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Die Fähre zur Schulfarm auf der Insel Scharfenberg im Tegeler See in Berlin-Reinickendorf. Kurzum: herrlich.

© Imago/Jürgen Ritter

Berliner Rätsel: Woher hat die Insel Scharfenberg ihren Namen?

Auf der Insel im Tegeler See befindet sich eine Schule. Die simple Frage: Wie kam es zu "Scharfenberg"? Hier berichten Kenner des Berliner Nordens.

Am Anfang war es eine Notiz in unserem Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Reinickendorf, doch daraus entstand viel mehr - wir bekamen Karten, Briefe, Erinnerungen. Gemeinsam mit Leserinnen und Lesern gingen wir der Frage nach: Woher stammt der Name Insel Scharfenberg?

Im Oktober 1945 erschien im Tagesspiegel eine Notiz, wonach auf der Insel Scharfenberg im Tegeler See eine neue, Reform-orientierte Schule ihren Betrieb aufgenommen habe. Unmittelbar nach dem Ende des Dritten Reiches mit seiner durch Rassenwahn geprägten Schulpolitik sollte hier ein Zeichen gesetzt werden, stellte der Berichterstatter des Tagesspiegels fest. Die Schule gibt es heute noch, mit den gleichen Idealen wie damals – sie haben sich als zeitlos gültig erwiesen. Hier ist die Originalnotiz aus dem Jahre 1945: Tagesspiegel-Foto.

Und hier können Sie auf einer Luftaufnahme sehen, wo die Insel im Tegeler See liegt: Google Maps.

Aber woher hat die Insel eigentlich ihren Namen? In Zeiten von Corona ist die Recherche erschwert. Vielleicht hätte es im Museum in Hermsdorf einen Hinweis oder eine alte Karte gegeben – alleine, das Museum ist geschlossen und der Versuch, per Email den Kontakt aufzunehmen, ging ins Leere. Aber da erinnerte ich mich an den Kunsterzieher und Maler Martin Gietz, der ja über Jahrzehnte Lehrer auf der Insel gewesen war, und fragte ihn. Und tatsächlich, er half weiter.

„Auch wir haben uns vor vielen Jahren gefragt, woher der Name kam. Im Büro des damaligen Schulleiters Helmut Sommer (von 1977 bis 1992 war er im Amt) hing die Kopie einer alten Karte des Tegeler Sees mit seinen Inseln. In dem Bereich, in dem heute die Fähre verkehrt, stand an der Nordspitze der Insel geschrieben ‚Am Scharffen Berg‘. Der Schreibstil der Karte ließ darauf schließen, dass sie aus dem 18. oder 19. Jahrhundert stammte…

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Mit dem Berg ist der so genannte ‚Bolleberg‘ gemeint, so benannt nach dem viele Jahrzehnte auf der Insel tätigen Botaniker Dr. Carl Bolle. Bei dem Berg handelt es sich um eine ca. 12 Meter hohe Düne, die zur Zeit der Entstehung der Karte noch nicht mit Bäumen bewachsen war. Für die auf dem Tegeler See segelnden Fischer war der ‚scharffe Berg‘ vermutlich als Landmarke eine Orientierungshilfe. Hier mussten sie vor der Enge zum Land gegen den Wind kreuzen, noch heute gibt es an dieser Stelle starke Strömungen … Vermutlich gibt es im Landesarchiv oder auch im Reinickendorfer Museum in Hermsdorf noch Kartenmaterial dazu“. Soweit die Erinnerungen von Martin Gietz. Und es meldeten sich noch mehr Leser des Reinickendorf-Newsletters.

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Michael Müller stöberte daraufhin in seinen Karten und schrieb mir dann: „Nach meinen Messtischblättern hat sich die topografische Bezeichnung der Insel zwischen 1835 und 1867 in der Tat von „Der scharfe Berg“ in „Scharfe Berg“ geändert. Die Bezeichnung „Scharfenberg“ taucht dann auf „Kiessling’s Specialkarte“ der Umgegend von Tegel auf, die sich auf 1892 datieren lässt. Im März 2017 hatten Sie mich und meine Sammlung in der Rubrik „Unter Nachbarn“ bereits einmal vorgestellt. Das hatte unter anderem zur Folge, das mit meinen Plänen von Dezember 2019 bis Februar 2020 eine dreiteilige Ausstellungsreihe im Aufbauhaus am Moritzplatz gestaltet werden konnte. Natürlich hat sich die Sammlung seit 2017 erheblich weiterentwickelt und inzwischen ist ein Teil davon auch im Internet präsent – www.berliner-stadtplansammlung.de.“

  • Mein Tipp: Gucken Sie mal hier auf diese Landkarte, die Müller empfiehlt. Tagesspiegel-Link.

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Aber auch Meinhard Schröder, ein anderer exzellenter Kenner des Berliner Nordens, hat mir geschrieben – ihn kennen die Leserinnen und Leser ebenfalls schon: „Zur Geschichte des „scharfen Berges“ gehört vor allem die Sage vom Hexentanzplatz dort, die August Wietholz wiedergibt:

„Im allgemeinen breitet sich über die slavische Götterwelt ein tiefes Dunkel, und keine Gewissheit herrscht darüber, an welchen Orten im Barnim Götter verehrt wurden, obgleich verdächtige Stellen genug vorhanden und genannt sind. Vom ‚Scharfen Berg’ auf der gleichnamigen Insel im Tegelsee besteht die Sage, dass seine geebnete Platte von Hexen platt gemacht wurde, denen der Brocken (im Harz, M. S.) zu weit war. Die Entstehung dieser Platte liegt also in sagenhafter Ferne … Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass diese Platte ebenso wie der sogenannte Hexentanzplatz in Jüterbog von den Wenden hergerichtet und als Opferplatz benutzt wurde.“ (August Wietholz: Die Geschichte des Dorfes und des Schlosses Tegel, Berlin 1922, S. 17 f.)

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Tessendorf und Schülerinnen und Schüler der Franz-Marc-Grundschule haben diese Sage nach dem Krieg weiter ausgeschmückt: „Früher zeichneten die Menschen am letzten Tag im April drei Kreuze an ihre Haus- und Stalltüren, um sich vor den Hexen zu schützen. Außerdem versteckten die Frauen alle Ofengabeln und Besen, die im Freien standen. In der Walpurgisnacht ritten nämlich die Hexen auf Besenstielen durch die Luft zum Brocken oder Blocksberg hin. Sie feierten dort ihr Hexenfest und tanzten die ganze Nacht hindurch. Aber vielen Hexen war der weite Weg dahin zu beschwerlich.

Sie trafen sich lieber auf dem „Scharfen Berg“, auf der Nordspitze der gleichnamigen Insel im Tegeler See. Zur Walpurgisnacht herrschte dann dort ein unheimliches Leben. Wehe den Menschen, die sich während des Hexenfestes auf der Insel aufhielten! Der Gipfel des ‚Scharfen Berges‘ ist bei den vielen Hexenfesten im Laufe der Jahrhunderte schon völlig platt getanzt worden“. (750 Jahre Berlin – Sagen und Bilder aus dem alten Berlin – Eine Ausstellung in der Franz-Marc-Grundschule, Hg.: Franz-Marc-Grundschule, Berlin 1987, S. 52 nach: Wilhelm Tessendorf: Der Bezirk Reinickendorf in Sage und Geschichte, Berlin 1953)“.

Persönliche Anmerkung: Ich habe den Eindruck, die Geschichte und die Geschichten um die Insel Scharfenberg sind damit noch längst nicht auserzählt. Kennen Sie auch welche? Dann nichts wie her damit… den Reinickendorf-Newsletter vom Tagesspiegel gibt es kostenlos und einmal pro Woche unter leute.tagesspiegel.de

Hier einige Themen aus dem aktuellen Reinickendorf-Newsletter vom Tagesspiegel

- Corona: Das ist die Lage in Reinickendorf – Zahl der Intensivpatienten steigt weiter, aber weniger Neuinfektionen im Bezirk

- Nach der Schließung von TXL: Bürgermeister Balzer setzt auf Milliarden-Investition

- Wasserbetriebe sperren ab 30. November die Jean-Jaurés-Straße in Waidmannslust: 90 Jahre alte Trinkwasserleitung wird ausgewechselt

- BVV Reinickendorf tagte erstmals digital – Berliner Premiere und ein Vorbild für Berlin?

- Zum Totensonntag in Reinickendorf: Die tragische Geschichte der fünf Kinder eines Hermsdorfer Lehrers

- Heiligensee: Vertrocknete Buchen werden gefällt

Die Tagesspiegel-Newsletter gibt es für alle 12 Berliner Bezirke und haben mittlerweile schon über 230.000 Abos. Darin informieren wir Sie einmal in der Woche gebündelt und kompakt, was so los ist in Ihrem Kiez. Auch lassen wir in den Newsletter oft Leserinnen und Leser zu Wort kommen, schließlich kennt keiner die Kieze so gut wie die Leute, die dort leben.

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