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Berlin: Beten und Treten

Der Weg ist das Ziel: Eine Gruppe von Pilgern ist auf dem Weg zum Kirchentag – und geht von Magdeburg aus zu Fuß

Der Weg ist 150 Kilometer lang, aber die Reise führt nach innen. Peter Molle geht von Magdeburg zu Fuß nach Berlin – als Pilger. Er geht gemeinsam mit 20 anderen zum Kirchentag. Molle leitet eigentlich ein Altenheim in Ketzin im Havelland. Eine schöne Aufgabe, sagt der 36-Jährige, aber auch anstrengend. Er muss viele Gespräche führen, immer ein offenes Ohr haben. Vor dem Kirchentag gönnt er sich eine Auszeit. „Die Schnelligkeit des Lebens verlangsamen“, nennt er das. Oder: „Die Quellen neu auffüllen.“

Die anderen in seiner Gruppe haben bereits erste Blasen, als sie am späten Samstagnachmittag am Möserschen See kurz vor Brandenburg/ Havel ankommen. Einigen hat die Sonne Nacken und Halsausschnitt tiefrot verbrannt. Molle aber, grünes T-Shirt, Jeans, Gesundheitslatschen, fühlt sich fit. Von den anderen klagt niemand und niemand meckert.

Am Montag schon hat sich die Gruppe in Magdeburg getroffen, um gemeinsam zu beten, am Donnerstag brachen sie auf, vor sich 150 Kilometer Fußmarsch, den Kirchentag und ein Treffen mit polnischen Pilgern, die ihnen aus dem rund 350 Kilometer entfernten Gnesen entgegenkommen.

Am Ufer des Sees machen sie eine kurze Pause, um ihre müden Füße zu kneten und drückende Schuhe auszuziehen. Sicherlich, die Tour sei anstrengend, sagt Superintendent Arndt Farack, der die Pilger begleitet. „Aber ich spüre auch, wie viel Kraft in mir steckt.“ Gemeinsam mit anderen hat der Oranienburger Geistliche den Pilgerweg organisiert. „Pilgern – Beten mit den Füßen“, warb der Kirchentag auf seiner Internetseite. Farack geht es um die innere Einkehr während des Wanderns, aber auch darum, den alten Pilgerweg noch einmal zu gehen.

Vor rund 1000 Jahren nahm der deutsche König und Kaiser Otto III. diesen Weg, um einen polnischen Fürsten zu treffen. „Otto III. hat an ein vereintes Europa in Freundschaft und Frieden geglaubt“, sagt Farack. Die deutschen und die polnischen Pilger, die sich auf dem Kirchentag treffen, wollen auch „eine Brücke zwischen den Konfessionen, zwischen den Menschen in Ost und West bauen.“

Nach einer halben Stunde Rast brechen Molle, Farack und die anderen wieder auf. Am Ufer des Sees wählen sie einen schmalen Weg zwischen dem Wasser und einer Eisenbahnböschung. Es duftet nach blühenden Eschen und nach Wiesenschaumkraut, am Wegrand kringelt sich eine Blindschleiche. Die Pilger plaudern leise. Drei Tage Fußmarsch und die gemeinsamen Andachten in den Kirchen auf ihrem Weg haben das kleine Grüppchen zusammengeschweißt. „Die Gemeinschaft mit den anderen Brüdern und Schwestern ist wunderbar“, sagt Dietrich Holtz. Der Rentner aus Belzig hat sich das erste Mal einer Pilgergruppe angeschlossen.

Ein bayerisches Paar, das hinter ihm läuft, hat dagegen schon an mehreren Wallfahrten teilgenommen. Beides, sagen sie, sei jedoch nicht miteinander vergleichbar. Auf Wallfahrten suchen Hunderte nach der Begegnung mit dem Heiligen. „In dieser kleinen Gruppe ist das Erleben viel intensiver.“

Am frühen Abend kommt die Gruppe am Ufer des Breitlingsees an. Zwei Stunden später, als sie eigentlich geplant haben. Ein kleiner Bus wartet bereits, um die, die ein wenig fußlahm sind, zur Brandenburger Nicolai-Kirche zu fahren. Das ist eigentlich nicht erlaubt. Die Pilgerregeln verbieten Genüsse wie Süßigkeiten oder Alkolhol und streng genommen auch Abkürzungen mit dem Bus. Aber Farack drückt ein Auge zu. „Wo wir sind, ist Gott mit uns.“

Frauke Herweg

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