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Eine Bettlerin streckt ihre Hand aus. (Symbolbild)

© Arne Dedert/dpa

Betteln in Berlin: Einsfünfzig für ein neues Leben

Sie ist vielleicht Mitte zwanzig, tritt leise heran und fragt nach etwas Geld, die Jacke trotz Kälte offen. Eine kleine Begegnung in der großen Stadt Berlin.

Nur ein Wispern in der Kälte. „Wenn ich dir verspreche, dass du dadurch nicht arm wirst, würdest du mir dann etwas Geld geben?“ Die Stimme tritt von hinten links an mich heran, während ich langsam über den Gehweg stapfe, die Hände in den Taschen der Winterjacke.

Ich drehe mich um, sie schaut mich mit großen Augen an. Die Lippen gepierct, die Jacke offen, darunter ein St.-Pauli-Pulli. Sie ist vielleicht Mitte zwanzig. Ich weiß nicht, ob ich noch Kleingeld habe, sage ich, zücke mein Portemonnaie. Gerade noch einsfünfzig, die ich in ihre Hand fallen lassen kann.

Hast du eine Bleibe für heute Nacht? „Ja, also – wenn ich genug Geld zusammenbekomme.“ Du kennst die Notunterkünfte? „Ist immer etwas eklig.“ Du weißt, wie du den Kältebus erreichst? „Ja.“ Alles Gute, sage ich und gehe weiter. Sie versucht ihr Glück in der anderen Richtung.

Wenn sie genug Geld bekommt ... Ich kehre um, gehe ihr nach, sie ist nicht mehr zu sehen, hat es schon weit gebracht, an der Ampel treffe ich sie wieder. Entschuldigung, darf ich dich was fragen? Was heißt das, wenn du genug Geld ...? Sie schaut nach unten. „Entschuldige, ich habe dich angelogen. Ich habe eine Wohnung, aber ich brauche noch Kohle.“

Dann erzählt sie, dass sie vier Jahre obdachlos war, mit Unterbrechung, inzwischen aber im Betreuten Wohnen untergekommen ist, mit Hilfeplan. Jetzt ist das Jobcenter für sie zuständig. Seit zwei Monaten wartet sie schon darauf, dass ihr Antrag bearbeitet wird, damit sie Geld kriegt. Sagt sie.

Methadon? „Teufelszeug“

Was ist mit den Notunterkünften? „Es fängt schon damit an, dass man früh da sein muss, um überhaupt einen Platz zu bekommen. Wer einen Hund hat, darf gar nicht erst rein, und für Pärchen gibt es auch nichts. Manche sammeln für ein Bett im Hostel, da sind die Zimmer kleiner.“ Warst du früher auf Droge? „Bin ich immer noch. Deshalb brauche ich auch das Geld.“ Methadon? „Nein! So ein Teufelszeug!“ Sie macht einen Schritt zur Seite. „Ich muss unbedingt noch was verdienen.“ 60 Euro für die Tagesdosis, das reiche für sie und ihren Freund, manchmal auch 50.

Sie wendet sich ab, zieht weiter. Es ist nicht so leicht, vom einen Leben ins andere zu wechseln.

Zwischen Anfang November und Ende März fährt der Kältebus der Stadtmission jede Nacht zwischen 21 und 3 Uhr durch Berlin, um Obdachlose zu betreuen. Er ist unter der Nummer 0178/5235838 zu erreichen. Wer helfen möchte, sollte vorher aber auch diese Hinweise beachten.

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