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Flüchtlinge am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg

© dpa

Berlin-Kreuzberg: Flüchtlingscamp am Oranienplatz - von Aufbruch keine Spur

Die neue Unterkunft für die Flüchtlinge vom Oranienplatz ist bezugsfertig. Aber noch ist nicht klar, welche Flüchtlinge wann umziehen. Es geht um Logistik - und Vertrauen.

Von Fatina Keilani

Diese Touristen aus Asien schrecken aber auch vor nichts zurück. „Can I take a picture?“, fragt einer, der auf dem Oranienplatz die Zelte und Hütten der Flüchtlinge fotografieren will. Der 27-jährige Achour aus Niger erlaubt es. Der Asiate knipst und geht zufrieden weiter. Über dem Oranienplatz scheint am Mittwoch die Sonne genauso schön wie über ganz Berlin, Aufbruchstimmung verbreitet hier aber niemand, es ist sogar auffallend ruhig.

Sind etwa schon Flüchtlinge umgezogen? Schließlich steht doch jetzt ein ehemaliges Hostel in Friedrichshain zur Verfügung? Nein, sagt Achour, umgezogen sei noch niemand. „Es hat uns ja noch niemand gesagt, wann wir umziehen sollen.“

„Das stimmt“, bestätigt Silvia Kostner vom zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso). „Wir haben die Liste noch nicht und wollen verhindern, dass jemand einzieht, der nicht auf der Liste steht.“ Derzeit gebe es zwischen allen Beteiligten, vor allem Lageso-Chef Franz Allert, Senatorin Dilek Kolat (SPD) und Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) pausenlos Telefonate, um die Sache logistisch in den Griff zu kriegen. Es geht dabei um Fragen wie: Kommt ein Bus, der die Menschen und ihr Gepäck in die neue Unterkunft in der Gürtelstraße 39 bringt? Soll man den Umzug erst nach dem Abbau der Zelte machen? Es gibt durchaus Befürchtungen, dass nichts mehr aus dem vereinbarten Abbau der Zelte durch die Flüchtlinge wird, wenn diese den Platz erst einmal verlassen haben.

Misstrauen wiederum empfinden auch die Flüchtlinge. „Wenn wir umziehen, heißt es plötzlich, wir geben euch trotzdem keine Papiere“, befürchtet einer, der seinen Namen nicht sagen will. „Ich gehe erst hier weg, wenn ich Papiere habe.“ Wenn das so weitergeht, kann es mit dem Umzug noch dauern.

In den Zelten ist es mollig warm

Einem der Männer sind die neuen Zimmer nicht schön genug. Er zeigt Fotos auf seinem Smartphone, die er bei einer Besichtigung am Dienstag gemacht hat. Zu sehen sind helle, saubere Räume mit jeweils drei Metallbetten; auch die Gemeinschaftsküche ist neu und sauber und auf jeden Fall tausendmal besser als der klapprige Bauwagen, der auf dem Oranienplatz als Küche herhalten muss. Außerdem war es auch gar nicht geplant, dass die Flüchtlinge auf eigene Faust hingehen und sich das Haus anschauen.

Dennoch ruft der Mann: „Wir sind keine Tiere! Man kann uns nicht in Dreibettzimmer stecken!“ Auf dem Platz gibt es auch Zelte, in denen fünf Mann dicht an dicht schlafen. Es ist mollig warm drinnen, weil die Radiatoren die ganze Zeit laufen. Ein Dreibettzimmer müsste eigentlich als grandiose Verbesserung betrachtet werden. Fast könnte man denken, die Flüchtlinge hätten Angst vor dem nächsten Schritt und würden deshalb immer neue Forderungen stellen. Das empfinden auch einige der beteiligten Behörden so. Und nicht nur das.

„Das mit den Namen ist ein Problem“, sagt auch Kostner. „Viele wollen ihren Namen nicht sagen, keinen Fingerabdruck und kein Foto machen lassen. Das brauchen wir aber.“ Sonst sei man bald wieder da, wo man vor Wochen schon einmal war. Damals zogen andere Menschen als geplant in das Heim der Caritas, weil eben niemand die Namen anhand einer Liste abgeglichen hatte.

Als der Senat das Einigungspapier mit den Flüchtlingen vorstellte, sagte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann: „Wir akzeptieren keine Neubesetzung des Platzes.“ Das sollte wohl heißen, man werde kontrollieren und sicherstellen, dass es in den Zelten keine Neuzugänge gebe. Genau das war schon einmal passiert, nämlich als die Bewohner des Oranienplatzes ins Caritas-Heim zogen, Herrmann die Zelte mit Hilfe der Polizei abbauen lassen wollte und feststellen musste, dass sie schon wieder bewohnt waren.

Der asiatische Tourist ist zurück, er hat den Flüchtlingen Kaffee und Brötchen mitgebracht, und er ist auch kein Tourist, sondern Berliner. „Nur weil ich Unternehmer bin, heißt es nicht, dass ich kein Herz habe“, sagt Joel Cruz, 38, Werbekaufmann. „Ich finde es ein Unding, dass der Senat das hier seit anderthalb Jahren zulässt. Das ist inhuman. Ich habe vorhin im Radio gehört, dass die Flüchtlinge jetzt umziehen und das Camp aufgelöst wird, und da bin ich vorbeigekommen.“ Deswegen auch die Fotos. Als Dreijähriger sei er von den Philippinen nach Berlin gekommen, zwar nicht als Flüchtling, aber er fühle dennoch mit den Flüchtlingen. Er deutet auf ein schmuckes Eckhaus. „Wir haben so viel Leerstand in Berlin, zum Beispiel das Gebäude da. Warum kann man darin keine Menschen unterbringen?“

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