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Willkommen im Club. SO36, Oranienstraße, Kreuzberg.

© Doris S.-Klaas

Legendärer Club in Kreuzberg: 36 Jahre SO36: Durchgehalten und überlebt

Auch wenn der Kreuzberger Kiez um die Oranienstraße verschärft gentrifiziert wird - das legendäre SO36 hält sich wacker. So macht Altwerden Spaß. Gerd Nowakowski gratuliert der Konzerthalle zum Geburtstag.

Was ein richtiger Punker ist, der kümmert sich nicht um so Pillepalle wie das Alter. Alt sieht man früh genug aus. Aber 36, eh, das ist schon was, besonders in SO36. Durchgehalten, überlebt! Das können in der O-Straße nicht mehr viele von sich behaupten, und vor allem nicht, seit verschärft gentrifiziert wird im historischen Zustellbezirk der Post.

Aber Gentrifizierung war eigentlich immer. Als der Club gerade ein Jahr bestand, 1979 in den seligen Hausbesetzer-Zeiten, wurde das SO36 von den Linksautonomen gestürmt: Der vom Maler Martin Kippenberger als Betreiber des vormaligen Supermarkts versuchte Brückenschlag von Punk, New Wave und Kunst wurde von den Anarchos als „Konsumscheiße“ und „Schickeria-Kunst“ beschimpft und dem SO36 schließlich kurzerhand die Kasse geklaut. So viel zum Thema kritischer Kontinuität und genauem Hinsehen in einem Bezirk, der Anfang der 80er Jahre so aussah, als wäre der Krieg gerade erst zu Ende gegangen. Damals hätten alle eigentlich froh sein müssen um jeden fest angestellten Gehaltsempfänger, der freiwillig in die Anarchorepublik rund um den Heinrichplatz ziehen oder dort Geld ausgeben wollte. War man aber nicht, wie die Hönkel-Aktion mit dem Fäkalien-Eimer gegen das Restaurant „Maxwell“ bewies.

SO36 - Kiezgeruch aus den Bodenritzen

Aber der Punk hat sieben Leben, und wie viele das SO36 davon schon verbraucht hat, hat glücklicherweise niemand so richtig gezählt. Deswegen ist auch unklar, ob der Club nun wirklich 36 oder 35 ist oder eigentlich noch jünger. Denn zwischendurch übernahm hier mal ein türkischer Hochzeitssaal-Betreiber oder herrschte gänzlich tote Hose, weil die Polizei oder der Bezirk das Lokal zwischenzeitlich dichtmachten und die Fassade zugemauert wurde. Dazwischen: ein Programm so bunt wie die Gäste und ein bis heute unverwechselbarer Kiezgeruch aus den Bodenritzen.

Mission: Rettung vor Gentrifizierung

Apropos tote Hosen: Das gegenwärtige Leben verdankt das SO36 auch den Düsseldorfer Punkern. Denn die Band spielte vor fünf Jahren ganz umsonst in der Kreuzberger Kultstätte, als der klagewütige Besitzer des angrenzenden Hauses dem Club wegen übermäßiger Lautstärke den Stecker ziehen wollte und viel Geld gebraucht wurde für eine Lärmschutzwand. Die Mission Rettung vor Gentrifizierung glückte.

Heute hat die immer noch vom Kollektiv geführte schepprige Konzerthalle längst die Generation der Zwanzigjährigen erobert, die von Bierdosenorgien und regelmäßigen Blaulichteinsätzen nur noch von ihren Müttern und Vätern wissen. Dass es nun sogar eine „After Work Rollerskate-Disko“ gibt, geschenkt! – Arbeiten gehen, da hätte man früher drüber gelacht. Dafür gibt es ab Herbst wieder regelmäßig Kiezbingo. So macht Altwerden Spaß.

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