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Allein im Heim. Wenn die Bewohner keinen Besuch mehr haben dürfen, bleibt manch einem Bewohner nur der Fernseher als Unterhaltung.

© Kitty Kleist-Heinrich

Besuche verboten, Hygienemaßnahmen erhöht: So wollen Berliner Pflegeheime Coronavirus-Infektionen verhindern

Viele Pflegeheime haben Besuche untersagt und in manchen werden Schutzmasken knapp. Wie Berliner Einrichtungen mit den Gefahren durch das Coronavirus umgehen.

Der Tod von inzwischen zwölf Bewohnern eines Pflegeheimes in Würzburg hat viele Menschen geschockt. Ebenso die Nachricht, dass in einem Pflegeheim in Wolfsburg weitere zwölf Menschen gestorben sind. Sie fielen dem Coronavirus zum Opfer, das irgendwie seinen Weg zu den besonders gefährdeten Pflegebedürftigen gefunden hat.

Es könnten Besucher gewesen sein, die das Virus mitgebracht haben oder Mitarbeiter. Geklärt ist der Übertragungsweg in beiden Fällen bisher nicht.

Der Tagesspiegel hat in Berliner Pflegeheimen nachgefragt, wie sie mit der Gefahr umgehen, dass Besucher das Virus ins Haus tragen, welche Hygienemaßnahmen sie zum Schutz der Bewohner ergriffen haben, wie es mit den Vorräten an Schutzmaterial wie Masken und Desinfektionsmittel aussieht und welche Regeln gelten, wenn das Personal Kontakt mit Infizierten Menschen hatte. Die Betreiber von 73 Pflegeheimen in der Stadt haben auf die Umfrage geantwortet.

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In den allermeisten Fällen sind normale Besuche untersagt, aber in Notfällen oder zur Begleitung Sterbender sehr beschränkt gestattet.

So hat die Pflegeheimgruppe Korian, die in Berlin neun Pflegeheime betreibt und die mit insgesamt 236 Häuser der größte private Pflegeheimbetreiber in Deutschland ist, „zum Schutz unserer Bewohner, Angehörigen und Mitarbeitern unserer Einrichtungen für sämtliche Besucher und Dienstleister geschlossen“.

Ausnahmen seien Besuche im Falle von Palliativbegleitungen möglich. „Besucher müssen sich in so einer Situation registrieren und an verschärfte Hygieneregelungen halten“, sagte eine Sprecherin des Konzerns.

Grafik-Social Distancing während der Coronavirus-Krise
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© Tagesspiegel/Cremer

Ähnlich verfahren die drei Berliner Einrichtungen der Volkssolidarität und das Unionhilfswerk, das in Berlin vier Pflegeheime betreibt. Um das Risiko einer Infektion mit dem neuen Coronavirus so gering wie möglich zu halten, seien die Pflegewohnheime bis auf Weiteres für Angehörige und andere Gäste geschlossen, teilten die Betreiber mit.

Kontakt zu Angehörigen über Videotelefonie

„Ein Kontakt zu Angehörigen könnte über Videotelefonie ermöglicht werden“, sagt eine Sprecherin des Unionhilfswerkes.

Die Alloheim-Gruppe – mit bundesweit 211 Heimen die Nummer zwei in Deutschland, davon zehn in Berlin – hat für alle Residenzen „zum Schutz von Bewohnern, Angehörigen und Mitarbeitern“ ein generelles Besuchsverbot verhängt. „Besuche sind derzeit nur in dringenden Notfällen zulässig.“ Um Kontaktwege auch in diesen einzelnen Ausnahmen nachvollziehen zu können, führe man Besucherlisten.

Auch in den bundesweit 120 Häusern der Victors/Pro-Seniore-Gruppe, von denen sich sechs in Berlin befinden, sind „übliche Kontaktbesuche nicht mehr gestattet“.

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„Da unsere Senioren nicht in Verdacht stehen, kürzlich Risikogebiete wie China, Norditalien oder österreichische Skigebiete besucht zu haben, kann die Ansteckung mit dem Coronavirus im Prinzip nur von außen zum Beispiel durch Angehörige oder sonstige Besucher erfolgen“, sagte ein Sprecher. „Dies wollen wir nun unter allen Umständen vermeiden.“

Ärztliche Besuche seien aber weiterhin erlaubt. Begründete Ausnahmefälle bedürfen der Genehmigung. „Treffen außerhalb der Einrichtung im Rahmen der verschärften Kontaktregeln werden soweit es geht ermöglicht.“

Die Tertianum-Residenz hat Besuche, "von begründeten Ausnahmen abgesehen", untersagt. "Unvermeidbare Besuche dürfen gemäß der in Kraft getretenen Berliner Eindämmungsverordnung von jedem Bewohner nur einmal pro Tag für maximal eine Stunde empfangen werden", sagt eine Sprecherin. "Personen unter 16 Jahren sowie Personen mit Atemwegserkrankungen ist der Besuch grundsätzlich untersagt." Damit folgt die Residenz im wesentlichen den Empfehlungen des Berliner Senats. Das Zutrittsverbot gelte auch für Besucher, die sich innerhalb der letzten Wochen in einem Risikogebiet aufgehalten haben oder Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person hatten.

Auch bei Vivantes-Pflegeheimen fast keine Besuche mehr erlaubt

Der berlineigene Krankenhauskonzern Vivantes hat auch eine eigene Pflegeheimsparte, das „Forum für Senioren“, zu dem 17 Pflegeheime in mehreren Berliner Bezirken gehören.

Man bitte um Verständnis dafür, dass man zum Schutz der Bewohner und Mitarbeiter bis auf Weiteres keine Besucher mehr in den Häusern empfange, sagt eine Sprecherin. In Ausnahmen sind jedoch Besuche bei schwersterkrankten Bewohnern in Abstimmung mit der Einrichtungsleitung und den behandelnden Ärzten möglich.

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Die vier Berliner Pflegeheime der Johannesstift Diakonie und die zwei Häuser der privaten Emvia Living Gruppe gestatten – bis auf wenige, mit der jeweiligen Heimleitung abzustimmenden Ausnahmen, wie der Sterbebegleitung – keine Besuche mehr.

Den gleichen Weg haben auch verschiedene Einzelhäuser gewählt, wie das Pflegeheim DRK-Kliniken Berlin Pflege und Wohnen Mariendorf, die Seniorenpflege Birkholz, das Pflegezentrum St. Marienhaus Kreuzberg, die Psychiatrische Pflegeeinrichtung Wannsee, der Katharinenhof am Spreeufer oder das Haus Teplitz.

Diesen strikten Beispielen folgen jedoch nicht alle Pflegeheime. Denn gänzlich untersagt hat der Berliner Senat Besuche im Pflegeheim nicht. Er hat festgelegt, „dass Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen einmal am Tag von einer Person für eine Stunde Besuch empfangen dürfen, jedoch nicht von Kindern unter 16 Jahren oder von Menschen mit Atemwegsinfektionen.“ Genau daran hält sich das zur Immanuel-Albertinen-Diakonie gehörende Immanuel Seniorenzentrum Schöneberg.

Hygieneregeln wegen Infektionsgefahr verschärft

Auch in den acht Berliner Pflegeheimen der Caritas Altenhilfe sind Besuche „unter bestimmten Bedingungen“ weiterhin möglich. „Die Besuchszeit ist, wie in Berlin vorgeschrieben, täglich begrenzt“, sagte ein Sprecher. In den verschiedenen Einrichtungen gebe es bestimmte Zeitfenster. „Vor jedem Besuch befragen wir die Besucher hinsichtlich möglicher Risikofaktoren.“

Man versuche aber darauf hinzuwirken, dass im Moment Besucher möglichst auf ihre Besuche ganz verzichten und auf telefonischen Kontakt auszuweichen sollten. Bei außergewöhnlichen Situationen, wie einer Sterbebegleitung, gebe es Ausnahmeregelungen. Alle Besucher werden hinsichtlich des notwendigen Hygieneverhaltens und der Abstandsregelungen belehrt.

Die weitaus meisten der befragten Pflegeheime haben wegen der Infektionsgefahr die in Ihren Häusern geltenden Hygieneregeln verschärft, auch wenn viele darauf hinweisen, dass schon vor der Krise in den Einrichtungen generell schärfere Hygieneregeln bestanden und das Personal Erfahrung damit habe, die Bewohner vor Infektionen zu bewahren. Zudem halte man sich an die Hygieneempfehlungen des Robert-Koch-Institutes.

Zweimal täglich Fiebermessen

Bei der Pflegeheimgruppe Korian seien Bewohner und Mitarbeiter dazu angehalten worden, verstärkt auf die Einhaltung der Hygienevorschriften zu achten, also auf gründliches Händewaschen sowie auf eine adäquate Niesetikette und Desinfektion. „Zudem gilt die Vermeidung von Körperkontakt, wie zum Beispiel Händeschütteln oder Umarmungen.“

Zweimal täglich würde die Temperatur bei allen Bewohnern gemessen, um mögliche Symptome sofort zu erkennen und Schutzvorkehrungen zu treffen.

In der Immanuel-Albertinen-Diakonie und in den Häusern der Johannesstift-Diakonie hätten alle Mitarbeitenden Taschenflaschen mit Handdesinfektionsmittel erhalten. „In den Bewohnerzimmern sind ausreichend Schutzhandschuhe vorhanden“, sagt eine Sprecherin der Immanuel-Albertinen-Diakonie. Etagenübergreifende Gruppenangebote sind auf ein Minimum reduziert, auf den empfohlenen Abstand von 1,5 bis 2 Metern achten die Mitarbeitenden.

Hintergrund-Informationen zum Coronavirus:

Auch die Mitarbeiter der Vivantes-Pflegeheime und der Psychiatrischen Pflegeeinrichtung Wannsee tragen Desinfektionsmittel bei sich. In den Zimmern habe man aber keine Desinfektionsspender angebracht, weil diese eine Gefahr für psychisch Kranke oder an Demenz leidende Bewohner sein könnten.

Einige Heime verpflichten die Pflegekräfte, ständig Mund- und Nasenschutzmasken zu tragen

Laut dem Robert-Koch-Institut sei für "die Versorgung vulnerabler Patientengruppen im Rahmen einer Pandemie ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes durch das medizinische Personal aus Aspekten des Patientenschutzes angezeigt.“ Die Pflegeheime der Volkssolidarität, der Caritas-Altenhilfe und des Haus Teplitz haben alle Pflegekräfte verpflichtet, bei der Versorgung der Pflegebedürftigen einen Mundschutz zu tragen. Das gilt in anderen Heimen nur dann, wenn ein Mitarbeiter Erkältungssymptome zeigt. 

Bei Pflege und Wohnen Mariendorf dürfen immer nur zwei bis drei Mitarbeiter gleichzeitig in die Pause gehen, um Abstand zu halten. „Die Kollegin vom Empfang sitzt hinter einer Glasscheibe.“ Manche Häuser lassen immer nur zwei Personen in den Aufzug, andere wie das Haus Teplitz haben es Pflegekräften ganz verboten, den Aufzug zu nehmen.

[Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus in Berlin lesen Sie in unserem Liveblog.]

Doch die gesteigerten Hygieneanforderungen stellen viele Heime beim Materialverbrauch vor allem von Mund- und Nasenschutz und Desinfektionsmitteln vor Probleme. Deshalb hat der Tagesspiegel auch danach gefragt. Nicht alle Heimbetreiber sind in einer so komfortablen Lage, wie Korian, Alloheim, Vivantes, die Volkssolidarität oder die Immanuel-Albertinen-Diakonie, die berichten, dass bei ihnen die Bestände an Schutzmasken und Desinfektionsmittel beruhigend groß seien.

Andere wie das Unionhilfswerk, Emvia Living, die Caritas-Altenhilfe, die St. Marien Gruppe, Pro Seniore oder die Johannesstift-Diakonie teilten zwar mit, ihre Schutzmaterialbestände reichten noch, aber eine ein Mangel sei absehbar. Lücken, die bei der derzeitigen Angebotslage nur schwer zu stopfen sein dürften, hält diese noch eine Weile an. Und in einigen Pflegeheimen ist der Mangel schon konkret absehbar, die Hoffnung auf die Hilfe durch die Politik groß.

Ist es trotz aller Bemühungen nicht zu vermeiden, dass das Coronavirus den Weg in ein Pflegeheim findet – ob sich nun Bewohner anstecken oder Mitarbeiter – kann die Situation schnell dramatisch werden.

Sind die Bewohner doch oftmals sehr betagt und haben bereits Erkrankungen, gehören also zur Risikogruppe derjenigen, bei denen Covid-19 einen schweren Verlauf nehmen könnte. Und auf der anderen Seite kann ein möglicherweise infizierter Mitarbeiter die Personalsituation durch Quarantäne und Krankmeldungen erheblich verschlechtern.

In einigen Einrichtungen werden Mitarbeiter, die Kontakt zu einem Infizierten hatten, weiterhin konsequent in eine 14-tägige Quarantäne geschickt. So halten es zum Beispiel Korian, Alloheim und das Unionhilfswerk – immer mit dem Hinweis, sich beim Gesundheitsamt zu melden und bei einem Arzt. In der Tertianum-Residenz werden Mitarbeiter, bei denen der Verdacht einer Infektion besteht, häuslich isoliert. Man nehme Kontakt mit den Gesundheitsbehörden auf und strebe die Durchführung eines Tests an, sagt die Sprecherin. "Bei positivem Test folgt dann eine 14tägige häusliche Quarantäne."

In anderen Häusern wie die Psychiatrische Pflegeeinrichtung Wannsee oder den DRK-Kliniken Berlin können die Mitarbeiter, die Kontakt zu einem Infizierten hatten, mit einem Mund- und Nasenschutz weiterarbeiten, solange sie keine Krankheitssymptome zeigen und der nach dem Kontakt obligatorische Test auf das Virus negativ ausfällt.

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