zum Hauptinhalt
Spielplatz Westend. Im Olympiapark könnten Wettkämpfe stattfinden, vor allem natürlich im Olympiastadion. Das Foto stammt von der Eröffnungsfeier im Juli 2004 nach dem jahrelangen Umbau.

© Mike Wolff

Bewerbung um Olympia in Berlin: Die Gedankenspiele sind hiermit eröffnet

Berlin will sich um Olympia bewerben. Bis 31. August muss die Stadt dem Deutschen Olympischen Sportbund Fakten liefern. Bis dahin fragen wir Befürworter und Kritiker. Hier äußern sich Klaus Böger, Präsident des Landessportbundes und Judith Demba, Gegnerin einer Berliner Bewerbung.

Olympische Spiele sind ein Weltereignis, das Milliarden Menschen erreicht, bewegt, begeistert. Das Völker und Kulturen im friedlichen Wettstreit zusammenführt und in einem unvergleichlichen Projekt vereint. Angesichts der Emotionen und Erfahrungen bei den Sommerspielen in London hat am Tag nach der Schlussfeier eine deutsche Tageszeitung mit der Schlagzeile aufgemacht: „Holt die Spiele nach Deutschland.“

Wir haben einen attraktiven Namen in der Welt. Wir sind ein Schaufenster Deutschlands und tragen als Hauptstadt Mitverantwortung für das Erscheinungsbild und den Erfolg des ganzen Landes. Wer also, wenn nicht auch wir als anerkannte Sportmetropole, sollte eine solche Bewerbung anstreben?

Es gibt viele gute Gründe: Bilder gehen mit einem unbezahlbaren Kommunikationseffekt um die Welt, werben Touristen, Investoren, Veranstaltungen an. Olympia stärkt den Wirtschaftsstandort und schafft Arbeitsplätze. Die Paralympics bringen enorme Fortschritte in Richtung barrierefreie und behindertengerechte Stadt. Das olympische Dorf schafft tausende bezahlbare Wohnungen, die in der wachsenden Stadt dringend gebraucht werden. Die Herausforderung der Spiele setzt politisch und gesellschaftlich Energien und kreative Kräfte frei, die ansonsten in den Mühen des Alltags oftmals brach liegen. Die Stadtgesellschaft zeigt, was sie kann und wird ein großartiger Gastgeber sein. Wir können das.

Olympische Spiele sind immer auch Kraftquelle zur Verbesserung der Lebensbedingungen, wenn man es gut macht.Ich nehme die kritischen Einwände und sorgenvollen Bedenken in der öffentlichen Debatte wahr und ich nehme sie ernst. Im Mittelpunkt stehen Fragen nach den Kosten sowie nach der problematischen Rolle des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Ja, es muss sich einiges ändern beim IOC. Notwendige Reformen sind mit der Agenda 2020 aber bereits eingeleitet. Es ist erkannt, dass mehr Transparenz und Nachhaltigkeit nötig sind. Die Chancen für einen Wandel im IOC sind da.

Klaus Böger war von 1999 bis 2006 Sport- und Schulsenator (SPD).Seit 2009 ist der 69-Jährige Chef des Landessportbundes mit 600 000 Mitgliedern in Berlin.
Klaus Böger war von 1999 bis 2006 Sport- und Schulsenator (SPD).Seit 2009 ist der 69-Jährige Chef des Landessportbundes mit 600 000 Mitgliedern in Berlin.

© Promo/LSB/Engler

Berlin will Modell für sozialverträgliche und nachhaltige Spiele sein. Die Bürger sollen profitieren. Zahlreiche Trainings- und Wettkampfstätten sind vorhanden, Hotelkapazitäten ohnehin. Ein Olympiastadion müssen wir nicht bauen. Temporäre Anlagen werden Lücken schließen und natürlich ist es sinnvoll, unsere Nachbarn in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen einzubeziehen.

Mit Olympischen Spielen sind nicht nur Ausgaben, sondern auch erhebliche Einnahmen verbunden. Durch IOC-Zuwendungen, Sponsoren, Fernseh- und Eintrittsgelder werden aktuell rund zwei Milliarden Euro generiert, die überwiegend in den lokalen Wirtschaftskreislauf und Arbeitsmarkt gehen. Kritiker mögen bitte Beispiele nennen, mit welcher anderen Veranstaltung eine Stadt solche Einnahmen und Vorteile erzielen kann.

Bei den Investitionen in die Infrastruktur entstehen die wirklichen Kosten. Es sind jedoch Investitionen in die Zukunft und Lebensqualität der Stadt. Im Dialog mit den Bürgern muss Berlin entscheiden, was es sich leisten muss, kann und will. Bitte nicht vergessen, es wird hier über generationsübergreifende Planungs- und Realisierungszeiträume von 10 bis hin zu 18 Jahren gesprochen, wenn es mit einem Zuschlag für die Spiele für 2024, 2028 oder 2032 klappen soll. In diesem Rahmen ist auch über ein Investitionsprogramm für den Breiten-, Gesundheits- und Jugendsport nachzudenken. Denn die Olympischen Spiele sind nicht vorstellbar bei gleichzeitigem Mangel oder Verfall von Sportgelegenheiten und Bewegungsräumen für breite Bevölkerungskreise.

Wir haben mehrfach gezeigt, dass wir so etwas können und sollten mehr als zuversichtlich sein. Packen wir es an.

Klaus Böger, Präsident des Landessportbundes Berlin

Und was sagt die Gegenseite? Hier lesen Sie die Position von NOlympia

Der kollektive Größenwahn - so titelte der "Spiegel" 1993 einen Bericht über die Berliner Olympiabewerbung. Aktuell wirkt die Idee, das Ganze neu aufzulegen, wie eine Flucht nach vorn. Und wie ein Wunsch Klaus Wowereits, wenigstens ein erfolgreiches Großprojekt in seiner Amtszeit vorweisen zu können. Zu verstehen ist es nicht. Es ist jetzt 21 Jahre her, dass der Versuch des Diepgen-Senats gescheitert ist. Der Widerstand in der Stadt und eine Serie von Skandalen, Pannen und Pleiten ließen die Olympiaträume platzen.Die Situation ist heute ähnlich oder vielleicht sogar noch bedenklicher, eine höhere Verschuldung, zahllose ungelöste Probleme, "Baustellen" wohin man schaut: ICC, ZLB, Flughafen Tegel, U5, Ostkreuz, die Staatsoper, die nicht fertig wird, das Stadtschloss , zusammen knapp drei Milliarden Baukosten (bis jetzt!).

Judith Demba war Mitbegründerin der Grünen Partei in der DDR. Später engagierte sie sich bei den Linken. Bekannt wurde sie in den 90ern durch die "Nolympia"-Kampagne.
Judith Demba war Mitbegründerin der Grünen Partei in der DDR. Später engagierte sie sich bei den Linken. Bekannt wurde sie in den 90ern durch die "Nolympia"-Kampagne.

© Promo

Und nicht zu vergessen die "Lieblingsbaustelle" Berlins, der Flughafen BER.Viel Geld. Geld, das an anderen Stellen fehlt. Was Berlin braucht, ist ein nachhaltiger Infrastrukturausbau, Schulen, Sporthallen, Kindergärten und Freizeiteinrichtungen, sozialer Wohnungsbau und Krankenhäuser. Was Berlin nicht braucht, ist eine Olympiabewerbung. Viele Eltern sind sicher trotz Begeisterung für den Sport zuerst einmal an optimalen Bedingungen in Kitas und Schulen für ihre Kinder interessiert. Nicht nur Schulen und Breitensport sind unterfinanziert, auch bei den Berliner Krankenhäusern gibt es riesigen Investitionsbedarf - allein bei der Charité sind es 600 Millionen Euro.Bescheiden und nachhaltig sollen Bewerbung und Spiele werden. Abgesehen davon, dass Berlin und Bescheidenheit sich gegenseitig ausschließen, liegt das nicht nur in der Hand der Macher. Die vorhandene Sportinfrastruktur wird in zehn Jahren auch sanierungsreif sein und die Hallen müssen den aktuellen Anforderungen der internationalen Sportverbände angepasst werden. Neue Hallen müssen gebaut werden, provisorische Hallen kosten gleich zweimal beim Auf- und Rückbau, da hat sich London auch schon verrechnet.

Der Senat klagt über mangelnde Flächen für den sozialen Wohnungsbau - wo werden denn die neuen Sportstätten entstehen? Tegel und Tempelhof sind im Gespräch. Aber gab es nicht gerade ein erfolgreiches Bürgerbegehren, Tempelhof nicht zu bebauen? Unterbringung der Sportler und Gäste in Kasernen, wie es der BUND vorschlägt, entspricht nicht den IOC-Normen, damit gewinnt man keine Bewerbung. Tegel wird ja vielleicht auch noch als Flughafen gebraucht und das Argument, dass die Bewerbung ein "Motor für die Entwicklung Berlins" sein wird, kennen wir noch vom letzten Versuch. Wir wissen, wie das ausgegangen ist, entwickeln werden sich vor allem die Baupreise und die Mieten.Die Erfahrungen anderer Olympiastädte zeigen, dass Bewerbung, Durchführung und vor allem die entstehenden Folgekosten zum allergrößten Teil zu Lasten der öffentlichen Haushalte gehen. Die eventuell zusätzlichen Steuereinnahmen können das nicht kompensieren. Erfreulich ist, dass die Berlinerinnen und Berliner nach ihrer Meinung gefragt werden sollen. Wenn das ehrlich gemeint ist, braucht es eine Verfassungsänderung, um einen Volksentscheid durchzuführen! Die Beiratsidee der CDU klingt allerdings eher nach Alibi.Auf alle Fälle wird es spannend werden und man kann darauf vertrauen, dass das Bewegung in die Stadt bringt.So oder so.

Judith Demba, Vertreterin der NOlympia-Bewegung von 1993

In den kommenden Tagen lesen Sie weitere Beiträge zu unserer Olympiadebatte.

Klaus Böger, Judith Demba

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false