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Shining Schönefeld. Sieht aus wie eine Horrorfilmkulisse, ist aber nur das Flughafenumfeld. Leere Straßen im Niemandsland, Unkraut auf den Gehwegen, am Himmel der Krach der Maschinen. Menschen sieht man hier nur selten. Aber das Hotel ist geöffnet. Vor allem Handwerker ziehen hier am BER mal kurz ein.

© Thilo Rückeis

Besuch beim BER-Hotel in Berlin: Allein in der Ödnis

Am BER steht einsam ein Hotel auf der Wiese, im Niemandsland. Eigentlich sollte hier das Leben toben. Doch selbst der Bus stoppt an der Haltestelle am Wochenende nur alle zwei Stunden. Ein Ortstermin.

In Stanley Kubricks Horror-Film „The Shining“ wird ein Hotel auf einem alten Indianerfriedhof errichtet. Da braucht man sich nicht wundern, wenn anschließend nichts funktioniert: Es kommt halt immer auf die Umgebung an. Das gilt auch am BER in Schönefeld, wo zumindest hinsichtlich toter Indianer keine große Gefahr drohen sollte. Insofern haben die Betreiber des ersten, vor gut einem Jahr eröffneten Hotels alles richtig gemacht. Andererseits sollte sich ein Flughafenhotel von anderen Hotels streng genommen aber in einem Punkt unterscheiden: Ein Flughafen in unmittelbarer Nähe wäre nicht schlecht.

Nun gibt es zwar weiterhin den alten Flughafen in Schönefeld, aber auch ein paar Hotels stehen da schon, in fußläufiger Entfernung. Was aber passiert im bisher einzigen BER-Hotel, fünf Kilometer vom funktionierenden Flughafen entfernt? Ein Ortstermin.

Dosenbier, Handwerker, Sitzpolster

„Eigentlich“ sei hier immer was los, sagt einer vor der Tür, Dosenbier in der Hand. Ein Handwerker, repariert Flugzeuge, bessert Sitzpolster aus. Zumindest dafür könnte das Hotel gar nicht besser liegen, die Werkstätten zur Flugzeugwartung sind von hier aus leicht zu erreichen. „Eigentlich“ meint unter der Woche, an einem Freitagnachmittag leert sich das Hotel, verschwinden die Arbeiter, die hier sonst unterkommen. Seit drei Monaten lebt er hier, auf Montage, angereist aus dem Süden. Zum Wochenende fährt er gelegentlich heim, die Autobahnanbindung sei schließlich sehr gut.

Direkt an der Abfahrt zum BER liegt das Hotel, das einzige größere Gebäude. 140 Zimmer, ganz allein auf der grünen Wiese, die eigentlich keine Wiese mehr sein dürfte. Stattdessen soll hier ein Businesspark entstehen, 100. 000 Quadratmeter groß, unterteilt in 18 Bauabschnitte. Mit Apotheke, Supermarkt, Ärzten. Und insgesamt drei Hotels. Tatsächlich aber: ein Hotel, sonst nichts.

Und nicht unbedingt viele Menschen, erst recht, nachdem jetzt ein Pärchen aus dem Foyer kommt und sich aufmacht in Richtung Stadt. Wieder zwei weniger. „Reus“ steht auf dem Rücken ihres Fußballtrikots, auf dem Rock steht nichts, es wäre aber ohnehin kaum Platz für Wörter. Die zwei laufen zur Haltestelle – alle zwei Stunden am Wochenende fährt hier ein Bus.

Prächtige Parkplätze - bloß ohne Autos

Wie zum Trotz gegen den beklagten Stillstand ein paar Kilometer weiter: Der Innovationsdruck im Hotel scheint durchaus vorhanden zu sein. Seit kurzem könne man auch online einchecken, sagt die Frau an der Rezeption, sechs Gäste hätten das sogar schon gemacht. Das ist praktisch, erst recht, wenn zu später Stunde angereist wird und die Rezeption schon geschlossen hat.

Dann steht man vor einer Schiebetür, die sich nicht mehr öffnet, und dann ist so ein Online-Check-in doch eine gute Sache. Wenn das irgendwann alle machen, braucht es streng genommen gar keine Menschen mehr an der Rezeption. Das wäre dann die ultimative Lösung für alle Einzelgänger: Ganz allein mit sich in einer Schlafschachtel am Stadtrand.

Vielleicht fliegt dann sogar gelegentlich mal ein Flugzeug vom BER. Bis dahin regiert hier die Ödnis, spaziert man abends vom Hotel in Richtung Flughafen auf dem Seitenstreifen der Autobahn. Der Weg sei ungefährlich, sagt die Frau an der Rezeption, „da ist Tempo 30“. Tatsächlich ist es dann sogar noch ein bisschen ungefährlicher, denn wo niemand fährt, fährt auch niemand zu schnell. Eine herrliche Brache, prächtige Parkplätze, auf denen kaum ein Auto steht. Natürlich drücken sich die Gräser längst schon vorbei an den Gehwegplatten.

Pförtnercontainer vor der Baustelle

Ein paar hundert Meter vom Terminal entfernt hält ein Taxi. Menschen, richtige Menschen, mit echten Problemen. Ob man ihm helfen könne, fragt der Fahrgast auf der Rückbank, er sei auf der Suche nach seinem Bekannten und dessen Flugzeug. „Das hat er irgendwo hier geparkt“, und wo denn der Flugzeugparkplatz sei, da wisse auch der Taxifahrer leider nicht Bescheid. Der sitzt hinterm Steuer und dürfte sich freuen über seine gute Fuhre. Einmal den Privatflieger-Kumpel übers Gelände karjuckeln, das lohnt richtig.

Dann fahren sie weiter, hier mal rein, dort mal hin. Vielleicht sieht der auf der Rückbank die Sache auch locker, denkt man dann, und sie fahren jetzt einfach so lange herum, bis sie irgendein Flugzeug sehen. Das müsste es dann sein, so viele andere stehen hier schließlich nicht herum. Und so spaziert man weiter, wenn hier ohnehin niemand ist, kann auch niemand etwas verbieten.

Bis der kommt, der kommen muss: ein Sicherheitsmann. Gerade saß er noch in seinem Deutschlandfahnen-dekorierten Auto, aber so geht es natürlich nicht, viel zu privat. Also eilt er nun in seinen autoritätssteigernden Pförtnercontainer, das Terminal hinter ihm vielleicht noch hundert Meter entfernt. „Hier ist Schluss“, sagt er, sein Container stehe da schließlich nicht ohne Grund in der Gegend. Ob man denn nicht sehen könne, fragt er, schwingende Geste in Richtung des unbeleuchteten Gebäudes hinter ihm. „Das ist alles Baustelle hier.“

Wenigstens sagt‘s mal einer.

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