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Gegen die Schließung des Kino Colosseum wird protestiert.

© Rilana Kubassa

Update

"Bestlage" für Hamburger Immobilienfirma: Das sind die Umbaupläne für das Kino Colosseum

Anwohner und Mitarbeiter protestieren für das Traditionskino. Dem Tagesspiegel liegt der Vorbescheid für den Umbau vor, die Immobilienfirma schweigt dazu.

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Die  Mitarbeiter begehren auf, im Kiez regt sich Unmut: Am Donnerstag protestieren rund 60 Anwohner und Beschäftigte gegen die Schließung des Kino Colosseum in Prenzlauer Berg. Angemeldet wurde die Kundgebung vor dem Traditionskino von der Gewerkschaft Verdi und soll bis in den Abend andauern.

„Wir sind gerade erst am Anfang der Debatte um eine künftige Nutzung der Immobilie“, sagte Benn dem Tagesspiegel. „Ich bin zuversichtlich, dass auch den Eigentümer die Welle der Sympathie für das Colosseum und die öffentliche Anteilnahme an seiner Zukunft nicht völlig unbeeindruckt lässt und mindestens Gespräche möglich werden. Bevor nicht Alles verloren ist, ist nichts verloren.“

Die Betreibergesellschaft hatte im Zuge der Coronakrise Insolvenz angemeldet. Der bisherige Chef des Unternehmens, Sammy Brauner, hatte im Tagesspiegel-Interview erklärt: „Hier gibt es keinerlei Handlungsspielraum mehr. Ich habe für den Kinobetrieb Insolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit anmelden müssen. Daraufhin hat ein gerichtlich bestellter vorläufiger Insolvenzverwalter dessen wirtschaftliche Situation geprüft. Und seine Beurteilung ist eindeutig.“

Eine Gemeinschaft von Erben der Produzentenlegende Artur „Atze“ Brauner, zu der auch Sammy Brauner gehört, will den Pachtvertrag mit der Betreiberfirma zum Jahresende aufheben. Sammy Brauner erklärte: „Wir haben als Erbengemeinschaft keine konkreten Pläne mit der Immobilie.“

Umbau des Kino Colosseum wurde schon 2019 geplant

Die Hamburger Immobilienfirma Values Real Estate hatte jedoch im vergangenen Jahr einen Bauvorbescheid beantragt und bekommen. Damit wurde vorab geklärt, ob ein Umbau für eine andere Nutzung überhaupt möglich sind. Das Bezirksamt Pankow erteilte den Bescheid im November 2019.

Geplant ist demnach ein „Berlin Work Campus“ mit „modernen Büroflächen“. Sogar ein erster Entwurf eines Architektenbüros liegt vor, der wegen des Urheberrechts nicht gezeigt werden darf.  Dem Bescheid zufolge sollen das einstigen Straßenbahndepot und der Premieren-Saal des Kinos, die unter Denkmalschutz stehen, erhalten bleiben. Ansonsten hatte das Pankow Bauamt keine Bedenken, die vorgelegten Pläne seien zulässig. Der Entwurf sieht einen modernen, sechsstöckigen Bürobau vor.

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Neben Beton dominieren zeitgenössische Fensterfassaden im Bereich des heutigen Multiplexareals entlang der Gleimstraße. Einen futuristischen Touch bekommt der geplante Neubau durch die Gestaltung der obersten beiden Stockwerke. Die ragen wie ein Riesenbalkon zur maximalen Flächenverwertung noch nach Osten über das einstöckige ursprüngliche Kino an der Schönhauser Allee.

Mit Abstand wird gegen die Umwandlung in ein Bürogebäude protestiert.
Mit Abstand wird gegen die Umwandlung in ein Bürogebäude protestiert.

© Rilana Kubassa

Die Bauvorbescheid ist zwei Jahre lang gültig, also bis November 2021. Für den Umbau muss aber noch ein Bauantrag gestellt werden. Doch selbst im Bezirksamt wird nicht damit gerechnet, dass ein entsprechender Antrag einfach abgelehnt werden kann.

In wessen Auftrag die Hamburger Immobilienfirma den Bauvorbescheid beantragt hat, bleibt allerdings unklar.  Sammy Brauner hatte erklärt: „Weder ich noch jemand aus der Erbengemeinschaft hat einen Bauvorbescheid beantragt.“ Was mit der Immobilie passieren werde, „kann nur die Erbengemeinschaft gemeinsam entscheiden“.

Kino Colosseum - war wir über die Schließung wissen

Die Hamburger Immobilienfirma wollte sich auf Anfrage äußern. Das Unternehmen versteht sich als Immobilieninvestment- und Entwicklungsgesellschaft für Geschäftshäuser und Einzelhandelsimmobilien, fokussiert „auf die spezifischen Bestlagen ausgewählter Standorte“.  

Die Immobilienfirma ließ zur Frage nach dem von ihr beantragten Bauvorbescheid lediglich erklären: „Da die Values Real Estate kein Eigentümer des (…) Grundstückes ist, kann sie zu dem (…) Thema keine Aussagen machen.“

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Verwunderung herrscht zudem immer noch, weil das Bezirksamt keinen Alarm geschlagen hat, als es den Bauvorbescheid im vergangenen Jahr bearbeitet hat, Angeblich soll in einem Formular nur die Adresse „Schönhauser Allee 123“ vermerkt worden sein, nicht aber „Kino Colosseum“. Deshalb sei die Brisanz nicht erkannt worden, hieß es zunächst.

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Jetzt sagte Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) dem Tagesspiegel Leute-Newsletter aus Pankow, das mehrere Mitarbeiter aus mehreren Fachbereichen und von der unteren Denkmalbehörde mit dem Bauvorbescheid befasst waren und davon wussten. Dass er bei den wöchentlichen Sitzungen über diesen Vorbescheid nicht informiert wurde, sei offenbar ein Versehen, „dass der Vielzahl der Fälle geschuldet ist“.

Auch Kuhn selbst gestand ein, dass er die Vorhabenliste im September 2019, als die Pläne für das Colosseum vermerkt wurden, „nicht aufmerksam genug gelesen hatte“. Ansonsten hätten die „Wünsche des Bezirks“ etwa zu einer weiteren kulturellen Nutzung des Kinos „früher artikuliert werden können“.

Anwalt nennt Umgang mit den Beschäftigten „Unverschämtheit“

Auch Rechtsanwalt Martin Bechert, der die Mitarbeiter des Kino-Betreibers vertritt, äußerte sich nun zu den Vorgängen: Er bezeichnete den Umgang mit den Beschäftigten und die Äußerungen von Sammy Brauner als „Unverschämtheit“.

„Statt tatsächlich Mitgefühl für die zum Teil seit über 20 Jahren angestellten Beschäftigten zu haben und auch finanzielle Verantwortung gegebenenfalls auch zusammen mit den übrigen Erben des Millionenerbes von Arthur Brauner für eine Sozialplan zu übernehmen, werden hier die Mitarbeiter als aggressiv dargestellt“, sagte Bechert.

„Die sich aus dem Eigentum ergebende Verantwortung für die über 40 Mitarbeiter und ihre Familien wird konsequent zu Gunsten einer uneingeschränkten Maximalverwertung der Immobile zu Lasten der Allgemeinheit klein geredet.“

Seit der Betriebsversammlung am 19. Juni protestieren die Mitarbeiter und Miterbeiterinnen des Colosseum-Kinos mit Transparenten und vor dem Kino aufgehängten Film-T-Shirts. Nach eigenen Angaben geht es ihnen dabei nicht nur um ihre Arbeitsplätze, sondern auch darum, zu verhindern, dass „die Anwohner und die umliegenden Gewerbetreibenden aus reinem Profitstreben einen wichtigen Kulturstandort verlieren“.

Das Colosseum ist eines der ältesten Kinos Berlins – und eine Kiez-Institution.
Das Colosseum ist eines der ältesten Kinos Berlins – und eine Kiez-Institution.

© Rilana Kubassa

Sie wollen, dass das Colosseum dem Bezirk erhalten bleibt, ob als Genossenschaft oder kommunales Kino. 40 Beschäftigte sind bereit, das Kino selbst zu übernehmen. Unterstützung erhalten sie dabei auch von Verdi.

Donnerstagnachmittag versammelten sie sich unter anderem mit dem dju-Landesgeschäftsführer und Fachgruppensekretär für den Kinobereich Jörg Reichel vor dem Kino, um mit den Kiez-Bewohnern ins Gespräch zu kommen und auf die geplante Schließung aufmerksam zu machen.

An interessierte Anwohner wurden Popcorn und symbolische Tickets verteilt und Transparente aufgebaut. Einige Passanten zeigten sich schockiert oder traurig. „Ein tolles Kino. Wir sind oft mit den Kindern hergekommen“, erzählt eine Frau. Um 15 Uhr wurde eine Schweigeminute eingelegt.  

Belegschaft will Kino mit Genossenschaft betreiben

Laut Verdi seien die Aktionen ein Weg, um mit Brauner ins Gespräch zu kommen und gemeinsam zu überlegen, wie es weitergehen könnte. Das Colosseum sei schon allein aufgrund seiner Lage ein Ort von öffentlichem Interesse. Wegen der Coronakrise wurde in Berlin bisher kein Kino geschlossen. Brauner müsse jetzt zur Situation eine Haltung entwickeln und Verantwortung übernehmen.

Die Protestierenden hätten eine reale Chance, das Colosseum vor einer Nutzung als Bürokomplex zu bewahren. „Verdi ist jetzt seit gut 40 Jahren in der Kinobranche unterwegs, aber so eine Situation, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie hier sagen, dass sie das Kino selbst weiter betreiben wollen, gab es noch nicht“, hieß es.

Einer der Beschäftigten, die das Kino auch eigenständig weiter betreiben würden, ist Michel Rieck. Er war vier Jahre lang Service-Mitarbeiter im Colosseum und ist seit zehn Jahren begeisterter Cineast. Dass sie es gemeinsam schaffen, den Kinobetrieb weiterzuführen, kann er sich gut vorstellen. „Wir sind ein tolles Team und wir wollen dieses Haus erhalten.“

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Daniela Baumann, Mitglied im Betriebsrat, erzählt, dass die Belegschaft erst Ende Mai über die Insolvenz informiert wurde, kurz vor der Betriebsversammlung. Entgegen seinen Schilderungen im Interview mit dem Tagesspiegel habe Brauner nicht persönlich mit den Beschäftigten über die Situation gesprochen.

Am Nachmittag wurden auch Filme an die Wand des Colosseums projiziert, darunter neben vier Kurzfilmen ein Statement von Martin Rathke vom Betriebsrat des Kinos. Ab 18.30 Uhr demonstrieren die Beschäftigten vor dem Kino. Nach einer Kundgebung unter anderem mit Bezirksbürgermeister Benn, dem Betriebsrat und Sven Fischer von der Mietergemeinschaft Kopenhagener Straße startet der Demonstrationszug durch Stargarder Straße, Raumerstraße und Gneiststraße zum Falkplatz.

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