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Alles leer, alles weg. Das Tiergehege im Viktoriapark in Kreuzberg liegt noch verwaist da - aber nicht mehr lange.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berlin-Kreuzberg: Aus für Tiergehege: Bürger wollen Mini-Zoo im Viktoriapark retten

Das Tiergehege am Viktoriapark in Berlin-Kreuzberg ist leer, die letzten Bewohner wurden auf einen Tierhof nach Marzahn gebracht. Der Bezirk will den traditionsreichen Mini-Zoo nicht mehr bezahlen. An diesem Sonntag wollen Bürger gegen die Schließung Unterschriften sammeln.

Mit Kreuzbergs tierischem Treiben ist es an diesem trüben Sonnabendmittag nicht weit her. Immerhin: Ein echter Reiher am Tümpel, mitten im innerstädtischen Viktoriapark, bremst eine Spaziergängertraube zum Handykamerastopp. Aber das Tiergehege, das derzeit die Gemüter vieler Kreuzberger erregt, liegt brach da. Nur zwei Spatzen jagen sich auf dem Felsen, neben der Bärenholzskulptur hinter Gittern. Mit gleich zwei Zäunen hintereinander – einer etwa zwei Meter hoch, mit Streben eng an eng – und einem weiteren, künstlerisch verwobenen Gitterchen erinnert das Schaugehege eher an einen Knast. Mit einem Streichelzoo hatte die Anlage nichts zu tun. Und: „Füttern verboten“, steht da.

Ziegen im Lkw festgezurrt

Die Zäune entstanden einst, erinnern sich Ortskundige, weil der Betreiber des Geheges Ansteckungen mit Krankheiten wie der Maul- und Klauenseuche über die Besucher befürchtete. Seit 1953 lebten dort bis vor gut zehn Jahren sogar insgesamt rund 70 Ziegen, Gänse, Fasane, Perlhühner, Tauben, Meerschweinchen, Sittiche, Papageien, Zebrafinken und ein später an Krebs verstorbener Waschbär.

Bis zum vergangenen Donnerstag waren dort aber nur noch ein paar Kaninchen und drei Ziegen zuhause. Doch dann stoppte ein Sprinter-Transporter an der Kreuzbergstraße, nahe dem Restaurant Tomasa. Und die Ziegen wurden „wie Möbelstücke mit Spanngurten in dem Lkw festgezurrt“, erzählte am Sonnabend eine Passantin kopfschüttelnd. Auf den Schildern am Zaun steht seither: „Die Ziegen und Kaninchen befinden sich jetzt auf dem Tierhof Marzahn, Alt-Marzahn 63, 12685 Berlin, in guter Obhut. Sie können dort besucht werden.“ Alle sind inzwischen mit Zetteln der Bürgerinitiative beklebt: „Rettet das Tiergehege! Es eilt“.

Das hat aber ja nun nicht mehr geklappt. Am heutigen Sonntag wollen sich Betroffene (Kontakt-Email: kreuzberg- tiergehege@web.de) um 13 Uhr zur Unterschriftensammlung treffen. Die beiden Tierpfleger, denen das Jobcenter laut Bezirk nur Zweijahresverträge geben konnte, sind nach den Worten von Parkbesuchern „völlig überrascht worden und todtraurig“. Einer Bauamtsmitarbeiterin zufolge müsste der Bezirk jedes Jahr 100 000 Euro für Personal und Betriebskosten aufbringen, wenn er die Anlage vom freien Träger übernommen hätte.

"Euphorisch war mein Kind nicht"

„So viel Geld kann’s gar nicht gewesen sein, das waren doch Ein-Euro-Jobber“, sagt ein 37-jähriger Vater, der mit seinem anderthalbjährigen Sohn im Kinderwagen vorbeikommt. Er selbst kenne sich mit Zahlen aus, er arbeite beim Wirtschaftsministerium. Andererseits wäre ihm das Gehege aber auch nicht 100 000 Euro wert gewesen“. Es habe seinen Sohn nicht „euphorisch“ gemacht. „Die Ziegen hinter den Zäunen standen oft versteckt an Felsen, und damit mein Sohn die anderen Tiere überhaupt sehen konnte, musste ich ihn hochheben.“

Restaurant hat Interesse

Eine Mutter eines älteren Kindes meinte aber, es sei schön gewesen, mal eine halbe Stunde durchzuatmen, wenn ihr Kind mit dem Tierebetrachten beschäftigt gewesen sei. Der Vater mit dem Kinderwagen schlägt vor, man könne ja eine Spendenbox aufhängen, ein eventuelles neues Gehege müsse aber zugänglicher und spannender gestaltet werden. Die Kleinkinder fänden sich selbst gegenseitig in ihren Kinderwagen und sogar die Mülleimer oft spannender als die Tiere. Und dann fügt der Stammgast noch hinzu: „Das Restaurant Tomasa in der alten Villa Kreuzberg müsste doch Interesse an dem angrenzenden kundenbringenden Tiergehege oder auch dem Gelände haben.“ Eine Spaziergängerin will wissen, dass das Tomasa das Grundstück gerne hätte, um dort seinen Biergarten zu vergrößern. Im Restaurant darf aber niemand gegenüber der Presse Auskunft geben. Und die Chefin sei im Ausland.

Tiere zu Weihnachtsbraten

Es ist ein altes Politikum zwischen Holzhäusern, Strohballen und Wasserhahntränke. Schon 1998 schrieb der Tagesspiegel, dass „die wohl größte Kinderattraktion im Viktoriapark, das schon seit 75 Jahren bestehende Kleintiergehege, gefährdet“ sei. Mit den beiden damals gestrichenen Tierpflegerstellen beim Naturschutz- und Grünflächenamt wollte Kreuzberg 100 000 DM im Jahr sparen. Die Schreberjugend und das Mädchenzentrum in der damaligen Villa Kreuzberg wollten bei den Tieren mithelfen. 2002 wurde im Zuge der Haushaltskürzungen im Ressort des grünen Baustadtrates Franz Schulz auch der Tierbestand reduziert. Heute, zwölf Jahre später, habe keine der angesprochenen Schulen im Umkreis Interesse, sich langfristig bei der Pflege des Schaugeheges zu engagieren, heißt es beim zuständigen Amt im Bezirk. Und das mit der Bürgerinitiative habe damals auch nicht geklappt, weil die Eltern wegziehen, sich trennen oder die Kinder groß werden. Dennoch halfen einige Kreuzberger am Gehege weiter mit.

„Es ist uns schwergefallen, diesen Bürgern klarzumachen, dass die Tiere nun weggekommen“, sagt eine Mitarbeiterin des Bauamtes. "Mancher hatte das ja zu seiner Lebensaufgabe gemacht.“

Immerhin leben jetzt die Tiere noch. 2001 gab es im Zuge der von Amts wegen verordneten Tierreduzierung ein Schlachtefest, da hatte ein Pfleger die Enten und Gänse an Bezirksamtsmitarbeiter für den Weihnachtsbraten vergeben.

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