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Wohnen auf den Rängen. Früher fanden Kongresse, Bälle und Konzerte im Saal 2 des ICC statt. Nun leben im Gebäude rund 500 Flüchtlinge.

© Cay Dobberke

Flüchtlinge in Berlin: So funktioniert das ICC als Notunterkunft

Seit Dezember wohnen im stillgelegten ICC rund 500 Flüchtlinge. Auf der einstigen Bühne im Saal 2 spielen Kinder Fußball – und Konflikte werden kreativ gelöst. Sehen Sie hier Bilder aus dem Gebäude.

Im Internationalen Congress Centrum (ICC) in Charlottenburg entsteht nach der Notunterkunft für Flüchtlinge eventuell auch eine Leistungsstelle des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso), in der Asylbewerber ihr Taschengeld und andere soziale Leistungen wie die Gesundheitskarte erhalten. Beschlossen sei dies aber noch nicht, sagte Amtssprecherin Silvia Kostner auf Nachfrage. Auch der frühere Flughafen Tempelhof sei als Standort im Gespräch. Das Ziel sei natürlich die Entlastung des Lageso in Moabit.

Am Mittwoch gab es die seltene Gelegenheit, das ICC in seiner neuen Nutzung von innen zu sehen: Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop besuchte die seit Dezember bestehende Notunterkunft.

Laut Matthias Nowak vom Malteser Hilfsdienst wohnen in dem vor knapp zwei Jahren geschlossenen Kongresszentrum rund 500 Flüchtlinge, bei denen es sich größtenteils um Familien handelt. Zuvor waren sie in einer Messehalle am Funkturm untergebracht, die wegen der Grünen Woche und anderer Ausstellungen in diesem Jahr aber nicht mehr zur Verfügung stand.

600 Plätze gelten als möglich, für mehr taugt das ICC nicht

Im ICC sei eine Erhöhung auf 600 Plätze möglich, wenn weitere Zimmer im derzeit genutzten Gebäudeteil hergerichtet würden, sagt Nowak. Wohnflächen in weiteren Etagen planen die Malteser dagegen nicht: „Die restlichen Räume im ICC sind ungeeignet.“ Zu den Problemen gehörten die „verschachtelte Architektur“ und die zu geringe Größe vieler Ex-Bürozimmer.

Geplant sind ein Besucherraum und ein Sportplatz im Tiefgeschoss

Es gibt aber Pläne für zusätzliche Nutzungen. So soll der alte Kassenbereich unten zum Besucherraum werden, in dem die Flüchtlinge auch mal Gäste empfangen könnten. Bisher ist dies nicht erlaubt.

Darüber hinaus möchten Nowak und sein Team die unterirdische Zufahrtsebene mit den einstigen Taxiständen zum Spiel- und Sportplatz machen. Da alle Zufahrten inzwischen vergittert sind, wären die Flüchtlingskinder dort sicher. Außerdem gibt es große Öffnungen in der Decke, durch die Tageslicht hineinscheint, während das ICC selbst nur wenige Fenster hat. Bislang spielen Kinder auf der ehemaligen Bühne im Saal 2. Dort wird auch Hallenfußball und demnächst Basketball gespielt, ein privater Unterstützer hat soeben Körbe dafür gespendet.

Die meisten Flüchtlinge leben in dem großen Saal, in dem früher Kongresse, Konzerte und Bälle stattfanden. Trennwände sollen ein Mindestmaß an Privatsphäre gewährleisten. Speziell für Familien mit Kleinkindern im Alter bis zu zwei Jahren wurden Büros in der Direktorenetage umgestaltet, damit die Bewohner mehr Ruhe haben.

Sprachkurse für alle und Ausflüge für die Kinder

40 Mitarbeiter wurden angestellt. Pro Schicht sind mindestens sechs bis acht Betreuer im Einsatz, denen viele ehrenamtliche Helfer zur Seite stehen. Jeden Tag werden Deutschkurse angeboten und für Kinder Ausflüge zum Lietzensee organisiert.

„Hier ist es friedlich“

Hinzu kommt ein Sicherheitsdienst, der allein 15 Beschäftigte für die Kontrolle aller Notausgänge einsetzen muss. Als Streitschlichter werden die Wachleute dagegen fast nie gebraucht. „Hier ist es friedlich“, sagt Nowak, dazu habe die gemeinsam mit Bewohnern erarbeitete Hausordnung beigetragen. Bei Verstößen sieht sie Strafen vom Putzdienst bis zum 24-stündigen oder dauerhaften Hausverbot vor. Putzen und Schrubben ist aber nicht nur eine Sanktion: Alle Flüchtlinge säubern ihre Wohnräume selbst, einmal pro Woche wird dies kontrolliert.

Helfer und Security-Leute haben ein „Deeskalationstraining“ absolviert. Bei der einzigen Schlägerei zwischen zwei Männern half eine einfache Strategie: „Wir haben einen Kreis gebildet und die beiden sich prügeln lassen, bis sie erschöpft waren“, sagt Nowak. So wurde das Personal nicht mit hineingezogen.

Die Küche bleibt kalt

Manche Teile des ICC hat die Bauaufsicht nicht freigegeben – vor allem wegen fehlender Brandschutzprüfungen. Beispielsweise darf niemand die ICC-Dachterrasse betreten. Schwerwiegender ist, dass auch die Küche nicht zur Verfügung steht, die einst tausende Besucher versorgen konnte. Für eine Inbetriebnahme müssten Rohre und Kabel in vielen Teilen des Gebäudes modernisiert werden. Deshalb liefert ein Caterer die Speisen.

Zu Berichten über Flüchtlinge, die vom Lageso kein Taschengeld bekamen und in manchen Berliner Unterkünften gehungert haben sollen, sagt Nowak: „Bei uns kriegt auch keiner Taschengeld – aber Essen.“

Gespräche mit Flüchtlingen gehörten nicht zum Rundgang am Mittwoch. Was Bewohner sagen, können Sie hier und hier nachlesen.

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