zum Hauptinhalt
Wasser statt Feuer: Für die Delphischen Spiele wird Wasser aus Delphi an die Austragungsorte gebracht.

© IDC

Musische Wettbewerbe nach antiker Tradition: Wie Delphi nach Pankow kam

In der Antike gab es nicht nur Olympische Spiele für Sportler, sondern auch Delphische Spiele, bei denen Künstler gegeneinander antraten. In Pankow wurde diese Tradition wiederbelebt. Doch die Bewegung hat mächtige Feinde.

Ausgerechnet eine Mauer will der Internationale Delphische Rat (IDC) errichten, um Menschen und Kulturen zu verbinden. Der Rat hat seinen Sitz in Pankow und initiiert seit der Wende weltweit Künstler-Wettbewerbe nach dem Vorbild der antiken Delphischen Spiele. Nun will das kleine Team um IDC-Gründer Christian Kirsch und Waltraud Kretschmann Schüler animieren, ihre Sicht auf die Welt in Form von Gedichten, Bildern oder Graffiti auf Stellwänden festzuhalten. So soll die "Delphic Art Wall" entstehen. "Es klingt natürlich provokant, wenn man in Europa eine Mauer errichten will. Schließlich haben wir gerade jetzt mehr Mauern als je zuvor", sagt IDC-Büroleiterin Waltraud Kretschmann. "Doch Kunst verbindet, und das lässt sich nicht aufhalten." Die “Delphic Art Wall” ist also als bewusster Kontrapunkt gedacht. Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) hat sie am Mittwoch in einer Feierstunde auf den Weg gebracht. Mit dabei waren Schüler des Pankower Rosa-Luxemburg-Gymnasiums, das sich schon beteiligt.

Der IDC hat in der Vergangenheit schon ganz andere Projekte gestemmt. Unter anderem sieben Delphische Jugend- und Erwachsenenspiele auf drei Kontinenten. 2018 ist die erste europäische Delphiade geplant. Sie findet im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres statt und steht unter der Schirmherrschaft des EU-Parlaments. Die kleine Organisation kämpft seit Jahren aber auch gegen einen mächtigen Goliath, eine in Russland gegründete Konkurrenzinitiative, die die Delphischen Spiele kapern will. Doch der Reihe nach. IDC-Gründer Christian Kirsch, ein ehemaliger Soldat und Unternehmensberater, hatte seit den 1970er Jahren die Idee, die antiken Delphischen Spiele wiederzubeleben. Anders als bei den Olympischen Spielen traten hier nicht Sportler gegeneinander an, sondern Sänger, Tänzer, Schauspieler und Musiker. Im vierten Jahrhundert wurden sie von Kaiser Theodosius als heidnischer Kult verboten. Doch warum sollte man eine solche völkerverbindende Tradition nicht wiederbeleben?, dachte sich Kirsch. Schließlich wurden auch die Olympischen Spiele zu neuem Leben erweckt - auf Initiative eines einzelnen Idealisten, des Franzosen Pierre Coubertin.

Christian Kirsch hat die antiken Delphischen Spiele wiederbelebt.
Christian Kirsch hat die antiken Delphischen Spiele wiederbelebt.

© IDC

"Meine Maxime lautet, durch Beharrlichkeit kann man fast jede Hürde überwinden", sagt Kirsch heute. 1994 erreichte er schließlich sein Ziel: Die Gründung des International Delphic Council. Als Gründungsort kam für Kirsch nur ein "geschichts- und kulturträchtiger Ort" infrage. Delphi selbst wäre natürlich erste Wahl gewesen, doch dort klappte es nicht. Nach dem Mauerfall konzentrierte sich Kirsch dann auf Berlin. "Gerade das von seinen Mauern befreite Berlin schien mir geeignet, einen Impuls in die Welt zu setzen", sagt er. Und so wurde das IDC schließlich 1994 im Schloss Schönhausen ins Leben gerufen. Genau gesagt, in jenem Saal in einem der Nebengebäude des Schlosses, in dem zur Wende der Runde Tisch tagte und 1990 eine der vier Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen zur Zukunft Deutschlands stattfand. "Dieser Raum war wie für uns gemacht", schwärmt Kirsch, der Pankow bis heute treu geblieben ist. Das IDC hat seinen Sitz in der Berliner Straße.

Waltraud Kretschmann leitet das Büro des IDC in Pankow.
Waltraud Kretschmann leitet das Büro des IDC in Pankow.

© Ulrike Scheffer

Weltweit haben sich inzwischen Partnerorganisationen gegründet. Den geplanten Vier-Jahreszyklus für die Delphischen Spiele konnte das IDC zwar nicht einhalten, doch immerhin: In Korea, Malaysia und Russland wurden schon Delphische Spiele ausgetragen, Jugendspiele in Südafrika, auf den Philippinen, in Deutschland und Georgien. Alle zwei Jahre soll es künftig auch europäische Delphiaden geben. Die Bewegung finanziert sich weitgehend durch Sponsoren und Beiträge der Mitgliedsorganisationen. Die Spiele werden jeweils vom Gastgeberland getragen.

Mächtige Konkurrenz

Neben klassischen Kunstkategorien wie Tanz und Schauspiel, Musik und Gesang, Handwerk, Malerei und Fotografie sowie Text wurden zwei neue Wettbewerbskategorien eingeführt: Soziale Künste/Kommunikation und Ökologie. Christian Kirsch und seine Mitstreiter glauben, dass ein solcher Kulturaustausch gerade in der aktuellen Weltlage wichtig ist und verbindend wirken kann. Doch auch andere haben offenbar erkannt, welches Potenzial in Kirschs Idee steckt. In Russland hat sich eine Konkurrenzorganisation gegründet, die das IDC seit Jahren bekämpft und mächtige Fürsprecher in der russischen Politik hat, vor allem in der Moskauer Stadt-Duma. "Das hat viel Unruhe in die Bewegung gebracht", sagt Waltraud Kretschmann. Bisher habe sich der kleine IDC in Pankow aber gegen den Goliath aus Russland behaupten können.

So hat das IDC nun auch sein neuestes Projekt auf den Weg gebracht: Die "Delphic Art Wall". Ein Probelauf mit Kindern und Jugendlichen im indischen Hyderabad hat schon stattgefunden. Ihre Beiträge bestechen durch kraftvolle Farbgebungen und positive Assoziationen. Offenbar haben sie ihren Emotionen freien Lauf gelassen. Projektmanager Daniel Schmöcker, Kunstlehrer am Rosa-Luxemburg-Gymnasium, hat festgestellt, dass seine Schüler eher rational zu Werke gehen. "Sie haben zunächst diskutiert, was sie darstellen wollen, und sind dabei bei ernsten Themen hängengeblieben." Die ersten Arbeiten dominierten entsprechend eher düstere Szenarien. "Doch dann hat sich auch bei Ihnen die Farbe durchgesetzt."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false