DOSB auch in Berlin haben können … wobei allerdings die Vorstellung etwas abenteuerlich ist: fröhlich-fordernde „Wir wollen die Spiele!“-Plakate neben den unwürdigen Zuständen am Lageso - da sagt selbst manch ein hochrangiger Olympiafreund: Bloß gut, dass uns das erspart geblieben ist.

Encore:

Zum Abschluss heute ausnahmsweise keine Meldung, sondern einen kleinen Auszug aus unserer Leserumfrage - also: Wer sind Sie? Und was wollen Sie? Mal schauen… Sie leben zu 76 Prozent in Berlin, sind ziemlich treu (jedenfalls dem Checkpoint, alles andere geht uns ja nichts an), sind zu ungefähr 50 Prozent eine Frau, finden die Länge des Checkpoints zu 89 Prozent genau richtig und würden ihn zu 98 Prozent weiterempfehlen -  vielleicht schaffen wir es dann ja auch zusammen, demnächst die 100.000-Abonnenten-Marke zu knacken. Würde mich jedenfalls riesig freuen. (Checkpoint vom 24.11.)

Wär das was für Flüchtlinge? Im September machte sich der Checkpoint Gedanken über Quartiersnot und BER-Leerstand.
Wär das was für Flüchtlinge? Im September machte sich der Checkpoint Gedanken über Quartiersnot und BER-Leerstand.

© picture alliance / dpa

DEZEMBER

Zur Feier seines Geburtstags gönnte sich Michael Müller gestern einen Schluck Richtlinienkompetenz: Er forderte Sozialsenator Czaja auf, Lageso-Chef Allert zu entlassen - und der handelte. Um 21 Uhr beantwortet Czaja die Frage, ob Allert noch im Amt ist, mit einem Wort: „Nein.“ Da hatte er dem formalen Rücktrittsgesuch des Landesamtspräsidenten gerade stattgegeben. Wie aber endlich (endlich!) die chaotischen und unwürdigen Zustände bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen verbessert werden können, ist damit noch lange nicht klar. (Checkpoint vom 10.12.)

ALLE ANDEREN BITTE VORTRETEN!

7.12.

Der Nikolaus hatte den Berlinerinnen und Berlinern ein paar Bürgeramtstermine in die Schuhe geschoben - den ganzen Sonntag über gab’s für den 4. Februar noch was zu buchen. Heute Morgen war das meiste davon allerdings leider schon wieder verfrühstückt.

8.12.

Heute will Verkehrssenator Andreas Geisel verkünden, wer die S-Bahn-Ausschreibung gewonnen hat. Als Favorit gilt die S-Bahn, seit die Konkurrenz vor den Bedingungen des Senats kapituliert hat. Im Ergebnis darf das Land fürs gewohnte Angebot wohl saftig draufzahlen: Die Bahn kassiert das Schmerzensgeld (vereinzelt auch „Erpressungszuschlag“ genannt), das eher ihre Kunden verdient hätten, die beispielsweise Sonntag wegen einer „Störung am Fahrzeug“ 20 Minuten auf die schon im Normalfall überfüllte S1 warten mussten. Und Montagfrüh im Berufsverkehr wieder – mit derselben Begründung, aber dreimal so vielen Schicksalsgenossen.

9.12.

Der rbb hat anonyme Kurzberichte von Lageso-Mitarbeitern gesammelt. Auszug: „Ein Ordnungssystem gibt es nicht. Deswegen gibt es bei uns auch den Job des ‚Suchers‘ – das sind Kollegen, die nur damit beschäftigt sind, die passende Akte zu suchen.“ Hm, da sollten wohl besser mal ein paar Stellen für „Finder“ ausgeschrieben werden, dann geht’s vielleicht schneller (und die  finden bestimmt auch noch ein paar vergessene Mitarbeiter, die sich beim Suchen verlaufen haben).

10.12.

Gute Nachrichten heute vom Lageso - zwischen Weihnachten und Neujahr fällt die Flüchtlingskrise laut Dienstplan aus - das Amt bleibt geschlossen. Und noch ein kleiner Tipp für die Flüchtlinge, die in Tempelhof untergekommen sind: Am besten vor dem 18. Dezember noch mal gut duschen - dann wird der Shuttlebus von den Hangars zum Columbiabad eingestellt (ist das alles noch zu fassen?).

16.12.

Dem Fiffi-Prozess ums Hundeverbot am Schlachtensee verdanken wir die schöne Wortschöpfung „gewillkürte Badestelle“ – um eine solche handelt es sich nämlich hier laut Verwaltungsgericht. Ergo: Der Bann ist aufgehoben. Das Urteil brachte die bereichernde Erkenntnis, dass „der Uferweg als solcher keine Badestelle ist, sondern ein Weg, der in erster Linie der Fortbewegung dient“. Sieh mal einer an!

Das ist doch was für Flüchtlinge! In der Not ist zum Jahresende plötzlich auch wieder das ICC als Unterkunft im Gespräch.
Das ist doch was für Flüchtlinge! In der Not ist zum Jahresende plötzlich auch wieder das ICC als Unterkunft im Gespräch.

© Kai-Uwe Heinrich

17.12.

Die BVG vermeldet einen Weltrekord – sie konnte die Zahl der Strafanzeigen gegen Schwarzfahrer von läppischen 480 im Jahr 2013 auf sensationelle 33.723 versiebzigfachen. Die S-Bahn schaffte dagegen nur eine Verdoppelung auf 18.174. Kleiner Nebeneffekt: Beide Unternehmen tragen damit erheblich zur Gentrifizierung der JVA Plötzensee bei: Inzwischen sitzt hier ein Drittel (1/3!) aller Gefangenen wegen „Erschleichung von Beförderungsleistungen“ – Schwarzfahren ist, im Gegensatz zum Schwarzparken, keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat. Die Justiz klagt über drastisch erhöhten Anzeigenverkehr – dazu der Kommentar von BVG-Sprecher Kazim Akboga im neuen Image-Song: „Is mir egal“.

18.12.

Der Funkturm in Charlottenburg ist eine eher unbekannte Sehenswürdigkeit Berlins“, meldet die „Berliner Zeitung". Ich würde mal sagen: Kommt auf den Standort an.

Encore:

Leserin E. wünscht sich mehr Positives im Checkpoint - gerne! Ich frage mal einen der angestellten „Sucher“ im Lageso, ob so etwas gefunden wurde. (Checkpoint vom 14.12.)

Diese Zusammenstellung erschien zunächst am 19. Dezember 2015 in unserer gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin. Neben Lorenz Maroldts Einträgen finden sich darin auch Beiträge seiner Urlaubsvertretungen Robert Ide, Stefan Jacobs und Stephan Wiehler. Schnitt: Johannes Schneider. Zum Checkpoint anmelden können Sie sich hier.

Was hecken die wohl gerade aus? Doch nicht etwa eine Bebauung des Tempelhofer Feldes???
Was hecken die wohl gerade aus? Doch nicht etwa eine Bebauung des Tempelhofer Feldes???

© dpa

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