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Der Ort an dem vor einem Jahr der tödliche Aufprall geschah. Die Polizeipräsidentin verspricht Aufklärung.

© Maurizio Gambarini/dpa

Betrunkener Polizist am Steuer: Was über den tödlichen Unfall in Berlin bekannt ist

Ein Polizist verursacht einen Unfall, eine 21-Jährige stirbt. Und erst jetzt kommt raus: Der Beamte soll 1,0 Promille im Blut gehabt haben. Eine Spurensuche.

Das Unglück geschah vor gut einem Jahr – und wird immer dramatischer. Damals prallte ein Polizeiauto mit mindestens 90 km/h auf den Wagen einer 21 Jahre alten Frau. Sie stirbt noch um Unfallort. Ihr Name: Fabien Martini. Der Unglücksort: hinterm Roten Rathaus. Jetzt kam heraus: Der Polizist, der den Unfall verursacht hat, hatte 1,0 Promille im Blut. Eine Spurensuche.

DIE ERSTE REAKTION

Am Morgen wurde die Nachricht durch die „Morgenpost“ publik – kurz danach meldete sich die Chefin zu Wort. „Der Unfall war entsetzlich, an Schwere kaum zu übertreffen. Auch wenn Fragen nach Schuld und Verantwortung erst nach Ende der Ermittlungen durch ein Gericht geklärt werden können, erschüttert der bloße Verdacht“, schrieb die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Sie soll erst am Mittwoch von den Erkenntnissen erfahren haben. Und weiter: „Ich sichere der Familie zu, dass ich mit vollem Nachdruck und rückhaltlos alles zur Aufklärung Erforderliche beitragen werden.“

DER FALL

Der Polizist, um den es geht, war auf einer Wache in Mitte im Dienst, als der Alarmruf wegen eines Raubes eintraf. Es war ein Montag zur Mittagszeit, 13.22 Uhr, ein trocken-kalter Januartag. Mit Blaulicht fuhr er mit seinem Kollegen zum Einsatzort – es war auch noch ein Fehlalarm. Kurz hinter dem Grunertunnel, an den Parkplätzen am Mittelstreifen, geschah das Unglück. Gegen den Polizisten laufen seitdem Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung. Nun könnte ein weiterer Vorwurf, die Gefährdung des Straßenverkehrs, hinzukommen. Alleine dieser Strafbestand könnte mit fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.

DIE ALKOHOLKONTROLLE

Bei schweren Unfällen wie diesem kommt standardmäßig der Verkehrsunfalldienst. Ist die Polizei bei dem Unfall beteiligt, kommt ein Mitarbeiter des Verkehrsunfalldienstes aus einer weiter entfernten Dienststelle, um möglichst ausschließen zu können, dass sich die Polizisten vor Ort persönlich kennen. Und eigentlich wäre es üblich, dass Mitarbeiter dieses Dienstes vor Ort auch einen Alkoholtest bei den Unfallteilnehmern durchführen, sagen Polizisten. Dass das bei dem tödlichen Unfall nicht passierte, liegt daran, dass der Polizist, als der Verkehrsunfalldienst eintraf, bereits im Rettungswagen lag und auf dem Weg in die Klinik war. Im Krankenhaus wurde der Blutalkohol-Gehalt festgestellt. Doch dort gilt die ärztliche Schweigepflicht.

DIE ERMITTLUNGEN

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung sollen bereits im Herbst kurz vor dem Abschluss gestanden haben, als über einen Nebenkläger ein anonymer Hinweis zu den Unfallumständen und dem Umgang damit zur Staatsanwaltschaft drang. Der Vorwurf der Quelle richtete sich gegen „unbekannte Verantwortliche der Charité“, die beschuldigt wurden, „Untersuchungsergebnisse des Beschuldigten nicht zu den Akten genommen“ zu haben, „um dadurch seine Alkoholisierung zu vertuschen und zu verhindern, dass er diesbezüglich bestraft wird“. Das teilte die Pressesprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, Silke Becker, dem Tagesspiegel am Mittwoch mit. Der Vorwurf: Hier wurde gemauschelt.

Patientenakten dürfen allerdings nach Paragraph 97 Strafprozessordnung nicht beschlagnahmt werden – sie unterliegen dem ärztlichen Berufsgeheimnis. Das Beschlagnahmeverbot gilt jedoch nicht, wenn, wie in § 97, Absatz 2, Satz 2 geregelt, „Tatsachen den Verdacht begründen“, dass in diesem Fall „Verantwortliche der Charité“, an Strafvereitelung beteiligt sind. Aber: Als die Patientenakte in der vergangenen Woche mit richterlichem Beschluss beschlagnahmt wurde, erwiesen sich die Vorwürfe gegen die Charité als haltlos.

Auch die Charité teilte mit: „Die medizinische Vorgehensweise wurde von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten in der Patientenakte lückenlos und vorschriftsgemäß dokumentiert.“ Zwar wurden die Unterlagen zulässig beschlagnahmt und die Ermittler gewannen zulässige Erkenntnisse. Doch wenn sich der Grund der Beschlagnahmung im Nachhinein als nichtig erweist, wird ein Richter prüfen müssen, ob die Tatsache, dass der Polizist Alkohol im Blut hatte, überhaupt vor Gericht verwertet werden können wird.

ALKOHOL IM DIENST

Es ist ein Extremfall. Und doch ist es ein offenes Geheimnis, dass gerade in Berufen mit hoher Stressbelastung, auch in sozialen Berufen, Alkoholkonsum verbreitet ist. Und dass Alkoholmissbrauch auch unter Polizeibeamten ein verbreitetes Problem ist, sei bekannt, heißt es in Polizeikreisen. Gerät ein Polizist in den Verdacht, betrunken den Dienst anzutreten oder während der Arbeit zu trinken, müsste er eigentlich zur Polizeilichen Sozialbetreuung gebracht und gemeldet werden. Es gebe aber auch Dienstleiter, die den Betroffenen dann einfach von Kollegen nach Hause fahren lassen – er tritt dann den Dienst wegen Krankheit ab.

Dass ein Dienstleiter einen Kollegen wissentlich betrunken im Dienst lasse – in dem auch in der Lage sein muss, seine Pistole zu benutzen – kann man sich in Polizeikreisen nicht vorstellen. Es saß außerdem ein zweiter Polizist im Auto, auf dem Beifahrersitz. Wie kam es also zu den 1,0 Promille Blutalkohol? Hat er nach dem Unfall getrunken, im Krankenhaus? Oder vorher auf der Wache?

Fakt ist, dass der verletzte Polizist mit dem Rettungswagen in die Charité gefahren wurde und ihm dort aus medizinischen Gründen Blut abgenommen wurde. Sofern sich keine weiteren belastbaren Tatsachen zum Zeitpunkt des Konsums finden lassen, wird die Blutprobe vor Gericht kaum Gültigkeit haben: Weil der Alkoholpegel in den ersten zwei Stunden nach Konsum noch stetig steigt und erst danach immer weiter abfällt, muss – um den Zeitpunkt des Konsums festzustellen – zwei Mal, mit einem Abstand von mindestens einer halben Stunde, Blut abgenommen werden. Dem Polizisten wurde aber nur ein Mal Blut entnommen. Der Polizist, der den tödlichen Unfall verursacht hat, soll sich übrigens vor einigen Monaten freiwillig in behördliche Betreuung begeben haben. Er ist derzeit nicht im Dienst.

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