zum Hauptinhalt
SPD-Landeschef Jan Stöß, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und SPD-Fraktionschef Raed Saleh bei einer Pressekonferenz im Abgeordnetenhaus in Berlin. Momentan verbergen die Nachfolgekandidaten ihre Rivalität noch gut.

© dpa

Bewegung in der Berliner SPD: Suche nach Wowereits Nachfolge

In der SPD hat das Kräftespiel um Wowereits Nachfolge begonnen. Landeschef Jan Stöß und Fraktionschef Raed Saleh sind momentan klare Favoriten. Aber können sie mit dem angeschlagenen Regierenden Bürgermeister überhaupt einen geordneten Übergang hinkriegen?

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Um seinen Job als SPD-Landeschef muss sich Jan Stöß auf absehbare Zeit keine Gedanken machen. Er wird die Berliner Sozialdemokraten, so sieht es derzeit aus, mindestens bis zur Abgeordnetenhauswahl 2016 führen. Zwar werden in der SPD in diesen Wochen neue Mehrheiten geschmiedet, die sind aber nicht gegen Stöß gerichtet. Das ist für ihn wichtig, denn es gibt noch einen spannenderen Job, für den er innerparteiliche Unterstützung braucht. Spätestens 2015, vielleicht auch viel eher, wird der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit für einen Nachfolger Platz machen.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh wie auch Stöß gelten momentan als aussichtsreichste Bewerber für die Nachfolge. Beide SPD-Linke verbindet eine zweckgebundene Parteifreundschaft, die aber zunehmend in eine – noch gut verdeckte – Rivalität übergeht. Beide versuchen, öffentlich und parteiintern Punkte zu sammeln. Zuletzt Stöß mit einem beachteten Vorschlag für die Neugestaltung der historischen Stadtmitte. Kurz davor hatte Saleh gemeinsam mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ein Konzept für die Förderung von Brennpunktschulen vorgestellt. So geht es seit Monaten hin und her. Wer von beiden Wowereit beerben wird, gilt als völlig offen.

Fast noch spannender ist die Frage, ob Stöß und Saleh gemeinsam mit dem angeschlagenen Wowereit überhaupt einen geordneten Übergang hinkriegen, damit sich die SPD nach der Wahl eines neuen Regierungschefs bei laufendem Betrieb rechtzeitig auf die Abgeordnetenhauswahl 2016 vorbereiten kann. Diesen Plan könnte der Koalitionspartner CDU den Sozialdemokraten allerdings verderben. Bei den Christdemokraten wird durchaus überlegt, dem Abgang Wowereits vorzeitige Parlamentswahlen folgen zu lassen. Die Chancen für die Union, in diesem Fall das Rote Rathaus zu erobern, werden von Monat zu Monat besser.

Klar ist bisher nur eins: Wenn Wowereit sich verabschiedet, muss auch der parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum gehen. Das ist in der SPD unstrittig. Den vakanten Posten könnte Stöß, aber auch Arbeitssenatorin Dilek Kolat übernehmen. Kolat werden kaum noch Chancen ausgerechnet, Regierende Bürgermeisterin zu werden – es sei denn, die Besetzung des höchsten Regierungsamts wird SPD-intern mit einer Mitgliederbefragung entschieden. Ansonsten hat Kolat kaum Aussicht, in den zwölf SPD-Kreisverbänden eine Mehrheit zu bekommen. Ihr eigener Bezirksverband Tempelhof-Schöneberg gilt derzeit als gespalten und schon deshalb als wenig verlässlich.

Das könnte auch der Genossin Mechthild Rawert zum Verhängnis werden, die seit acht Jahren für die SPD Tempelhof- Schöneberg im Bundestag sitzt und die Landesgruppe der Berliner Abgeordneten anführt. Wenn die Sozialdemokraten am 25. Mai im Hotel Estrel ihre Landesliste für den Bundestag beschließen, kann sie nicht mit ausreichender Unterstützung rechnen. Auch der Neuköllner Parteirechte Fritz Felgentreu bangt um einen aussichtsreichen Listenplatz. Und selbst die Bundestagsabgeordnete Eva Högl aus Mitte, die den prominenten SPD-Mann Wolfgang Thierse als Spitzenkandidatin des Landesverbands beerben soll, muss sich vielleicht einer Kampfkandidatur um Platz 1 der Liste stellen. Bisher galt die pragmatische Rechte als unangefochten.

Das liegt daran, dass in der Berliner SPD die bunte Mehrheit ins Rutschen kommt, die den ehemaligen Kreischef aus Friedrichshain-Kreuzberg, Jan Stöß, vor einem Jahr zum Landeschef der Sozialdemokraten machte. Es war eine reine Zweckgemeinschaft aus Linken und Rechten, die auf dem SPD-Landesparteitag Ende Mai voraussichtlich aufgekündigt wird – vor Augen des Kanzlerkandidaten und Ehrengastes Peer Steinbrück. Die Kür der Kandidaten wird voraussichtlich anders ausgehen, als viele Genossen bisher dachten. Und manche erhofften.

Der SPD-Chef Stöß erinnert sich bestimmt: Ohne die Unterstützung der Bezirksverbände Mitte und Neukölln wäre er im Juni 2012 nicht zum Landeschef gewählt worden. Stadtentwicklungssenator Michael Müller hätte den Führungsjob wohl behalten. Und so manche Funktionäre aus dem neuen Stöß-Lager hatten sich von ihrer Mithilfe einen guten Platz auf der SPD-Landesliste für den Bundestag erhofft. „Bald ist Zahltag“, hieß es parteiintern. Aber es sieht so aus, als wenn der eine oder die andere bei der Kandidatenkür Ende Mai leer ausgehen wird. Nicht nur Rawert oder Felgentreu.

Für den SPD-Landeschef wäre das eine kleine Niederlage, auch wenn er stets behauptete, dass er niemandem irgendwelche Mandate oder Posten versprochen habe. Auch die ehemalige Finanzstaatssekretärin Iris Spranger steht nun auf der Verliererseite. Die SPD-Frau aus Marzahn-Hellersdorf, moderate Parteirechte, hatte den Spitzengenossen Stöß im vergangenen Jahr ebenfalls tatkräftig unterstützt. Sie verzichtet jetzt, mangels Aussicht auf Erfolg, freiwillig auf eine Bundestagskandidatur. Ihr Bezirksverband ist zu klein, um beim Geschacher um die Mandate Mehrheiten aushandeln zu können.

Stattdessen drängen die großen SPD-Verbände aus dem Westen – Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf – wieder nach vorn und wollen ihre Bewerberinnen Ülker Radziwill und Ute Finckh-Krämer auf den Plätzen 3 und 5 unterbringen. Beide Kreisverbände hatten bei der SPD-Vorstandswahl 2012 den Verlierer Müller unterstützt, jetzt wollen sie wieder mitmischen. Das wird der neue SPD-Landeschef Stöß, die eigene Zukunft bedenkend, einkalkulieren müssen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false