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In der Klinkersteinvilla an der Wissmannstraße 11 wohnte einst die deutsch-jüdische Familie Barasch. Den Garten rechts davon will ein Investor bebauen.

© Cay Dobberke

Holocaust-Gedenken in Berlin-Grunewald: Bauprojekt verhindert „Bürgergarten der Erinnerung“

In einem „Bürgergarten“ wollten Anwohner der Grunewalder Wissmannstraße an ermordete und vertriebene jüdische Grundstücksbesitzer erinnern. Doch nun ließ ein Investor fast alle Bäume für eine Luxusvilla abholzen. Das Gedenkprojekt geht anders weiter.

Barbara Gstaltmayr wusste, dass ihre Idee eines „Bürgergartens der Erinnerung“ an der Wissmannstraße 11 es schwer haben würde gegen Baupläne für eine luxuriöse Stadtvilla. Versucht hat es sie es trotzdem.

Zuletzt reiste die engagierte Mieterin einer Wohnung auf dem Grunewalder Grundstück im Dezember in die USA und besuchte Nachfahren aus der Familie des deutsch-jüdischen Kaufhausbetreibers Artur Barasch. Ihm hatte das Anwesen bis zum erzwungenen Verkauf in der Nazizeit gehört. 1942 wurde Barasch im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet, seine Frau und Kinder waren zuvor ins Ausland geflohen.

Um einen Erinnerungsort für diese Schicksale ging es dem Verein Öffentlicher Bürgergarten der Erinnerung. Barbara Gstaltmayr, die beruflich im Kunst- und Kulturbereich tätig ist, hat ihn mit einigen Unterstützern gegründet.

Das Bauprojekt ist schon genehmigt

Jetzt aber ließ die Immobilienfirma Ralf Schmitz rund 30 der 40 Bäume im Garten fällen. An gleicher Stelle soll ein dreistöckiges Wohnhaus entstehen, die Baugenehmigung liegt vor. Das Unternehmen hat schon andere Villen in Grunewald errichtet, den Garten erwarb es vor einigen Monaten für 1,55 Millionen Euro.

„Den Bürgergarten kann es jetzt nicht mehr geben“, sagt Barbara Gstaltmayr. Über die Fällungen am Dienstag seien die Mieter einen Tag zuvor informiert worden.

Abgesägt. Am vorigen Dienstag mussten rund 30 der insgesamt 40 Bäume im Garten an der Wissmannstraße der geplanten Villa weichen.
Abgesägt. Am vorigen Dienstag mussten rund 30 der insgesamt 40 Bäume im Garten an der Wissmannstraße der geplanten Villa weichen.

© Cay Dobberke

Als dieses Bild im Frühjahr 2014 entstand, hatte Barbara Gstaltmayr noch Hoffnung. Bei einer Gedenkveranstaltung zierten alte Fotos der Familie Barasch die Bäume.
Als dieses Bild im Frühjahr 2014 entstand, hatte Barbara Gstaltmayr noch Hoffnung. Bei einer Gedenkveranstaltung zierten alte Fotos der Familie Barasch die Bäume.

© Cay Dobberke

Grunewalder Schüler engagieren sich

Allerdings will sich der Verein weiterhin dem Holocaust-Gedenken widmen. So gibt es bereits eine Kooperation mit dem nahen Walther-Rathenau-Gymnasium.

Im Sommer hatte Gstaltmayr im Entschädigungsamt in Wilmersdorf ein Fluchttagebuch von Artur Barasch' Sohn Werner entdeckt, von dem auch das Buch „Entronnen“ stammt. Schüler des Leistungskurses Geschichte brachten die Notizen ins Reine, damit sie für Historiker nutzbar sind, und lasen beim Schulfest im September daraus vor. Mit einer Ausstellung über das Tagebuch sowie Lesungen und Musik beteiligt sich das Gymnasium nun am Jugendforum „denk!mal“ im Berliner Abgeordnetenhaus. Es findet vom 19. bis 26. Januar statt, um an NS-Opfer zu erinnern sowie Zivilcourage und Toleranz zu fördern.

Im Gehweg vor der Wissmannstraße 11 erinnert schon seit 2008 ein „Stolperstein“ an Artur Barasch. Auch damals war die Initiative von den Mietern ausgegangen.

Stolperstein. Auf Initiative der Mieter wurde 2008 diese Tafel im Gehweg verlegt.
Stolperstein. Auf Initiative der Mieter wurde 2008 diese Tafel im Gehweg verlegt.

© Cay Dobberke

Ein Sprecher des Immobilienunternehmers Daniel Ralf Schmitz hatte dem Tagesspiegel kurz vor Weihnachten gesagt, es gebe „seit Monaten Interessenten“ für Eigentumswohnungen im geplanten Neubau, erste Vertragsabschlüsse seien kurzfristig möglich. Der Verein könne bis dahin ein Kaufangebot für den Garten abgeben. Allerdings habe Investor Schmitz „keine Kalkulation für den Grundstückspreis“ erstellt, da er die Flächen „nicht zum Spekulieren gekauft“ habe.

Unterstützer baten um Aufschub

Barbara Gstaltmayr sagt, ihr sei ein „Ultimatum“ bis Weihnachten gestellt worden. Ohne Kenntnis der geforderten Summe und in so kurzer Zeit sei es unmöglich gewesen, etwa einen Förderantrag bei der Lottostiftung zu stellen. Bereits im Sommer hatten prominente Unterstützer wie Andreas Nachama (Stiftung Topographie des Terrors), Hermann Simon (Centrum Judaicum) und Julius Schoeps (Moses Mendelssohn Zentrum, Potsdam) um ein „Moratorium“ bei der Bauplanung gebeten.

Die Immobilienfirma bietet nach eigenen Angaben ein „würdiges Gedenken“ an Familie Barasch an, denkbar sei eine Tafel in einer Ecke des Gartens. Laut Barbara Gstaltmayr halten Barasch' Nachfahren in den USA davon nichts.

Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.

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