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Berlin: Betroffen sind 300 Grundschulen - Kritiker sehen Förderung und Integration in Gefahr

Die Behindertenintegration an Berlins Grundschulen wird schwieriger: Vom kommenden Schuljahr an stehen pro Kind weniger Lehrerstunden zur Verfügung. Dies teilte Landesschulrat Hansjürgen Pokall auf Anfrage mit.

Die Behindertenintegration an Berlins Grundschulen wird schwieriger: Vom kommenden Schuljahr an stehen pro Kind weniger Lehrerstunden zur Verfügung. Dies teilte Landesschulrat Hansjürgen Pokall auf Anfrage mit. Betroffen seien alle 300 Grundschulen, die sich um die gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder bemühen. Begründet wird der Einschnitt mit der angespannten Finanzlage der Stadt. Die Schulen werden bis zu drei Lehrerstellen verlieren.

Bisher stehen jedem behinderten Kind individuell vier zusätzliche Lehrerstunden zu. Zusätzlich gibt es noch 1,5 Stunden, die der Schulleiter pauschal pro Kind zur Verfügung hat, um etwa Teilungsunterricht zu ermöglichen. Von diesen 1,5 Stunden soll eine gestrichen werden, womit rund 50 Lehrerstellen aus der Integration in den Grundschulen abgezogen würden. So ist es in den Organisationsrichtlinien für das kommende Schuljahr vorgesehen.

Inzwischen regt sich erster Widerstand. "Unsere Förderkonzepte brechen zusammen", prognostiziert Elke Hübner von der Fläming-Grundschule, die vor 25 Jahren deutschlandweit Wegbereiter bei der schulischen Behindertenintegration war. Diese Förderkonzepte seien in jahrelanger Arbeit auf die Kinder mit ihren unterschiedlichen Behinderungen zugeschnitten worden. Die jetzt geplante Stundenzuweisung bewege sich "unterhalb der Grenze, bei der man Integration machen kann". Deshalb sei jede Schule "schlecht beraten", die jetzt noch Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufnehme, urteilt Schulleiterin Elke Hübner.

Der Landesschulrat hält dies für Schwarzmalerei: "Keine Schule wird stranguliert", sagt er. Auch mit den verbleibenden Stunden lasse sich manches erreichen. Im übrigen sei seit langem klar, dass der Geldtopf für Integration aufgrund der Finanznöte gedeckelt sei. Mit den vorhandenen 1160 Lehrerstellen müssten nun einmal alle Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zwischen der 1. und 10. Klasse versorgt werden. Einige Mittel würden an die Oberschulen umgeschichtet, wo der Bedarf steige. Für die Grundschulen ist dies ein schwacher Trost. "Resignativ" sei die Stimmung unter den Schulleitern, berichtete Manfred Bardutzky von der Schöneberger Grundschule am Barbarossaplatz nach einem Treffen, auf dem der Landesschulrat die Pläne vorgestellt hatte.

Hans Ferenz, Elternvertreter der Barbarossa-Grundschule und Vater eines nichtbehinderten Kindes, weist darauf hin, dass die Streichungen es schwerer macht, behinderte und nichtbehinderte Kinder einander näherzubringen. Als Beispiel nennt er den gemeinsamen Besuch einer Blindenwerkstatt oder die Möglichkeit, zu einem behinderten Kind nach Hause zu gehen. Dort könnten die gesunden Kinder etwa sehen, "dass das behinderte Kind genauso wohnt, wie sie selbst". Berührungsängste würden so noch weiter abgebaut. Solche Besuche seien aber nur in kleineren Gruppen möglich, was eben Lehrerstunden koste.

An einigen Schulen wie der Kreuzberger Charlotte-Salomon-Grundschule formiert sich inzwischen Protest von Lehrern und Eltern. Hier stehen 50 Lehrerstunden auf dem Spiel. Offen wollen sie ihren Unmut erstmals kundtun, wenn Staatssekretär Thomas Härtel (SPD) am 26. Mai zur Fläming-Schule kommt, um ihr zum 25-jährigen Integrationsjubiläum zu gratulieren.

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