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Nicht für jeden. Menschen mit ausländischen Wurzeln haben es auf dem Wohnungsmarkt schwer.

© picture alliance / dpa

Diskriminierung türkischstämmiger Mieter: Migranten unerwünscht - Geldstrafe für Vermieterin

Eine Hausbesitzerin verlangte mehr Miete – aber nur von Bewohnern türkischer und arabischer Herkunft. Sie wurde wegen Diskriminierung verurteilt. Für viele Berliner mit ausländischem Namen gehört so etwas zum Alltag.

Viele Jahre hatte die Familie mit drei Kindern in ihrer Kreuzberger Mietwohnung gelebt. Dann wechselte das Haus mit insgesamt 44 Wohnungen 2010 den Besitzer – und die Probleme begannen. Erst erhöhte die neue Besitzerin die Miete für alle Bewohner des Hauses um fast ein Drittel, woraufhin einige Mieter von sich aus kündigten. Darauf folgte eine zweite Erhöhung, die die alte Miete um 80 Prozent steigern sollte – jedoch nur für Mieter türkischer und arabischer Herkunft, nicht für alle Mieter. Man habe Testballons gestartet für weitere Mietsteigerungen, erklärte die Vermieterin dazu, die Betroffenen seien zufällig, nämlich per Los bestimmt worden. Das akzeptierte das Gericht ebenso wenig wie die Begründung, warum die Auszugsfrist der türkischen Mieter – anders als die der Herkunftsdeutschen – nicht verlängert wurde. Ihre Wohnung sei erst zwei Monate später in Onlineportalen ausgeschrieben und mehr als ein halbes Jahr später erst neu vermietet worden, stellte das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg fest. Wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verurteilte es die Hausbesitzerin jetzt zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 000 Euro.

"Krasse Abwertung, massive Ungerechtigkeit"

Den beiden Mietern mit türkischem Hintergrund, die gegen die Behandlung geklagt hatten, sprach das Gericht eine Entschädigung von jeweils 15 000 Euro zu. Die Vermieterin habe ihnen zu verstehen gegeben, dass Menschen ihres kulturellen Hintergrunds ihr nicht ins Konzept passten, heißt es im Urteil. Die damit verbundene „krasse Abwertung, Ausgrenzung und massive Ungerechtigkeit“ sei „erheblich verletzend“ und verstoße gegen deutsches wie europäisches Recht.
Das Antidiskriminierungsnetzwerk des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg, das die Kläger unterstützt hatte, zeigte sich erfreut über das Urteil: Es sei das vermutlich erste überhaupt in einem Fall von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, sagte Projektleiterin Eva Maria Andrades. Sie sei schwer festzustellen und die Verfahren dauerten lange, weswegen Betroffene oft gar nicht den Gang zum Gericht wagten. Dass das Urteil auch von den Folgen der Diskriminierung für die minderjährigen Kinder der Familie spreche, sei neu in der AGG-Rechtsprechung, die Strafe von 30 000 Euro außerdem hoch. „Wir meinen nicht, dass das schon abschreckend ist, aber es geht in die richtige Richtung.“ Weitere Urteile sind zu erwarten, zwei weitere Mieter desselben Wohnkomplexes haben ebenfalls geklagt.

Kein Angebot aus Wilmersdorf

Dass manche Vermieter generell deutschstämmige Mieter bevorzugen, hatte vor ein paar Jahren auch die Soziologin Emsal Kilic empirisch bestätigt, die in Berlin ein Namens-Experiment durchführte. Dabei wurden allerdings Unterschiede von Bezirk zu Bezirk deutlich. Die Wissenschaftlerin hatte sich hundertfach auf freie Wohnungen beworben. Die gleichlautenden Schreiben unterzeichnete sie zur Hälfte mit einem deutschen Namen, zur anderen Hälfte mit einem türkisch klingenden. In Wilmersdorf erhielt die Migrantin nicht eine Zusage, die „deutsche Vergleichsperson“ dagegen sechs. In Neukölln erhielt die Migrantin 11 Zusagen, die Deutsche zwei Zusagen mehr. Die Mietergemeinschaft stellte fest: „Wer einen türkisch klingenden Namen trägt und in Berlin eine Mietwohnung sucht, muss ein hohes Maß an Benachteiligung erleiden und wird gezwungen, wesentlich schlechtere Wohnungen anzunehmen und sich in Stadtteilen mit niedrigerem Status niederzulassen.“

Migranten auf engerem Raum

Das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin kam bei einem Test vor zwei Jahren zu ähnlichen Ergebnissen: Bei Testanrufen auf Wohnungsanzeigen hin wurden größtenteils nur Interessenten mit deutschem Namen zur Besichtigung eingeladen. Dass Mieter mit ausländischem Hintergrund generell schlechtere Wohnbedingungen haben als deutsche, haben auch Erhebungen des Mikrozensus in der Vergangenheit immer wieder bestätigt. So steht einem Bewohner ausländischer Herkunft mit durchschnittlich 25,4 Quadratmetern weit weniger Wohnfläche zur Verfügung als einem Berliner mit deutschen Vorfahren, der es auf 37,7 Quadratmeter bringt.

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