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Licht durchflutet statt Kellerladen: Der alternative Sexshop am Mehringdamm.

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Alternativer Sexshop in Kreuzberg: Zwischen veganen Dildos und Fahrradschlauch-Peitschen

Sex nach Kreuzberger Art: Am Mehringdamm gibt es einen kleinen Laden, der veganes Sexspielzeug verkauft. Die Inhaberinnen bieten gleichzeitig auch Workshops an.

Es riecht nach Pfefferminztee. Durch die großen Fenster des Ladens am Mehringdamm scheint die Sonne. Gemütliche Sessel stehen an einem kleinen Tisch mit Blumen. Im Hintergrund singt Madonna aus den Lautsprechern. Hinter dem Tresen steht Sara Rodenhizer. Neben ihr eine Tube Gleitgel.

Zwei Kundinnen mit Hund betreten den Laden. Sara Rodenhizer fragt: „Wollt ihr Tee und Kekse?“ Die beiden lachen. Wahrscheinlich, weil die Frage so gar nichts mit dem zu tun hat, was man in einem Sexshop erwartet. Sara Rodenhizer, gebürtige Kanadierin und ihre deutsche Kollegin Anne Bonnie Schindler haben vor zweieinhalb Jahren den alternativen Sexshop „Other Nature“ eröffnet. Die beiden wollten einen Ort schaffen, an dem man ohne Scham und Tabus über Sexualität sprechen kann, sagt Sara Rodenhizer. Queer-feministisch-vegan will sie sein, das ist der Anspruch. Gemeint ist: Alle Geschlechter, ob Frau, ob Mann, ob hetero- oder homosexuell, trans- oder intersexuell, können hier Sexspielzeuge kaufen, bei deren Herstellung keinerlei tierische Produkte verwendet wurden.

Das ist gar nicht so einfach. Die Sexindustrie ist riesig, doch vieles, was produziert wird, sei toxisch oder gesundheitsschädlich ist, sagt Sara Rodenhizer, „welche Inhaltsstoffe in den Produkten sind, kann man nur sehr schwierig herausfinden.“ In ihrem Shop setzen Rodenhizer und Schindler deshalb auf Transparenz: „Wir wissen, wo unsere Produkte herkommen, sprechen mit den Lieferanten. Oft kennen wir uns auch persönlich“, sagt die 33-Jährige. Auf der Internetseite des Landens können sich Kunden über alle Hersteller informieren.

Lieber ohne. Sara Rodenhizer (links) und Anne Bonnie Schindler verkaufen Sexspielzeug ohne tierische Produkte.
Lieber ohne. Sara Rodenhizer (links) und Anne Bonnie Schindler verkaufen Sexspielzeug ohne tierische Produkte.

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Peitschen aus Fahrradschläuchen oder Seile aus Jute

Es gibt Peitschen aus alten Fahrradschläuchen, Seile aus Hanf oder Jute, Tampons ohne Chlor, Kondome ohne Milcheiweiß. Bunt ist das Angebot in jedem Fall. Auf der linken Wand im ersten Raum stehen Dildos und Vibratoren in allen Formen, Farben und Größen. Dazwischen ein kleiner Kaktus, den haben die Ladeninhaberinnen zum Spaß dazugestellt. Sara Rodenhizer lacht beim Anblick. Am umweltfreundlichsten sei das Spielzeug aus Glas oder Metall. In der Menstruations-Rubrik gibt es Binden aus Stoff, wie zu Omas Zeiten und bunte Menstruationstassen. An der Wand gegenüber hängen Handschellen aus Kunstleder. Für etwas schüchternere Kunden haben die beiden eine kleine Bibliothek aufgebaut: Dort findet man Bücher über Sexualität und feministische Pornos.

So sieht der alternative Sexshop von Innen aus.
So sieht der alternative Sexshop von Innen aus.

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„Wir werden zwar hier nicht reich, aber immerhin können wir uns inzwischen vergrößern und das Sortiment erweitern“, sagt Sara Rodenhizer. Die Entscheidung nur vegane Produkte ins Sortiment zu nehmen, kam vor allem von ihr. Die 33-Jährige lebt selbst vegan und wollte deshalb keine Leder-Riemen verkaufen. Für sie gibt es einen Zusammenhang zwischen Feminismus und Veganismus. „Es geht um gegenseitigen Respekt“, sagt sie.

In Berlin fand Rodenhizer nur dunkle, muffige Sexshops

Neu ist diese unkonventionelle Arbeit für Sara Rodenhizer nicht. Die studierte Literaturwissenschaftlerin hat in Ottawa schon einen alternativen Sexshop geleitet. Damals brauchte sie Geld und wollte auch ihre eigenen Schüchternheit überwinden, erzählt sie. Als sie während einer Rundreise nach Berlin kam, war die Überraschung groß: Dunkle, muffige Sexshops gab es zwar, alternative Läden, in denen sich alle Geschlechter wohlfühlen, aber nicht. Der Standpunkt Kreuzberg war für sie und ihre Geschäftspartnerin nur logisch: „Hier um die Ecke war das Schwuz, andere Szenekneipen und das Schwule Museum. Die Nachbarschaft hat einfach gestimmt“, sagt Sara Rodenhizer. Schwuz und Museum sind zwar inzwischen umgezogen, Other Nature aber bleibt.

Erstaunlich - offen, echt, unverstellt

Es gibt regelmäßige Workshops zu Themen wie Fußmassage, Menstruation, Orgasmus oder erotische Fantasien. Am kommenden Dienstag geht es um Polyamorie. In kleinen Gruppen von maximal fünfzehn Personen kann dort jeder für zehn Euro mitmachen. Seit Ende April gibt es auch einen Lesekreis, der nächste Termin am 30. Juni beschäftigt sich mit dem Thema Selbstbefriedigung.

Die zwei Kundinnen mit Hund stehen vor der bunten Dildo-Wand.„Kann ich euch helfen?“, fragt die Inhaberin. „Wir gucken erst mal“, antworten sie. Später hört man die beiden, einen Dildo in der Hand haltend, sagen: „Erstaunlich, wie echt sich das anfühlt.“

Other Nature, Mehringdamm 79, Kreuzberg, Mo. & Di. 12 bis 18 Uhr, Mi. bis Sa. 12-20 Uhr. Workshop am Dienstag, 17. Juni, 18.30 bis 22 Uhr, Teilnahmegebühr 10 Euro; Buchklub immer am letzten Montag des Monats, 18.30 bis 20 Uhr. Mehr Infos unter: www.other-nature.de

Clara Billen

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