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Berlins Bürgermeister Michael Müller eröffnet den Besuchertunnel in der Brunnenstraße.

© Tobias SCHWARZ / AFP

Besuchertunnel in Mitte eröffnet: DDR-Fluchttunnel kann jetzt besichtigt werden

Hunderte Berliner flohen über Tunnel aus dem Ostteil der Stadt. Der Verein Berliner Unterwelten ermöglicht jetzt Einblicke in einen ehemaligen Fluchttunnel.

Eine Gruppe von Menschen schiebt sich eine Treppe hinunter, unter ihnen Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD). Es geht herunter in hellhörige Räume, in denen der Klinkerstein an vielen Stellen unter dem Putz zum Vorschein kommt. Die Umgebung wirkt kalt, und auch die Temperatur sinkt. Über einem Türbogen warnt ein Schild: „Sperrgebiet! Unbefugten ist das Betreten verboten.“ Einschüchternde Worte, doch alle Anwesenden sind an diesem Donnerstag befugt.

Der Verein Berliner Unterwelten eröffnet in der ehemaligen Oswald-Berliner-Brauerei einen Besuchertunnel, der es künftig den Gästen der „Tour M – Unterirdisch in die Freiheit“ ermöglicht, Blicke in einen ehemaligen Fluchttunnel zu werfen.

Zur Eröffnung richtet der Regierende Bürgermeister Berlins Michael Müller dankende Worte an Verein und Beteiligte. Durch den Schautunnel, der den Fluchttunnel kreuzt, könne man „Berliner Zeitgeschichte hautnah miterleben“, sagt Müller. Der Fluchttunnel erinnere an eine dramatische Zeit.

Ein Zeuge dieser dramatischen Zeit ist Ulrich Pfeifer. Pfeifer wirkte, nachdem er selbst aus der DDR geflohen war, an mehreren Tunnelgrabungen mit. So schloss er sich 1970 dem Grabungsteam um Hasso Herschel, damals ein bekannter Fluchthelfer. Herschel initiierte auch die Grabung des Fluchttunnels, der nun besichtigt werden kann. Dem Bauingenieur Pfeifer oblag dabei die Vermessung.

Im Gegensatz zu anderen Tunneln hätten sie im Herbst 1970 den ersten Abschnitt nicht senkrecht nach unten ausgegraben, „sondern über eine schräge Rampe“, erzählt Pfeifer. Das habe den Abtransport des Schutts aus dem circa neun Meter unter der Erde gelegenen Tunnel vereinfacht. Von da aus ging es dann horizontal weiter.

Runter geht's in den Besuchertunnel.
Runter geht's in den Besuchertunnel.

© Fabian Sommer/dpa

Während der neunwöchigen Arbeiten verließen die Fluchthelfer den Tunnel, der die Brunnenstraße auf der Ostseite mit der Bernauer Straße auf der Westseite verbinden sollte, nicht ein einziges Mal. Denn der Bau des Fluchttunnels barg für alle Beteiligten großes Risiko.

Der Fluchttunnel, den Herschel und Pfeifer 1970 und 71 gruben.
Der Fluchttunnel, den Herschel und Pfeifer 1970 und 71 gruben.

© Tobias Schwarz/AFP

„Menschen haben unter steter Gefährdung ihres eigenen Lebens diesen Tunnel gegraben“, sagt Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer. Doch mit jedem Tunnel habe man dem diktatorischen SED-Regime eine Niederlage beigebracht. Allein in der unmittelbaren Umgebung der Brauerei untertunnelten Fluchthelfer die Grenzsperranalagen auf einer Strecke von 350 Metern siebenmal.

Ein Karte des Gebiets zeigt den Verlauf des Fluchttunnels.
Ein Karte des Gebiets zeigt den Verlauf des Fluchttunnels.

© AFP/Tobias Schwarz

Den zu besichtigenden Fluchttunnel allerdings stellten die Helfer um Herschel und Pfeifer nie fertig, denn im Februar 1971 enttarnte die Staatssicherheit die Grabungen. Pfeifer liefert bei der Führung zwei mögliche Begründungen.

Einerseits gebe es Behauptungen, dass die Grenzkontrollen in der Gegend zwischen Brunnenstraße und Bernauer Straße Mikrofone installiert hatten und die Aktivitäten abhören konnten. Anderseits vermuten einige Verrat. Das wird fast 50 Jahre später wohl nicht mehr aufgeklärt werden können. Besichtigen kann man den Fluchttunnel jedoch fortan regelmäßig.

Elias Fischer

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