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Warten, warten, warten. Alltag für Flüchtlinge.

© dpa

Betreuung von Flüchtlingen: Sozialämter befürchten Überlastung

Eines wissen die Sozialämter der Bezirke schon jetzt: Sie brauchen sehr schnell sehr viel mehr Personal. Arbeitet das Bundesamt für Migration schneller, stehen die Flüchtlinge in den Bezirksämtern Schlange.

Gernot Klemm hat einen Wunsch. Er will ihn nur nicht laut sagen, der Wunsch klingt ein bisschen ungewöhnlich. „Ich hoffe im Stillen“, sagt der Bezirksstadtrat von Treptow-Köpenick (Linke), zuständig für Soziales, „dass das BAMF nicht plötzlich schneller arbeitet als bisher.“ Denn wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Asylanträge schneller bearbeitet und damit schneller Flüchtlinge in den Zuständigkeitsbereich der Sozialämter in Treptow-Köpenick fallen, „haben wir eine Situation wie in der Turmstraße“. Klemm würde dann, wie er sagt, innerhalb weniger Wochen 16 neue Mitarbeiter benötigen.

Turmstraße – der Name ist zum Symbol für Warteschlangen vor dem Lageso, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, geworden. Doch auch wenn das BAMF wie bisher arbeitet, die Flüchtlinge, deren Aufenthaltsstatus geklärt ist, kommen ja trotzdem in die Bezirke. Und die Sozialämter werden sie unterbringen, Sozialhilfe auszahlen und für psychosoziale Betreuung sorgen müssen. Ohne mehr Personal? Keine Chance, sagen die zuständigen Bezirksstadträte. Steglitz-Zehlendorf geht von einem Bedarf von 20 neuen Mitarbeitern aus, Treptow-Köpenick von 16 bis 20, Tempelhof-Schöneberg von mindestens zwölf, Neukölln ebenfalls von 20, Mitte meldet zehn neue Stellen an.

Neue Stellen wird es geben. Nach einem bestimmten Schlüssel, abhängig von der Zahl der Menschen in Not- und Gemeinschaftsunterkünften, seien bereits neue Mitarbeiter bewilligt, sagt Klemm. Sieben neue hat er sicher. Aber in kurzer Zeit, sagt er, würden weitere fünf Stellen nötig. Bezahlt werden sie vom Senat.

Der beschloss vor Kurzem für den Themenkomplex Flüchtlinge im Rahmen des Programms „Wachsende Stadt“ einen Sofortbedarf. Umfang: 120 Stellen. „Je nachdem, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln, soll der personelle Mehr- oder Minderbedarf in den Bezirken angepasst werden“, sagt Sibyll Klotz (Grüne), Sozialstadträtin von Tempelhof-Schöneberg. Sie hat zwölf Stellen aus eben jenem Programm beantragt. „Aber die jetzt bewilligten Stellen sind für Bereiche gedacht, die bereits mit Mehrarbeit belastet sind.“ Zukünftige Belastungen seien noch nicht berücksichtigt worden.

Der Bezirk Mitte wird erst einmal zehn zusätzliche Stellen bekommen. „Doch neun davon“, sagt Sozial-Bezirksstadtrat von Dassel (Grüne), „müssen zwischen Sozialem, Jugend, Gesundheit, Schule und Weiterbildung aufgeteilt werden.“ Er gibt offen zu, er habe „Angst“ vor Szenen wie vor dem Lageso. „Deshalb bemühe ich mich wie ein Wahnsinniger, geeignete Unterkünfte zu akquirieren.“

Wohnungen – auch für Sibyll Klotz sind sie ein Kernpunkt. Das Hauptproblem sei, dass es weder ausreichend Unterkünfte für Wohnungslose noch Wohnungen gebe, deren Miete innerhalb der vorgesehenen Grenzen liegt. Auch Bernd Szczepanski (Grüne), Sozialstadtrat von Neukölln, sucht dringend Unterkünfte. „Wir haben ein Heim für Familien, aber das ist bis unters Dach voll.“

Noch ein Problem: Ein neuer Mitarbeiter kann nicht sofort loslegen. Je nach Erfahrung und Aufgabengebiet, sagt Klotz, sei eine Schulung zwischen einer Woche und mindestens sechs Monaten nötig. „Schwerstes Hindernis für eine schnelle Besetzung ist das langwierige Verfahren bei Personaleinstellungen.“ Dauer: bis zu neun Monate. Marlies Herzig-Pairan, Leiterin des Sozialamts in Steglitz-Zehlendorf, geht von drei bis sechs Monaten Schulung aus.

Gernot Klemm, der Bezirksstadtrat aus Treptow-Köpenick, macht gleich Nägel mit Köpfen. „Ich schreibe schon jetzt ganz rabiat aus.“ Auch wenn nicht jede Stelle schon genehmigt ist. Er sucht Mitarbeiter, ohne die genaue Zahl zu benennen, zum Beispiel Sozialarbeiter. „Wer qualifiziert ist, wird eingestellt. Ich will den sehen, der mir da in den Arm fällt.“

Angesichts der Flüchtlingsströme bereitet Steglitz-Zehlendorf „organisatorisch verschiedene Szenarien vor“. Details nennt Sozialamtsleiterin Herzig-Pairan allerdings nicht. Sibyll Klotz wird für den Bereich Tempelhof-Schöneberg schon konkreter. Für das Personal werden Notfallpläne erarbeitet, Dolmetscherdienste und Wachschutz werden verstärkt, ein neues System für das Management von Terminen wird eingeführt.

Was aber passiert mit Flüchtlingen, die nicht rechtzeitig einen Termin bekommen, weil das Amt überlastet ist? In den Bezirken mag man sich das nicht vorstellen. „Schlimmstenfalls haben die Menschen dann weder eine Unterkunft noch Leistungen zum Leben“, sagt von Dassel. Natürlich gäbe es die Möglichkeit, dass das Lageso Daten vorab mitteilt, sodass sich Sozialämter auf die Flüchtlinge vorbereiten oder sogar den Fall schon aufnehmen können. Das sei alles vereinbart, sagt von Dassel. Es gibt nur ein kleines Problem. „Es hat bisher nicht geklappt.“

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