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Anke Lobmeyer auf ihrer Couch in Wilhelmsruh.

© Ulrike Scheffer

Eine ungewöhnliche Initiative aus Pankow: Die Klima-Missionarin aus Wilhelmsruh

Während die Weltgemeinschaft in Marrakesch über den Klimawandel berät, schützt Anke Lobmeyer das Klima quasi von der eigenen Couch aus. Auch ihre Mitbürger will sie zum CO2-Sparen animieren. Und das soll auch noch Spaß machen, verspricht sie.

Mit dem Auto zu Anke Lobmeyer? Das trauen sich sicher nur wenige. Dabei ist die 46-jährige Klimaschützerin aus Wilhemsruh gar nicht so streng. "Man darf auch mal das Auto benutzen. Und man muss auch nicht gleich Vegetarier werden, wenn man seine eigene CO2-Bilanz verbessern will", sagt sie. Klimaschutz solle Spaß machen und kein schlechtes Gewissen verursachen. Lobmeyer selbst lebt mit ihrem Partner und ihrer viereinhalbjährigen Tochter in einer großzügigen Dachgeschosswohnung mit hohen Decken und nutzt manchmal auch den Fahrstuhl im Haus. Klimatechnisch nicht gerade vorbildlich.

Doch die Familie heizt "verantwortungsbewusst", wie Lobmeyer sagt - eigentlich nur im Wohnzimmer. Anke Lobmeyer kocht außerdem vorwiegend mit regionalen Produkten und verzichtet weitgehend auf Tiefkühlkost. Und weil sie findet, dass jeder einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, hat Anke Lobmeyer eine Initiative gegründet. "Climate-Couching", Klima-Couching, heißt sie. Couching steht dabei für Couch und ein bisschen auch für Coaching, denn Anke Lobmeyer will anderen helfen, quasi von der eigenen Couch aus den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase wie CO2 zu reduzieren.. "Warten wir nicht auf die Politik, sondern fangen wir einfach an", lautet das Credo der Ökonomin, die früher beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) Streitfälle zwischen Fluggesellschaften oder der Bahn und deren Kunden geschlichtet hat.

Das Dilemma der Politik

Auf Lobmeyers Homepage gibt es eine eine Anleitung, wie man in drei Schritten zum Klimaschützer wird. Klima-Coucher können sich hier auch austauschen und gemeinsam Projekte planen. Politiker wie Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sieht Lobmeyer in einem Dilemma. Sie müssten sich für Maßnahmen stark machen, deren Nutzen für den Bürger nur schwer nachvollziehbar sei. "Die Leute wissen ja nicht, wie viel CO2 in einer politischen Entscheidung steckt", erklärt sie. Lobmeyer setzt daher im Alltag an, hält Vorträge und organisiert Workshops, bei denen man erfahren kann, wo die täglichen CO2-Fallen so lauern. Das ist durchaus überraschend, denn der Stromverbrauch oder das Heizen sind deutlich weniger entscheidend als man denkt. Käse, Butter und Sahne hingegen sind genauso klimaschädlich wie Fleisch. Lobmeyers Rechnung: Rund 12 Tonnen CO2 produziert ein Bundesbürger pro Jahr. Auf das Heizen entfallen dabei 2 Tonnen, auf den Stromverbrauch sogar nur eine Tonne. Eine Geldanlage in Höhe von 10.000 Euro schlägt jedoch mit satten 5 Tonnen zu Buche, denn die meisten Geldanlagen werden in CO2-intensive Industrieunternehmen investiert. "Aber das kann man ja ganz leicht ändern", sagt Anke Lobmeyer. Ihre Tochter etwa, sei dank einer Geldanlage der Großeltern inzwischen Biobodengenossin. Auch für den Stromverbrauch hat sie einen Tipp: Erst Ökostrom, dann Energiesparleuchten. "Denn mit Ökostrom kann man schon beachtlich CO2 einsparen, während Energiesparleuchten erhebliche Entsorgungsprobleme mit sich bringen." Von einem klimarettenden Gesamtverbrauch von 2 Tonnen-CO2 pro Kopf und Jahr sind aber auch die Lobmeyers noch weit entfernt, wie Anke Lobmeyer einräumt.

Öko-Urlaub auf den Malediven?

Besonders drastisch ist der CO2-Verbrauch bei Flugreisen. Einmal Australien hin und zurück belastet die persönliche CO2-Bilanz mit 12,5 Tonnen. Doch auch hier gilt für Lobmeyer: "Man muss nicht völlig verzichten, aber wenn mir Leute erzählen, sie hätten Urlaub in einem Öko-Ressort mit Bio-Essen auf den Malediven gemacht, dann fehlt mir dafür das Verständnis." Lobmeyer bleibt ohnehin lieber am Boden - und freut sich, dass sie bei jeder kurzen Stadtfahrt von nur 3 Kilometern, die sie statt mit dem Auto mit dem Fahrrad zurücklegt, schon 2,5 Kilogramm CO2 spart. "Da kann ich mir dann ruhigen Gewissens ein Stück Fleisch leisten." Die gebürtige Stuttgarterin macht sich auch für eine bessere Anbindung Wilhelmsruhs an den öffentlichen Nahverkehr stark. Gemeinsam mit dem Bürgerverein Wilhelsmruh, der örtlichen Kirchengemeinde und anderen Bürgern hat sie gerade 800 Unterschriften gesammelt, damit die BVG den Takt der Buslinie 122 erhöht. Die Linie verbindet den nördlichen Pankower Ortsteil mit dem Märkischen Viertel und der U-Bahn in der Residenzstraße, fährt außerhalb der Hauptverkehrszeiten aber nur im 20-Minuten-Takt. "Da lässt kaum jemand das Auto stehen", sagt Lobmeyer. Ihr Einsatz scheint erfolgreich gewesen zu sein. Von der BVG hieß es jedenfalls bei der Unterschriftenübergabe: "Die Botschaft ist angekommen." Aktionen wie diese erwartet die Pankowerin aber nicht von jedem. Sie fallen eindeutig in die Kategorie Climate-Couching "deluxe", das auf Lobmeyers Homepage Fortgeschrittenen und Profis nahegelegt wird. Einsteiger können es erst einmal mit der "basic"-Version versuchen.

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