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Herthas Haltestelle. Die Flatowallee am Olympiastadion.

© Foto: André Görke

„Bei Regen, Sonne oder Hagel“: Meine Hertha, mein Leben, meine Bushaltestelle

Hertha gegen Frankfurt: In der Tagesspiegel-Rubrik „Station meines Lebens“ schreibt unser Autor über die Haltestelle am Olympiastadion. Eine Liebeserklärung.

Diese Haltestelle ist der Tiefpunkt. Links geht‘s den Berg hoch, rechts geht‘s den Berg hoch. Und im Rücken steht das Olympiastadion. Ja, auch das steht auf einem Berg.

Diese Haltestelle an der Heerstraße trägt den Namen „Flatowallee“, hier stehe ich schon mein ganzes Leben. Okay, nur fast, aber alle 14 Tage schon. Seit den 80ern gehe ich zu Hertha, meiner schrulligen Liebe im Westen der Stadt. Erst als Kind an der Hand des Nachbarn, später als aufgeregter Typ und heute: tja, heute stehe ich immer noch hier und warte auf die Busfahrer, die mich schon in allen Gemütszuständen gesehen haben.

Als Absteiger und als Aufsteiger. In der Champions League (1999, gegen Barcelona) und kurz vorm Weltuntergang (2011, gegen die aus dem Wald). Einmal benommen nach der Blinddarm-OP (1996, gegen Mainz) und einmal schlimm erfroren (2008, gegen Frankfurt). Selten habe ich mich so sehr auf einen warmen Bus gefreut wie in dieser bitterkalten Nacht an der Flatowallee. Es waren minus 18 Grad im Oberring und im Plastikbecher sind allen Ernstes die Getränke gefroren.

Aber wie rappt der Musiker Harris? „Wir stehen hier bei Regen, Wind, Sonne oder Hagel / Hertha BSC vom Scheitel bis zum Fußnagel.“ Harris ist Rapper aus Charlottenburg und sein Lied ist mein Soundtrack zur Haltestelle.

Im Bus sind die einen nervös, die anderen dösen. Asis, Kids und Alte – alle an Bord. Es riecht nach Rauch, Bier, Parfum und Currywurst. So machen wir uns auf die Reise zu einem Ort, der uns alle 14 Tage verbindet.

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Wenn wir die Haltestelle in der Ferne schon sehen, drückt einer auf die Taste „Bus hält“ (meistens die aufgeregten Kinder). Das habe ich nur einmal gemacht. 1994 war das, gegen den SV Meppen, Zweite Liga. „Alle Hertha-Fans aussteigen!“, rief der Busfahrer etwas zu aufgekratzt - und ich drückte stolz auf die Taste im BVG-Bus. Leider war ich der einzige, der an diesem Tag zu Hertha wollte. Ich stieg alleine aus dem Bus. Diesen Moment habe ich ulkigerweise nie verdrängt.

Vorstadt-Platte, Edel-Villen, Hooligans und Sexclub

Die Haltestelle ist auch der Mittelpunkt des M49. Der Bus startet am Stadtrand und rollt bis zum Zoo. Heißt: Vorstadt-Platte, Edel-Villen und das ganze Touri-Programm. Knappe Stunde Fahrzeit, immer geradeaus. 34 Haltestellen, 50 Minuten Fahrzeit.

Und in der Mitte Haltestelle 17: „Flatowallee“. Der Name stand sogar schon auf unseren Shirts. „Was ist denn Flato-walle?“, wurden wir auf Auswärtsspielen gefragt.

Diese Straße zum Stadion – vorbei an Grillwurst, Hooligan-Treff und Ex-Sex-Club – erinnert an Alfred und Felix Flatow. Zwei Turner, die von den Nazis ermordet wurden. Bis 1997 hieß sie wirklich noch „Reichssportfeldstraße“, die Debatte war sehr lang und mühsam.

Bis 1997 hieß die Straße wirklich noch "Reichssportfeldstraße"

Am Freitagabend werden wir wieder hier stehen nach Herthas erstem Heimspiel der Saison vor Fans, gegen Eintracht Frankfurt. Hier unten, an der Flatowallee, wie immer bei Regen, Wind, Sonne oder Hagel. Wie immer alle 14 Tage.

[Der Autor dieses Textes hat noch eine zweite merkwürdige Leidenschaft: Berlin-Spandau. Deshalb schreibt er den Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel - kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de]

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+++ Dieser Text erscheint in leicht gekürzter Version in der Tagesspiegel-Wochenendausgabe "Mehr Berlin". Dort erzählen Tagesspiegel-Autoren von "ihren" Haltestellen oder Bahnhöfen.

[Müssen die BVG-Schnellbusse X34 und X49 eigentlich bei Hertha-Spielen am Stadion halten? Hier die Infos der BVG im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau]

Der Autor dieses Textes hat übrigens nicht nur über die Haltestelle, sondern auch über die endlose Buslinie auf der Heerstraße geschrieben - der wichtigsten Einfallstraße im Westen der Stadt (50.000 Autos am Tag).

"49er, alte Liebe… Darf ich das so sagen? Wir kennen uns, ich sehe dich öfter als meine Mutter", so beginnt der Text unseres Autors im Tagesspiegel über den Bus M49.

Liebeserklärung an den M49 auf der Heerstraße

"Lass mich dich vorstellen: Du rollst über die Heerstraße von Staaken zum Zoo. Früher warst du schöner, ein Doppeldecker, da haben wir oben hinten gesessen. Bei dir konnten wir Hausaufgaben machen, weil du auf 15.000 Metern nur zwei Mal eine Kurve fährst und somit die Hausaufgaben nie verwackelt waren." Hier können Sie den Text in ganzer Länge im Tagesspiegel lesen.

Aber auch aus dem Olympiastadion gibt es Neuigkeiten: Das wird nämlich modernisiert zur Fußball-EM 2024 - und es gibt eine interessante Idee für die stets überfüllten Toilettenanlagen. Alle Details zu neuen Eingängen, W-Lan und Technik erzählt der Veranstaltungsdirektor hier im Tagesspiegel.

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