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Das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz

© dpa/picture alliance

Flüchtlingscamp in Kreuzberg: Der Konflikt um den Oranienplatz verformt die Berliner Politik

Die Integrationssenatorin Dilek Kolat hat ganz geheim an der Auflösung des Camps geschraubt. Und die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann will keine Zusammenhänge zwischen der Görli-Dealerei und dealenden Flüchtlingen sehen. Der Senat inhaliert diese Politikmischung schon tief mit ein.

Man weiß es nicht: Löst da eine Frau geschickt ein Problem – oder betreibt sie die Kreuzbergisierung der Berliner Politik?  Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit, Integration, Frauen und Flüchtlinge, hat nach Wochen geheimer Gespräche angeblich fast die Voraussetzungen für die Auflösung des Camps auf dem Oranienplatz geschaffen. Fast, weil unklar ist, was sie den Flüchtlingen versprochen hat und was davon rechtlich zu machen ist.

Seltsamer noch mutet die Regelung an, die die Auflösung des Camps auf dem Oranienplatz bewirken soll: Ausgerechnet die Flüchtlinge sollen verhindern, dass neue Flüchtlinge das Camp übernehmen. Aber was heißt „seltsam“ – wir sind in Kreuzberg. Da haben Kräfte wie die politische Moral, alternatives oder autonomes Engagement sowie radikales Denken und Träumen so viel Bedeutung wie der Rechtsstaat. Das spezielle Politgemisch hat dazu geführt, dass das Camp 15 Monate existieren konnte, dass der Platz zum Symbolort für den „Widerstand“ gegen die europäische Asylpolitik geworden ist, dass Anwohner helfen konnten, und dass womöglich sechzig, siebzig, hundert Menschen, die auf gefährliche Weise nach Europa gelangt sind, hier auf Dauer bleiben können: Kreuzberg, wie es diskutiert und Konflikte wegmoderiert.

Symbolort mit Anziehungskraft

Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Zur anderen Hälfte gehört die Anziehungskraft des „Symbolortes“ Oranienplatz: Flüchtling, schaffst Du es bis auf den O-Platz, schlag’ hier ein Zelt auf. Der Rechtsweg könnte erheblich kürzer für Dich werden. Im Ernst: Wer es aus Afrika über das Meer, Italien, den Brenner, Bayern und den deutschen Wald bis zum symbolischen Widerstandszelt in Berlin geschafft hat – hat der nicht bereits ein hohes Maß an Einwanderungswillen bewiesen?

So ist auch ein leichter Kollateralschaden für den Rechtsstaat zu bilanzieren. Das wird die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann eher verschmerzen als der „Verfassungssenator“ Frank Henkel, der sich Anfang Januar gern für die Problemlösung zuständig gemacht hätte, dies aber bei den Kollegen Senatoren nicht durchsetzen konnte.

Kreuzberg hat Strahlkraft

Herrmann ist nah bei vielen ihrer Mitkreuzberger, wenn sie treuherzig behauptet, Kokainkugeln auf einem Spielplatz hätten da nicht sein dürfen, wäre es nach den angeblichen „Agreements“ mit den Dealern vom Görlitzer Park gegangen. Die Bürgermeisterin sieht vermutlich auch keine Zusammenhänge zwischen der Görli-Dealerei, den Zuständen in der von Flüchtlingen und dealenden Flüchtlingen bewohnten Gerhart-Hauptmann-Schule und der Kreuzberger Politmischung. Sie lebt damit und davon, doch kann man bloß staunend zu Kenntnis nehmen, dass der Senat begonnen hat, diese Mischung ebenfalls tief zu inhalieren.

Kolats Geheimverhandlungen und -regelungen, die Senatsmachtspielchen des Regierenden Bürgermeisters auf Henkels Kosten, damit der sich nicht profilieren kann, Henkel, der das Grünanlagengesetz bemühen wollte statt des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, Stadtentwicklungssenator Michael Müller und seine Bemerkungen zu Hütten und Baurecht: Das fügt sich zur Politgroteske. Kreuzberg hat Strahlkraft.

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